Der im rheinhessischen Ober-Olm lebende Michael Werner (58) gibt bereits seit 1997 eine Zeitschrift „Hiwwe wie Driwwe“ heraus, hat unter diesem Titel auch ein Buch geschrieben. Die pennsylvanisch-deutsche Kultur hat es dem Sprachwissenschaftler angetan. Darüber hält er am Dienstagabend (19 Uhr) in der Pfalzbibliothek einen Vortrag mit Musik.
SWR Aktuell: Herr Werner, wie kam es dazu, dass Sie sich so intensiv mit dem Pfälzer Dialekt auseinandersetzen? Ihre Großeltern in Ebertsheim im Kreis Bad Dürkheim hatten daran auch einen Anteil...
Michael Werner: Genau. Ich bin zwar in Frankenthal aufgewachsen, war aber oft in Ebertsheim bei der Verwandtschaft. Die führten einen Nebenerwerbs-Bauernhof. Für uns Stadtkinder war das immer spannend. Da gab es große Obstplantagen, der ganze Rhythmus war komplett anders. Bei der Ernte hatte die ganze Nachbarschaft geholfen. Und da wurde auch ordentlich Mundart gesprochen. Das hatte mich schon damals als Zehnjähriger sehr fasziniert. Das war der Start dafür, dass ich mich für Mundart interessiere.
SWR Aktuell: Jetzt hat es Ihnen vor allen Dingen die pennsylvanisch-deutsche Kultur angetan. Warum das?
Werner: Das waren eigentlich zwei Schritte. Ich hatte Linguistik studiert mit dem Schwerpunkt Mundarten. Meine Magisterarbeit hatte ich über Französisches in der Pfälzer Mundart geschrieben - da gibt es ja jede Menge. Dabei habe ich auch geschaut, wo Pfälzer Auswanderer hingegangen sind - nach Russland, Brasilien oder Pennsylvania. Für meine Dissertation hatte ich mich dann mit Pennsylvania befasst, mit den Nachfahren der überwiegend kurpfälzischen Auswanderer des 18. Jahrhunderts.
SWR Aktuell: Was fasziniert Sie an dieser Kultur?
Werner: Der Fokus hat sich geändert. Am Anfang hatte mich am meisten interessiert, ob ich zu den zurückgezogenen Amischen Kontakt bekommen kann, die diese Mundart auch im Alltag sprechen. Das hat auch sehr gut funktioniert. Da ging es im Wesentlichen um den englischen Einfluss auf die Mundart. Wie verändert das Englische die Strukturen in der Mundart? Dann haben mir die Menschen ganz interessante Geschichten erzählt, die mich auch an meine eigene Kindheit erinnert haben. Die haben dann von einem "Butzemann" berichtet, der im Feld steht, von einem "bucklisch Männlein", das in der Küche lebt, von einem "Waldmops", der im Wald lebt und Opfergaben bekommt. Dann kamen Geschichten vom "Belsnickel" und den "Elwedritsche". Das ist eigentlich die heute noch interessantere Geschichte.
SWR Aktuell: Warum?
Werner: Wir schauen da in Pennsylvania in eine Gesellschaft, die Muster erhalten hat, die 300 Jahre alt sind. Was wir im Prinzip durch Industrialisierung und Kriege verloren haben. Sie sind im Wesentlichen eine bäuerliche Gesellschaft geblieben. Der Blick nach Pennsylvania erlaubt uns dadurch einen Zeitsprung 300 Jahre zurück. Und wir schauen auf uns selbst, auf die Identität unserer eigenen Vorfahren. Das ist wirklich spannend, was man dann daraus ableiten kann.
SWR Aktuell: Sie haben das mehrfach vor Ort erlebt. Wie kann man sich das vorstellen?
Werner: Die Lebensweise ist sehr stark vom bäuerlichen Pflanz- und Erntejahr geprägt. Es geht los mit dem Murmeltiertag im Frühjahr. Es sind sehr christliche Menschen. Ostern ist ihnen ganz wichtig. Dann kommt der Ernteteil im Sommer und Spätherbst. Schließlich kommt man über Halloween, was dort auch gefeiert wird, zum Weihnachtsfest. Der gemeinsame Nenner ist, dass die Menschen ihr Leben als Kreislauf verstehen.
SWR Aktuell: Sie geben seit 1997 eine Zeitschrift „Hiwwe wie Driwwe“ heraus, haben ein Buch zur pennsylvanisch-deutschen Kultur geschrieben, am 18. April erscheint dazu bereits ein zweiter Kinofilm. Hätten Sie jemals gedacht, dass eine Kultur so sehr ihr Leben als Hobby einnimmt?
Werner: Genau, es ist ein reines Hobby. Das habe ich nicht gedacht. Die Zeitung haben die Autoren vom Start weg als ihres angesehen, fanden das eine echte Bereicherung ihres kulturellen Lebens. Deswegen hat das von Jahr zu Jahr immer weiter zugenommen und ist ein Lebensthema geworden.
SWR Aktuell: Am Dienstag sind Sie zu Gast in der Pfalzbibliothek in Kaiserslautern. Angekündigt ist dies als Vortrag mit Musik und Lesung. Wird denn dabei auch pennsylvanisch-pfälzisch gesprochen?
Werner: Na klar, wir reden ein wenig pennsylvanisch-deutsch, so dass wir alle auch mal hören können, wie das so ungefähr klingt. Ich erzähle auch Geschichten in pennsylvanisch-deutsch, lesen werde ich ein bisschen was, aber gar nicht so viel. Mir geht es darum, die Geschichten zu erzählen, die ich in Pennsylvania gehört habe und die letztlich auch eine große Verbindung haben mit unserer eigenen pfälzischen Identität. Wir können unheimlich viel über uns selbst lernen, wenn wir nach Pennsylvania schauen.