Es ist der Albtraum aller Eltern: Das Kind wird von einem Fremden angesprochen und in ein Auto gelockt. Erst Anfang September hat es einen solchen Fall in Edenkoben gegeben. Schlimme Vorfälle wie dieser zeigen, wie wichtig es ist, dass Kinder schon früh lernen selbstbewusst zu sein und "Nein" zu sagen. Das versuchen auch Kindergärten und Schulen zu vermitteln.
Thaiboxer bieten Selbstbehauptungskurse für Kinder an
Im Donnersbergkreis können sie dabei auf ungewöhnliche Unterstützung zählen: Die Thaiboxer der "Vikings" aus Marnheim gehen in Kitas und Schulen und bringen den Kindern bei, sich selbst zu behaupten. Zuletzt waren sie an der Zellertal-Schule zu Gast.
Kein Kampfsport, sondern Training in Sachen Selbstsicherheit
Wenn Marc Wagner "Stopp" ruft, bebt die ganze Sporthalle. Wagner ist Kampfsportler, Thaiboxer - eine Respektsperson. Aber mit Kampfsport hat der Kurs nichts zu tun, auch nicht mit Selbstverteidigung, erklärt er. Was die Kinder der Zellertal-Grundschule hier lernen sollen, ist Selbstbehauptung. Dass es dabei um mehr als nur Worte geht, verstehen auch die Grundschüler schnell.
Warum die eigenen Superkräfte so wichtig sind
"Du hast laut geschrien und streng geguckt", fassen die Kinder zusammen. Deswegen sei das "Stopp" von Marc Wagner so eindrucksvoll gewesen. Und genau auf diese Details kommt es an. Gestik, Mimik, Körperhaltung, Sprache - all das ist im Ernstfall wichtig. Wann es einen Ernstfall gibt? Das erfahren die Kinder durch ihre „Superkräfte“, wie der Thaiboxer es nennt. Die Superkräfte der Kinder seien ihre Sinne, auf die sie sich verlassen sollen.
Jedes zweite Kind würde mit Fremden mitgehen
Kindgerecht erklärt Wagner den Schülern und Kitakindern, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie von einem Fremden angesprochen werden. Das Erschreckende: Aus seiner Erfahrung als Trainer weiß Wagner, dass viele Kinder in solchen Situationen völlig falsch reagieren. Etwa die Hälfte aller Kinder würde demnach mit einem fremden Mann mitgehen.
Test bei Kurs im Donnersbergkreis: Nicht blind Fremden vertrauen
Und genau das bestätigt auch ein Test in der Sporthalle. Hier fällt das Ergebnis sogar noch schlechter aus. Der Lockvogel und Vater von zwei Kindern, Lars Westphal, ist schockiert: "Dass wirklich alle mitgehen außer zwei oder drei, das hätte ich absolut nicht geglaubt." Zugegeben, der Test mit dem Lockvogel in der Schulturnhalle ist nicht repräsentativ. Zu Denken gibt er aber schon. Die Kinder müssten lernen, nicht jedem einfach blind zu vertrauen, resümiert der Vater.
Genau aus diesem Grund ist Marc Wagner mit zwei Jugendtrainierinnen den kompletten Vormittag in der Schulturnhalle und gibt den Selbstbehauptungskurs für alle Klassen und vier Kitas aus der Nähe. Das Konzept dazu haben sie selbst erarbeitet. Spätestens seit dem Vorfall in Edenkoben sei die Nachfrage nach solchen Kursen nämlich hoch: "Wir sind tatsächlich angerufen worden von Lehrern und Elternvertretern, ob wir unser Selbstbehauptungsprogramm nicht auch mal hier in der Schule anbieten können."
"Angst nicht auf Kinder übertragen" Angst vor Gewalttaten - Wie Eltern ihre Kinder schützen können
Die Entführung in Edenkoben hat bei vielen Angst ausgelöst. Aber Angst sei kein guter Ratgeber, sagen zwei Expertinnen. Vor allem nicht, wenn es darum geht, Kinder zu schützen.
Programm auch für Lehrer und Erzieher interessiert
Perspektivisch will Wagner Lehrer und Erzieher trainieren, damit sie ihr Wissen an die Kinder weitergeben können. Denn er und die Jugendtrainerinnen geben die Kurse ehrenamtlich. Für die Kita- und Schulbesuche müssen sie extra Urlaub nehmen. Da spielt der Arbeitgeber aber nicht auf Dauer mit.
Während des Kurses achtet Wagner besonders auf diejenigen, die sich nicht sofort in den Vordergrund drängen wollen. Besonders die kleinen, ruhigen Kinder sollen lernen sich zu behaupten. Und das klappt am Ende auch unter großem Applaus aller anderen Kinder in der Sporthalle.