SWR Podiumsdiskussion in Dernau

"Die Leute im Ahrtal haben guten Grund, wütend zu sein"

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch

Wut, Trauer, Empörung und Unverständnis. Viele Menschen im Ahrtal können die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Koblenz nicht nachvollziehen, keine Anklage gegen den ehemaligen Landrat Pföhler zu erheben. Das wurde auf einer SWR-Podiumsdiskussion in Dernau deutlich.

Es dauert nicht lange, da kochen die Emotionen hoch am Montagabend im gut gefüllten Saal des Dagernova Culinarium in Dernau. Till Zimmermann, Professor für Strafrecht an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf, versucht zu erklären, warum die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis gekommen ist, die Ermittlungen einzustellen. Das können sich viele Leute im Saal aber offensichtlich nur schwer anhören und rufen immer wieder empört dazwischen. Zu verärgert sind sie über die Entscheidung.

"Unfassbar, dass keine Anklage erhoben wird"

So geht es auch Andy Neumann. Der BKA-Beamte und Buchautor sitzt mit auf dem Podium. Aber auch er hat Schwierigkeiten, seine Emotionen im Griff zu behalten. "Die Leute im Ahrtal haben guten Grund, wütend zu sein", meint Neumann. "Ich versuche meine Wut zu fressen, um halbwegs sachlich zu sein." Für ihn sei es unfassbar, dass Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler keine Anklage erhoben habe.

Neumann ist der Ansicht, die Staatsanwaltschaft habe die Pflicht, einem Gericht die Möglichkeit zu geben, unbefangen über den Sachverhalt zu entscheiden. Auch Strafrechtler Zimmermann macht klar, dass er eine andere Haltung vertritt als die Koblenzer Staatsanwaltschaft. Diese habe sich zu sehr an der Linie des Bundesgerichtshofes orientiert: "Im Zweifel für den Angeklagten." Eine Staatsanwaltschaft könne aber auch Anklage erheben, wenn die Aussichten auf eine Verurteilung nicht so hoch seien, so Zimmermann.

Von Heusinger: "Staatsanwaltschaft hat keine Anweisung bekommen"

Carl-Bernhard von Heusinger zeigt sich davon überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft unabhängig entschieden habe. Der Obmann der Grünen im Flut-Untersuchungsausschuss des Landtags reagierte damit auf Vorwürfe, die Entscheidung "sei von oben gekommen", also vorgegeben worden, etwa aus dem rheinland-pfälzischen Justizministerium. "Das ist enttäuschend für sie alle. Das kann ich nachvollziehen", so der Grünen-Politiker zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft an das Publikum gerichtet.

Einige Menschen im Saal reagieren mit Unmutsäußerungen. Die sich deutlich verstärken als von Heusinger Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in Schutz nimmt und erklärt, dass die Regierungschefin wegen der Flutkatastrophe immer sehr betroffen gewesen sei. "Lügner!" - ist daraufhin nur einer von vielen empörten Zwischenrufen aus dem voll besetzten Saal.

Viele Besucher beteiligen sich an der Diskussion

Viele Besucher nehmen bei der Veranstaltung in Dernau die Möglichkeit wahr, sich an der Diskussion auch konstruktiv zu beteiligen, sich zu Wort zu melden. Einigen geht es darum, dass die Menschen im Ahrtal und deren Schicksal nicht vergessen wird. Manche bedanken sich auch einfach nur dafür, dass sie die Gelegenheit erhalten, ihre Gedanken und Gefühle zu äußern. Andere lassen ihrer Wut und ihrem Ärger über die Landesregierung freien Lauf, weil sie der Ansicht sind, dass nicht nur Ex-Landrat Pföhler in der Flutnacht versagt hat.

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"Für eine glaubhafte Entschuldigung von Dreyer ist es zu spät"

Auch die Forderung nach einer Entschuldigung von Ministerpräsidentin Dreyer wird heiß diskutiert. Andy Neumann erwartet die Entschuldung weiterhin und wundert sich, dass Dreyer "das aussitzt". Psychotherapeutin Elisabeth Mick, die im Helfer-Stab seit der Katastrophe viele Menschen betreut, geht davon aus, dass eine Entschuldigung der Ministerpräsidentin von den Menschen jetzt wohl "nicht mehr angenommen werden kann". Prinzipiell seien ehrliche Entschuldigungen hilfreich.

"Für eine glaubhafte Entschuldigung ist es zu spät", meint auch Stephan Wefelscheid. Der Obmann der Freien Wähler im Flut-Untersuchungsausschuss kommt nach der politischen Aufarbeitung der Geschehnisse rund um die Flut zu dem Schluss: "Das war ein systemisches Versagen auf allen Ebenen." Wefelscheid, der auch Jurist ist, kritisiert auch den Staatsanwalt. Sich gegen eine Anklage zu entscheiden, könne er nicht nachvollziehen: "Ich hätte mich als Staatsanwalt anders entschieden und mutiger gehandelt."

Aussichten auf Verfahren gegen Pföhler offenbar gering

Am Ende der Diskussionsrunde machte Staatsrechtler Zimmermann den Menschen im Ahrtal wenig Hoffnung, dass es noch zu einem Verfahren gegen Ex-Landrat Pföhler kommen wird. Zwar gebe es die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen bei der Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft einzulegen. Dies sei aber fast nie erfolgreich. Das gelte auch für ein so genanntes Klageerzwingungsverfahren, das ebenfalls möglich sei. "Ich warne davor, zu große Erwartungen daran zu setzen", so Zimmermann.

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