Es ist ein Fall, der seit einigen Tagen bundesweit für Schlagzeilen sorgt. In einem Haus im Kreis Altenkirchen hat das Veterinäramt gemeinsam mit mehreren Tierschutzinitiativen bisher etwa 800 Ratten geborgen. Wie der Kreis jetzt mitteilt, ist noch ein dritter Einsatz vor Ort nötig, um noch einmal Ratten in dreistelliger Höhe abzuholen.
Jeanine Frei war vor Ort dabei. Sie hilft ehrenamtlich bei der Tierschutzinitiative Notfallratten Rhein Ruhr. Sie und die anderen Helfer seien schon sehr angespannt dorthin gefahren. "Sowas ist zum Glück kein alltäglicher Einsatz. Und sowas hat von uns auch noch niemand zuvor gesehen", berichtet Frei.
Kot und Urin von mehr als 800 Ratten
Vor dem Haus hätte es schon nach Kot und Urin gerochen. Wie es drinnen aussah, darüber dürfen die Helfer zum Schutz der Rattenhalterin nicht sprechen. Aber alle seien fassungslos und angeekelt gewesen. Die Helfer hätten sich gegenseitig unterstützt, um das zu verarbeiten.
Alle Helfer hätten Schutzanzüge, Handschuhe und Überzieher für die Schuhe getragen - manche auch Masken. Jeanine Frei berichtet, dass sie aber trotzdem alle mehrfach gebissen wurden. Obwohl sie die Ratten zum großen Teil mit Keschern gefangen haben. Denn die Ratten seien eben in dem Moment panisch gewesen, obwohl sie an Menschen gewöhnt und sonst handzahm sind.
Ratten werden bundesweit vermittelt
Viele Ratten sind bereits deutschlandweit weitervermittelt worden, zum Teil bis nach Berlin oder München. "Wir haben zum Glück ein großes Netzwerk an Tierschutzinitiativen", erklärt Jeanine Frei. Und auch viele Privatleute hätten sich gemeldet, um Ratten aufzunehmen. Das sei auch nötig, denn allein könnte das die ehrenamtliche Initiative Notfallratten Rhein Ruhr nicht stemmen. Jeanine Frei und andere Helfer haben sich sogar extra Urlaub genommen, um das alles überhaupt geregelt zu bekommen.
Rattenzuwachs nach ihrer Rettung
Eine der ersten Hilfestellen ist bei Simone Deh Bozorgi von der Farbrattenhilfe Nordrhein (Regionalstelle des Vereins der Rattenliebhaber und -halter in Deutschland e.V.). Deh Bozorgi hatte nach eigenen Angaben erst einmal 65 Ratten aufgenommen. Unter den aufgenommenen trächtigen Tieren habe es teilweise schon Nachwuchs gegeben: Inzwischen seien 34 Rattenbabys dazu gekommen.
Labortests sollen Gesundheit der Ratten anzeigen
Der Zustand der Tiere sei zwar nicht bedenkenswert, sagt Deh Bozorgi, aber sie hätten teilweise Milben oder Parasiten. Außerdem nehme Deh Bozorgi aktuell Kotproben von den Ratten und verschicke sie an ein Labor. So wolle sie herausfinden, ob die Tiere Krankheiten haben, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. Mit den Befunden vom Labor gehen sie dann bei Bedarf zum Tierarzt und lasse die Tiere entsprechend behandeln, so die Ratten-Retterin.
Die Ratten sollen vermittelt werden
Simone Deh Bozorgi achtet nach eigenen Angaben als Regionalstelle des bundesweiten Vereins der Rattenliebhaber und -halter auf die Haltungsbedingungen in der Region. "Die Vermittlung wird nicht von heute auf morgen gehen, aber ich bin zuversichtlich, dass alle Tiere ein gutes Zuhause bekommen", so Deh Bozorgi. Wenn die Tiere sich erholt hätten und gesund seien, würden sie auf Plattformen für Rattenliebhaber und auf ihrer Webseite vorgestellt. Dann könnten sich Interessenten melden und zum unverbindlichem "Probekuscheln" vorbei kommen, sagte die Ratten-Retterin.
Das "Punkbild" von Rattenhaltern ist veraltet
Und wer hält sich Ratten? Laut Deh Bozorgi seien bei den Halterinnen und Haltern von Lehrern über Polizisten bis zu Krankenpflegern alles dabei. Das "Punkbild", damit meint sie, dass vor allem Punker Ratten halten, sei alt, verstaubt und nicht mehr zeitgemäß. Damit es den Tieren in ihrem zukünftigen Zuhause lange gut gehe, werde die Haltung besprochen und alle Fragen der Interessierten beantwortet. Wenn dann alles passe, könnten die Ratten in ein neues Zuhause ziehen, sagte die Ratten-Retterin. Auch nach der Vermittlung seien sie als Farbrattenhilfe ein Ansprechpartner für alle möglichen Fragen.