Debatte um Bußgelder

"Impfschwänzer" in Rheinland-Pfalz: Folgen für die Impfkampagne?

Stand
Autor/in
Anna-Lara Weidinger
SWR Aktuell, Logo

Während es zu Beginn des Jahres in Rheinland-Pfalz zu wenig Impfstoff gab, werden nun Impftermine "geschwänzt". Unsolidarische Bürger oder technische Probleme? Welche Folgen hat das für die Impfkampagne in Rheinland-Pfalz?

Ob Bußgelder für Menschen, die ihren Impftermin "schwänzen", eine gute Idee sind, wird gerade in den Sozialen Medien unter dem Hashtag "#Impfschwänzer" rege diskutiert.

Dabei ist nicht klar - und kann auch nur bis zu einem gewissen Grad erhoben werden - ob und wie viele "Impfschwänzer" ihren Termin vergessen oder zu spät abgesagt, es sich anders überlegt und gar nicht abgesagt oder gar vergeblich versucht haben, das zu tun.

"Nach einigen Monaten des Wartens habe ich endlich einen Impftermin bekommen", kommentiert etwa eine SWR-Nutzerin aus Rheinland-Pfalz einen Artikel zur Diskussion um Bußgelder. "Da mein Arbeitgeber schneller war, sagte ich den Impftermin frühzeitig per Email und zwei Mal telefonisch ab. Ich habe trotzdem wieder eine Einladung erhalten, mit Formularen, Aufklärung, ein richtig schöner dicker Brief - das kostet alles Geld, herausgeschmissenes Geld. Die Organisation in Rheinland-Pfalz läuft nicht gut."

Absage telefonisch oder online möglich

Größtenteils werden bei den Stornierungen keinerlei Gründe angegeben, so das Gesundheitsministerium gegenüber dem SWR. Die Daten lassen daher nach Angaben des Gesundheitsministeriums keine allgemeinen Aussagen zu. Die meisten, so die Vermutung auf Seiten der Behörden und in den Landesimpfzentren, dürften auf anderem Wege schneller zu einem Termin gekommen sein, etwa über den Haus- oder Betriebsarzt.

Bisher keine Dosen entsorgt

Die No-Show-Quote, also der Prozentsatz nicht abgesagter und nicht wahrgenommener Termine in den Impfzentren, befinde sich landesweit im Schnitt bei rund 15 Prozent - und das konstant und bereits seit Wochen. "Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um Erstimpfungen", so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums gegenüber dem SWR. "Durch flexible Überbuchungsquoten und die zur Verfügung gestellten Nachrückerlisten gelingt es, die Quote der tatsächlich ausgefallenen Termine auf rund fünf Prozent zu drücken." Diese Termine würden dann in den kommenden Tagen nachbesetzt. "In Rheinland-Pfalz verfällt daher kein Impfstoff, bisher konnten alle Impfdosen vor dem Erreichen des Verfallsdatums verimpft werden."

Marc André Glöckner von der Stadt Mainz bestätigt das für das Impfzentrum in der Landeshauptstadt: "Wegschmeißen mussten wir in Mainz noch keine einzige Dosis." Die No-Show-Quote lag Ende Juni/Anfang Juli im Landesdurchschnitt. Das Impfzentrum reagiert darauf mit einer planmäßigen Überbuchung von fünf Prozent und einer Nachzüglerliste. Bei der Impfbörse der Stadt können sich Bürger und Bürgerinnen anmelden, um kurzfristig kontaktiert zu werden. "Wenn darüber hinaus Impfstoff zur Verfügung steht, dann geben wir die Termine über die Landesplattform wieder frei." Die sogenannten Vials, die Phiolen, die den Impfstoff enthalten, werden nur dann angebrochen, wenn sichergestellt werden kann, dass sie vollständig am selben Tag verimpft werden können.

Glöckner geht davon aus, dass die meisten Menschen, die nicht zu ihrem Termin erscheinen, eben auf anderem Wege geimpft werden, was an sich positiv zu bewerten sei. "Gleichwohl", appelliert er, "sollte man, wenn man an anderer Stelle eine Impfung bekommen hat, sich dann aber auch von den anderen entsprechenden Listen nehmen lassen." Denn obwohl kein Impfstoff verfalle: "Das bremst das Impftempo. Wir könnten die Termine effizienter nutzen, wenn wir sie alle ausgelastet hätten."

Generell sinkende Impfbereitschaft und Mehrfachanmeldungen

In Ingelheim (Landkreis Mainz-Bingen), wo derzeit täglich rund 1.000 Personen geimpft werden, hat sich die Zahl der Impftermine, die nicht wahrgenommen werden, in den vergangenen Wochen sehr stark erhöht. Dabei sei aber keine Regelmäßigkeit erkennbar, berichtet eine Mitarbeiterin des Büros der Landrätin: "Es gibt Tage, an denen werden nur ein Prozent der Termine nicht wahrgenommen. Dann gibt es Tage, an denen bis zu 20 Prozent offenbleiben." Festzustellen sei, dass einzelne Personen gleich zwei oder drei Termine gebucht haben, um schneller an eine Impfung zu kommen, auch das treibe die Ausfallquote in die Höhe.

Das Impfzentrum in Ludwigshafen von Innen
Das Impfzentrum in Ludwigshafen von innen. Die No-Show-Quote liegt hier an manchen Tagen teilweise über dem landesweiten Durchschnitt.

Etwas über dem landesweiten Durchschnitt liegt die No-Show-Quote bei Erstimpfungen derzeit in Ludwigshafen: "An einzelnen Tagen werden bis zu 25 Prozent der Termine für Erstimpfungen nicht wahrgenommen", so Florian Bittler von der Stadtverwaltung gegenüber dem SWR. "Es stellt sich heraus, dass es zunehmend schwierig wird, noch impfbereite Personen zu finden, die spontan kommen können. Aus diesem Grund lässt man nur so viel Impfstoff in die Spritzen aufziehen, wie Impflinge erwartet werden."

In Kaiserslautern werden im Durchschnitt nur sechs bis zehn Prozent der Termine unangekündigt nicht wahrgenommen - allerdings spricht die Stadtverwaltung hier davon, dass ein "klarer Zusammenhang mit dem gebuchten Impfstoff" zu erkennen sei. "Ganz allgemein merkt man aktuell einen deutlichen Rückgang der Impfwilligen, die Wartelisten werden zusehends leerer." Es werde immer schwieriger, Leute für die Resteimpfungen am Tagesende zu erreichen.

Nicht abgesagte Termine führen zu organisatorischem Mehraufwand

Nebeneffekte seien, wie die kontaktierten Impfzentren zurückmelden, dass zeitweise Leerlauf entstehe. Dass Mitarbeiter vorzeitig nach Hause geschickt würden, wird fast gar nicht berichtet und bleibt ansonsten vereinzelt die Ausnahme. In den Impfzentren wird die Zeit nämlich dafür genutzt, um Überstunden aus Sonderimpfaktionen abzubauen oder andere anfallende Aufgaben zu erledigen. Durch nicht abgesagte Termine, die der zentralen Plattform des Landes rückgemeldet werden müssen, damit diese wieder vergeben werden können, steigt außerdem der Verwaltungsaufwand.

Bußgelder derzeit nicht zu befürchten

Die Landesregierung konzentriert sich aktuell eher darauf, wie die Impfbereitschaft erhöht und wie Impfungen leichter zugänglich gemacht werden können. Sie hält daran fest, dass es keine Bußgelder geben sollte und erklärte am Mittwoch auf Nachfrage des SWR, dass sie keine Strafen für Personen plane, die ihren Impftermin ohne Absage nicht wahrnehmen - anders als etwa Baden-Württemberg es derzeit in Erwägung zieht: "Zum einen möchten wir vermeiden, dass Strafandrohungen die Akzeptanz der gesamten Impfkampagne schmälern könnten, begründet das ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. "Zum anderen gehen wir davon aus, dass sich das Phänomen in den kommenden Tagen und Wochen verringert, wenn die Wartelisten und damit auch die Wartezeiten sich weiter reduzieren."

Dennoch: Einen Termin abzusagen sei "nicht zu viel verlangt", betont die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD):

Viele SWR-Nutzer kommentieren jedoch auch unter diesem Post auf Instagram, dass eine Absage manchmal nicht ganz einfach sei - obwohl der Vorgang weder telefonisch noch online kompliziert scheint. Einige User finden, der Vorgang könnte noch vereinfacht werden und schreiben, er sei zu umständlich und frage zu viele Daten ab, die schon vorlägen: "Mailadresse und Vorgangsnummer sollten reichen." Andere merken an, die Leitung zwischen der Terminvergabestelle und dem Impfzentrum funktioniere nicht: "Wir haben uns sofort gemeldet, als wir die schnelle Zusage vom Hausarzt angenommen haben. Wir bekamen aber weiter die Unterlagen und Aufforderung, zum Termin zu kommen, zugeschickt und wurden drei Mal angerufen."

"Keine Hinweise" auf grundlegende technische Probleme

Es lägen keine Hinweise auf grundlegende technische Probleme im Zusammenhang mit Terminstornierungen vor, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Ganz generell lasse sich beobachten, dass es aber teilweise zu Problemen in der Nutzung der gegebenen Möglichkeiten zur Absage gekommen sei.

Bürgerinnen und Bürger stornierten ihre Termine nicht über die dafür vorgesehenen Wege online oder per Hotline, sondern antworteten auf die Mail oder die SMS, mit der ihnen ihr Impftermin mitgeteilt wurde. Dabei handele es sich allerdings um eine Mailadresse, hinter der kein Empfänger sitzt, wie beim Versand großer E-Mail-Mengen üblich. Im Zuge dieser "Irrläufer" könne es passieren, dass Stornierungen nicht durchgeführt würden.

Absagen erleichtern Aufwand für Impfzentren

Zusammenfassend: Aus Sicht der Impfzentren wäre es wünschenswert, wenn sich Personen, die nicht kommen können, wollen oder schon anderweitig versorgt sind, vorher auch abmelden würden. Die Rückmeldungen in den sozialen Medien zeigen jedoch, dass manche Menschen dabei nicht wissen, welche die vorgesehenen Wege sind, sich abzumelden. In einigen Fällen macht die Technik oder die Kommunikation zwischen Vergabestelle und Impfzentrum Probleme.

Einen Termin nicht abzusagen ist, wie andere Nutzer kritisieren, nicht das Verhalten, das generell an den Tag gelegt werden sollte - bei Fachärzten fielen hier schließlich auch Ausfallhonorare an. Es mag "Impfschwänzer" geben, die keine großen Gedanken darauf verwenden, welche Auswirkungen ihre Nicht-Handlung auf andere hat - bisher bleiben die dramatischen Folgen noch aus.

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