Meta Sopper am Brunnen im Senioren-Centrum Katzenelnbogen

Hunderte Euro Preisanstieg möglich

Explodierende Energiekosten: Für Menschen in Pflegeheimen wird es eng

Stand
Autor/in
Sandra Biegger

Horrende Preise für Gas und Strom treffen auch Menschen in Pflegeheimen. Für manche könnten die Kosten zu hoch werden. Besuch in einem Heim im Rhein-Lahn-Kreis.

Wenn Meta Sopper aus ihrem Einzelzimmer im Senioren-Centrum Katzenelnbogen blickt, dann ist sie eigentlich rundum zufrieden. Sie sieht auf Bäume und den Brunnen im Hof, um den herum ist meistens etwas los. Die 98-jährige Wiesbadenerin lebt seit eineinhalb Jahren in der Pflege-Einrichtung im Rhein-Lahn-Kreis - seit einem Sturz sitzt sie im Rollstuhl.

Sopper sagt, man müsse das Leben nehmen, wie es kommt. Derzeit fällt ihr das allerdings alles andere als leicht. Ihr bereitet die weltpolitische Lage große Sorgen - und die Angst vor ständig steigenden Energiekosten.

Trotz Rente, Zusatz- und Betriebsrente könnte es finanziell eng werden

Die Seniorin ist Selbstzahlerin im Pflegeheim. Das heißt, sie kommt ohne Unterstützung vom Sozialamt aus. 4.016 Euro zahlt sie monatlich für ihren Platz, 1.500 Euro dafür kommen von der Pflegeversicherung. Den Rest kann die frühere Mitarbeiterin der Stadt Wiesbaden bezahlen, weil sie nicht nur eine eigene Rente und eine Zusatzrente bekommt, sondern unter anderem auch noch eine Betriebsrente ihres verstorbenen Mannes.

Doch bald könnte auch bei ihr das finanzielle Ende der Fahnenstange erreicht sein. Dann nämlich, wenn der Betreiber des Senioren-Centrums die Preise wegen der steigenden Energiekosten erhöht. Sopper hat Angst, in die Armut abzurutschen. Zum ersten Mal seit langem macht sie sich Sorgen um die Zukunft.

Preisanstieg von mehreren hundert Euro monatlich je Pflegeplatz möglich

Ein Gefühl, das er nur allzu gut kenne, sagt der Leiter des Senioren-Centrums Katzenelnbogen, Bernd Meurer. Er betreibt insgesamt vier Pflegeeinrichtungen, drei in Rheinland-Pfalz, eine in Bayern. Die explodierenden Energiekosten raubten auch ihm derzeit häufig den Schlaf. Wenn ein Pflegeheim bislang 60.000 Euro pro Jahr für Strom und Heizung bezahlt habe, so müsse man jetzt mit bis zu 600.000 Euro kalkulieren, rechnet er vor.

Bei der Frage, ob man nicht Energie sparen könne, winkt Meurer ab: "Ältere Menschen haben es gerne warm, da können wir die Temperatur nicht einfach um ein paar Grad runterdrehen. Und auch beim Licht können wir nicht wirklich sparen. Wir müssen unsere Räume gut ausleuchten, damit die Bewohnerinnen und Bewohner sich trotz nachlassender Sehkraft gut zurechtfinden."

Erneute Anpassung droht Energiekrise: Pflegeheime in RLP könnten noch teurer werden

Steigende Lebensmittel- und Energiekosten sowie mehr Gehalt für Personal: Einige Alten- und Pflegeheime in RLP haben ihre Sätze erhöht. Doch nun drohen weitere enorme Energiekosten. Wer das finanzieren soll, ist noch unklar.

Meurer sagt, es tue ihm leid, Selbstzahler wie Meta Sopper noch mehr zur Kasse zu bitten. Erst zum 1. September habe er - wie die allermeisten andere Pflegeheimbetreiber in Deutschland auch - die Preise angehoben. Der Grund: Seit diesem Tag müssen Pflegeheime bundesweit die Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Dass die Pflegebedürftigen jetzt die zweite Erhöhung innerhalb kürzester Zeit hinnehmen sollen, findet Meurer unverantwortlich. Vor allem weil eine Anhebung um mehrere hundert Euro monatlich je Pflegeplatz im Raum steht.

Schutzschirm für Heime und Entlastungen für Pflegebedürftige gefordert

Die gestiegenen Kosten für Strom und Heizung könnten die Pflegeheime aber auch nicht aus eigener Kraft schultern. Als Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), fordert Meurer finanzielle Unterstützung von der Politik - auf Bundes-, Landes-, und kommunaler Ebene. Der Unternehmer sagt: "Es kann nicht sein, dass alles und jeder Geld bekommt, der Pflegebereich jedoch vergessen wird." Dem bpa-Präsidenten schwebt ein Schutzschirm für Pflegeeinrichtungen oder ein Energiepauschale je Tag und Pflegendem vor.

Der Sozialverband VdK fordert hingegen keinen Schutzschirm für die Einrichtungen, sondern eine "zielgerichtete Entlastung der Heimbewohner". Und auch die Menschen, die zu Hause gepflegt werden, müssten dringend unterstützt werden, damit sie und ihre pflegenden Angehörigen nicht verarmen.

Ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, das der VdK in Auftrag gegeben hat, zeige, dass schon jetzt jeder fünfte pflegende Angehörige armutsgefährdet sei. Bei pflegenden Frauen sei es sogar jede vierte. Laut einer Online-Befragung der Hochschule Osnabrück für den VdK unter 56.000 Menschen sind viele pflegende Angehörige nicht mehr Vollzeit erwerbstätig oder haben ihre Arbeit aufgegeben, weil sie Angehörige zu Hause pflegen.

Niedersachsen zahlt Energiegeld für Heimbewohnerinnen und -bewohner

Der BIVA-Pflegeschutzbund, der ebenfalls die Interessen von Pflegebedürftigen vertritt, fordert schon seit längerem eine umfassende Pflegereform. Gerade vor dem Hintergrund, dass ein Ende der Kostenexplosion nicht absehbar ist. Demnach sollten Pflegebedürftige in Zukunft einen fixen Beitrag leisten, das darüber hinausgehende Risiko wie steigende Energiekosten sollte von der Pflegeversicherung getragen werden. Bislang ist es umgekehrt.

Pflegeheimbetreiber und bpa-Präsident Meurer sagt, noch stelle sich die Politik weitgehend taub. Lediglich in Niedersachen bekämen die Pflegeheime seit kurzem fünf bis sechs Euro pro Tag Energiegeld je Bewohner. Ein unbürokratisches Modell, das sich Meurer auch für Rheinland-Pfalz wünschen würde. Denn: Wenn nicht bald Bewegung in die Sache käme, drohe vielen Pflegeheimen die Insolvenz. Und auch finanziell gut gestellte Pflegebedürftige wie die 98-jährige Meta Sopper müssten Hilfe vom Amt beantragen.

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Sandra Biegger