Wenn am 21. Januar um 12:11 Uhr der Rosenmontagszug in Koblenz startet, dann werden voraussichtlich nur 13 Musikkapellen dabei sein. Beim letzten Zug vor der Corona-Pandemie, 2020, waren es nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Koblenzer Karneval (AKK) noch 20 Kapellen. AKK-Geschäftsführer Ernst Knopp bedauert die Entwicklung und sagte: "Das ist maximal schade."
Viele Musikkapellen sind nicht mehr spielfähig
Wie jedes Jahr habe man versucht, möglichst viele Musikkapellen für den Koblenzer Rosenmontagszug zu gewinnen, doch dies habe sich schwierig gestaltet. Viele Gruppen seien nach der Pandemie nicht mehr spielfähig, haben sich aufgelöst oder seien anderweitig gebucht. Die Organisatoren anderer Umzüge wie Heimbach-Weis, Bad Hönningen, Höhr-Grenzhausen oder Andernach berichten von ähnlichen Problemen.
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Ingo Balmes vom Festausschuss der Stadt Neuwied verweist darauf, dass der Stellenwert des Brauchtums nicht mehr so hoch sei wie früher. So sei es früher Gang und Gäbe gewesen, dass Firmen Mitarbeitern an Rosenmontag freigegeben hätten. Heute müssten sich die Musiker meist extra freinehmen für den Auftritt. In Zeiten knapper Kassen mitunter eine große Hürde.
Spielmannszüge aus ganz Deutschland bei Umzügen dabei
Um die Umzüge trotzdem mit genug handgemachter Musik auszustatten, wurden teilweise Gruppen aus anderen Bundesländern angefragt. Im Koblenzer Rosenmontagszug wird beispielsweise eine Truppe aus Lübeck spielen, in Bendorf freut man sich über eine original Schottentruppe. Das Buchen von auswärtigen Spielmannszügen ist allerdings oft auch mit zusätzlichen Kosten verbunden. So müssen die Vereine etwa für den Transport aufkommen.
Die lokal ansässigen Musikvereine sind deshalb oft die erste Wahl. Der Spielmannszug "Freiweg" Sinzig wird nach Angaben von Geschäftsführer Andreas Trierweiler in diesem Jahr bei sieben Festzügen mitlaufen, darunter auch im Nachbarbundesland Nordrhein-Westfalen. Trierweiler ist im Landesmusikverband Rheinland-Pfalz tätig und weiß, wo die Probleme bei den Spielmannszügen liegen. Demnach fehlt es unter anderem an geeigneten Dozenten und Dirigenten für die Gruppen.
Musikvereine plagen schon länger Nachwuchssorgen
Durch die Corona-Pandemie sei zudem wertvolle Übungszeit verloren gegangen und das Vereinsleben eingeschlafen. Aber bereits vor der Pandemie hat es laut Trierweiler einen Schwund von Aktiven gegeben. Nachwuchs sei schwer zu bekommen, die Musikvereine würden in Konkurrenz stehen zur Vielfalt an möglichen Freizeitbeschäftigungen heutzutage. Hinzu kommt: Typische Instrumente, wie die Spielmannsflöte, Trommel oder Lyra werden in der Schule nicht gelehrt. Es fehle der Zugang.
Viele Spielmannszüge und Blaskapellen würden deshalb an Überalterung leiden. Und gerade für die Umzüge sei das ein großes Problem. "Bei so einem Umzug mitzulaufen und gleichzeitig zu spielen - das ist anstrengend", so Trierweiler. Weil sie nicht mehr genug Musikanten für eine eigene Gruppe hatten, haben sich beispielsweise die Koblenzer Musikvereine St. Servatius Güls und das Feuerwehrorchester Koblenz-Lay für Rosenmontag zusammengetan.
Manche Vereine müssen sich zusammenschließen
Karneval sei für die beiden seit Jahren befreundeten Vereine immer ein Highlight, sagt der Vorsitzende des Gülser Musikvereins St. Servatius, Christopher Bündgen. Über den Spaß hinaus sei es aber auch eine finanzielle Sache. Mit den Auftritten und Umzügen verdienten die Vereine Geld, auf das sie angewiesen sind. Damit würden laufende Kosten bezahlt, wie etwa wichtige Anschaffungen und Reparaturen.
In Sachen Zusammenarbeit sind die beiden Vereine optimistisch, wie Christopher Bündgen betont: "Es bricht eine neue Zeit an. Wir müssen gucken, wie die Zusammenarbeit gelingt. Mit über 40 Menschen macht es aber eben auch den Einzelnen wieder mehr Spaß."
Brauchtum ist vom Aussterben bedroht
Nicht allen Vereinen ist es gelungen, solche Lösungen zu finden. So haben sich nach Angaben des Landesmusikverbands in den letzten zehn Jahren knapp 60 Musikvereine aufgelöst. Davon laut Andreas Trierweiler ein nicht unerheblicher Anteil im Norden von Rheinland-Pfalz. Trierweiler vermutet, dass in den nächsten Jahren noch weitere folgen werden.
In Zukunft also nur noch Musik aus dem Lautsprecher im Karnevalswagen? Thomas Appelbaum vom Festauschuss Bendorfer Karneval hofft, dass es soweit nicht kommt: "Musikgruppen sind das 'A und O' im Umzug. Die bekommen die Stimmung am Straßenrand mit und können auf das Publikum reagieren. Musik vom Band läuft einfach durch. Das ist eine ganz andere Atmosphäre."