Junge im Nachhilfeunterricht

Mit Hoffnung & Eigeninitiative raus aus der Armut

Wie eine junge Mutter in Kaiserslautern für Bildung kämpft

Stand
Autor/in
Alexandra Dietz
Alexandra Dietz

Wer sein Leben in Armut verbracht hat, weiß, wie schwer es ist, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Eine Alleinerziehende aus Kaiserslautern hat nie aufgegeben und wurde belohnt.

Hanna (Name von der Redaktion geändert) ist 26 Jahre alt und wohnt mit ihrem sechsjährigen Sohn in Kaiserslautern. Die junge Frau ist in Kaiserslautern zur Schule gegangen, die Familie hatte nie viel Geld. Jeder Cent musste quasi drei Mal umgedreht werden.

Als Armer muss man halt viel mehr schaffen!

Leben im Brennpunkt-Viertel von Kaiserslautern

"Wenn du als Kind im Brennpunkt-Viertel von Kaiserslautern wohnst", erzählt die 26-Jährige, dann "musst du schon gucken, dass du jede Unterstützung nimmst, die du kriegen kannst. Weil du ständig Geld brauchst". Sie erinnert sich an teure Bücher, Schulmaterialien wie Hefte, Stifte und Mäppchen, Turnbeutel, aber vor allem die Schulranzen seien immer eine besonders herausfordernde Anschaffung gewesen.

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"Alleinerziehend sein heißt, viele Ängste und Sorgen zu haben"

Hanna hat einen kleinen Sohn, ist alleinerziehend. Der Sechsjährige geht seit diesem Schuljahr in eine Grundschule in Kaiserslautern. Deshalb musste sie jede Menge Material beschaffen - vom Schulranzen, übers Mäppchen bis zum Füller. Das bereitete der 26-Jährigen längere Zeit auch Sorgen, da sie weiß, wie es ist, als Kind aus ärmeren Verhältnissen schief angeschaut oder gar gemobbt zu werden. Und nicht nur von Mitschülern oder deren Eltern, sondern auch von Erziehern oder Lehrern, was sie persönlich sehr traurig findet.

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Hanna findet das nicht gerecht. Sie denkt, dass "reiche Menschen immer noch sehr, sehr viel mehr Vorteile genießen im Leben als Menschen ohne Geld". Ob Schule, Studium oder auch eine Ausbildung, wenn es von zu Hause keinerlei Unterstützung gibt, koste es jemanden aus ärmeren Verhältnissen deutlich mehr Kraft, Energie und Durchhaltevermögen.

"Bildung muss auch für Familien in Armut erschwinglich sein"

Sich etwas nicht leisten zu können oder dem Kind wieder mal sagen zu müssen, dass man für ein neues Spielzeug kein Geld hat, sei ein "unangenehmes Gefühl". Schließlich könne das Kind ja nichts dafür, in Armut aufwachsen zu müssen. Als Mutter wird ihr immer häufiger bewusst, wie groß der Druck ist. Tag ein, Tag aus muss sie sich mit essentiellen Fragen beschäftigen: "Wie soll ich das bezahlen, warum verlangen Schulen immer nur die teuren Materialien, haben wir am Ende des Monats noch genug Geld fürs Essen?"

Du kriegst einen guten Schulranzen nicht unter 100 Euro, das ist viel Geld.

Ausbildung geschafft, "dank der Hilfe von Ehrenamtlichen"

Das Leben in Armut "ist halt oft sehr, sehr unfair und das merkt man einfach überall", sagt Hanna. Es seien oft auch ganz, ganz viele Kleinigkeiten, die sich in der Summe aufaddieren. Beispielsweise beim Beginn ihrer Ausbildung zur Erzieherin hatte die damals Anfang 20-Jährige keinen Laptop, ohne den konnte sie aber quasi nichts tun. Sie war verzweifelt, wusste nicht, wo sie das Geld für ihr Arbeitsgerät auftreiben sollte. Der Helferkreis Kalkofen e.V. hat ihr vor einigen Jahren geholfen, damit sie die Voraussetzungen für ihre Ausbildung wie alle Anderen erfüllt. Mittlerweile hat sie den Abschluss in der Tasche und ist stolz auf ihre Leistung, denn "nicht immer war alles leicht, ganz im Gegenteil".

Trotz Ausbildung und Job ist das Geld jeden Monat knapp

Monatlich schätzt Hanna ihr Einkommen auf etwa 2.000 Euro brutto. Davon gehen Miete, Strom, Essen und "noch so viel mehr" ab. Sie hat sich deshalb ein klares Limit gesetzt, was nötig ist und was nicht. Denn am Ende vom Monat bleibt sonst einfach kein Geld mehr, um Essen einzukaufen. Hanna kauft deshalb die meisten Dinge gebraucht. Auch wenn sie nie wisse, ob diese Sachen dann "überhaupt funktionieren oder nicht". Jede Investition müsse jedenfalls gründlich überlegt sein.

Hemmschwelle: "Um Hilfe bitten ist nicht leicht"

Um Hilfe zu bitten, beispielsweise bei der Caritas oder dem Helferkreis Kalkofen sei nicht immer leicht gewesen, gibt die 26-Jährige zu. Es müsse aber oft einfach sein, denn "als Alleinerziehende" könne sie "nicht viele Sprünge machen". Jeder, der Hilfe bekommen könne, solle sie auch nutzen, findet Hanna. Klar müsse man dafür seine Scham herunterschlucken, doch so könne man sich – wie sie selbst – den Traum eines besseren Lebens auch erfüllen.

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Für Hanna ist es zwar "schon ein bisschen unfair, dass die, die nichts haben, noch mehr dafür schaffen müssen, um etwas zu erreichen", gleichzeitig sagt sie aber auch: "Du musst gucken, wie du klarkommst". Gerecht sei das zwar nicht immer, da man ja doppelt leide und Bildung für alle da sein müsse, egal ob arm oder reich, aber "das Leben" sei eben "nicht immer fair".

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