Im aktuellen Fahrradklimatest des ADFC steht es eindeutig: Bei den Orten unter 20.000 Einwohnern ist Windhagen im Westerwald ganz hinten, wenn es um die Radinfrastruktur geht. Von 474 Orten der Kategorie liegt Windhagen mit der Gesamtnote 5,1 auf dem letzten Platz in ganz Deutschland.
Für die Gruppe "Gemeinsam - Bürger für Windhagen e.V." ist die schlechte Note keine Überraschung: In Windhagen sei fast alles auf das Auto ausgerichtet, sagt die Gruppe, die auch als Wählergemeinschaft im Ortsgemeinderat sitzt und bereits mehrere Fahrraddemos organisiert hat.
Radwege in Nachbarorte fehlen
Die "Bürger für Windhagen" haben mehrere neuraligsche Punkte im Ort ausgemacht. Einmal wünschen sie sich einen Rad- und Fußweg an der Straße nach Bad Honnef-Rottbitze. Die Straße sei sehr gefährlich, mit viel Lastwagenverkehr. Und auch viele Autos würden dort fahren, gerade wenn Schichtwechsel im Werk von Wirtgen sei, der mit Abstand größten Firma im Ort.
Das Problem: Das Grundstück von Wirtgen reicht bis an die Straße. Und: Die Straße führt direkt nach Nordrhein-Westfalen, weswegen nicht nur eine andere Gemeinde und ein anderer Kreis zuständig sind, sondern auch ein anderes Bundesland. Dort liegen aber wichtige Ziele, wie beispielsweise die Märkte der Discounter.
Es gibt zwar einen Radweg durch den Wald. Dieser sei aber nicht gut befahrbar, habe eine Steigung und sei nachts gerade für Frauen unsicher, so die Gruppe. Außerdem müsse man bis zu diesem Radweg erstmal über eine vielbefahrene Straßen fahren.
Weg zur Grundschule ist problematisch
Auch der Weg der Kinder zur Grundschule ist nach Ansicht des Vereins problematisch. Die befindet sich auf der anderen Seite der Autobahn 3, die Windhagen teilt. Die Brücke über die Autobahn ist eng. Auch hier teilen sich Radfahrer und Autos die Straße. Doch auch zuvor gebe es Probleme: Straßen im Wohngebiet seien sogenannte Mischstraßen, auf denen sich Fußgänger, Autofahrer und Radfahrer die Fahrbahn teilten.
Es gebe zwar einen roten Fahrradstreifen am Rand, doch dieser sage nichts aus, Autos dürften dort trotzdem parken. So sei der Rad- oder Fußweg für die Kinder gefährlich. Eltern würden ihre Kinder deswegen lieber mit dem Auto zur Schule fahren und damit den Weg für andere Kinder noch gefährlicher machen. Ein Teufelskreis.
Verbesserungsbedarf für Windhagen
Ortsbürgermeister Martin Buchholz (CDU) verteidigt seinen Ort. Seiner Meinung nach gebe es zwar Verbesserungsbedarf für den Radverkehr in Windhagen, aber so schlimm, wie der ADFC-Fahrradklimatest es darstelle, sei es nicht. Beispielsweise gebe es in Ortsteilen von Windhagen auch Radwege in Richtung Schule oder Zentrum, die getrennt vom Autoverkehr seien. Diese verlaufen zwar teilweise durch den Wald, seien aber problemlos befahrbar. Außerdem sei die Beschilderung im Ort für Radfahrer sehr gut.
Koblenz erhält den Titel "Aufholer"
Ganz anders die Situation in Koblenz: Hier sorgt die ADFC-Umfrage für gute Stimmung. Die Stadt erhält den Titel "Aufholer" in der Größen-Kategorie 100.000 bis 200.000 Einwohner, was soviel bedeutet wie, in dieser Größenordnung hat Koblenz deutschlandweit den größten Sprung nach vorne gemacht. Ein Hauptgrund für die Entwicklung dürfte die Einrichtung der ersten Fahrradstraße im Stadtzentrum sein.
Von den insgesamt 40 Städten in dieser Kategorie belegt Koblenz allerdings immer noch lediglich Platz 29. Für den Fahrradbeauftragten der Stadt, Tobias Weiß-Bollin, ist die Auszeichnung deswegen auch nur ein erster Schritt. "Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten, um allen klarzumachen, wo wir mit der Stadt hin wollen," so Weiß-Bollin im SWR-Interview. Koblenz sei ursprünglich als Autostadt geplant worden, um daraus auch eine Fahrradstadt zu machen, werde es noch lange dauern.
ADFC-Fahrradklimatest ist nicht repräsentativ
Ein Punkt warum Koblenz ganz oben und Windhagen ganz unten gelandet ist, könnte an der Datenerhebung liegen. Denn es werden laut ADFC nur Orte aufgeführt, für die genug Menschen online abgestimmt haben. Zwar gebe es bestimmte Kategorien, aus deren Bewertung die Gesamtnote errechnet wird. Aber - es ist eine offene und damit nicht-repräsentative Umfrage im Internet. Das bedeutet auch: Nur Orte, in denen der Radverkehr bereits ein gesellschaftliches Thema ist, kommen überhaupt im Ranking vor.