Steigende Flüchtlingszahlen - überforderte Kommunen

Kommunen brauchen ehrenamtliche Flüchtlingshelfer

Stand

2015 war die Stimmung euphorisch. Viele in RLP wollten sich für Geflüchtete einsetzen. Mittlerweile hat das stark nachgelassen. Warum ist das so und was bedeutet das für die Kommunen?

Die Flüchtlingshelfer im Westerwald fühlen sich im Stich gelassen. 14 Monate hatten sie in Ebernhahn Geflüchtete mit Lebensmitteln versorgt. Zuletzt waren es immer noch 80 bis 120 Menschen pro Essensausgabe, sagt Sascha Uvira vom Verein Solidarität in Not (SIN). Seit Mai 2023 ist damit erstmal Schluss. Sie müssen die Räume der Ortsgemeinde Ebernhahn verlassen, die Vereine möchten sie wieder selbst nutzen. Ein anderer Ort sei dem Hilfsverein bisher nicht angeboten worden, sagt Uvira, trotz vielfacher Bemühungen des Vereins.

Weniger Bereitschaft für Flüchtlingshilfe in RLP

In den vergangenen Jahren war es vor allem das ehrenamtliche Engagement, das dazu beigetragen hat Menschen, die aus ihren Heimatländern geflohen sind, in Rheinland-Pfalz zu integrieren. Aber viele Ehrenamtliche haben sich zurückgezogen - manche, weil ihnen die Unterstützung in den Kommunen fehlt. Konkrete Daten werden weder von den Kommunen, noch dem Land oder den Organisationen und Vereinen selbst erfasst. Aber in einer nicht repräsentativen SWR Umfrage unter Helferkreisen und Hilfsvereinen deutschlandweit haben 49 Prozent angegeben, die Anzahl der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe habe sich "erheblich verringert".

Ohne das Ehrenamt geht es meiner Ansicht nach nicht!

Für die Kommunen ist das ein großes Problem. "Ohne das Ehrenamt geht es meiner Ansicht nach nicht", sagt die Sozialdezernentin von Ludwigshafen, Beate Steeg.

Was tun Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe? Das Spektrum ist riesig. Es beginnt damit, die Menschen durch den bürokratischen Dschungel zu führen, Papiere auszufüllen, Anträge zu stellen, Dokumente herbeizuschaffen und setzt sich fort bei Arztbesuchen oder Jobsuche. Und oftmals helfen Ehrenamtliche auch beim Deutsch lernen. "So eine Eins-zu-Eins-Betreuung können die Behörden nicht leisten", gibt Steeg zu.

Kommunen setzen zu stark auf Ehrenamtliche

Die Städte und Gemeinden haben in den vergangenen Jahren stark auf dieses Netz ehrenamtlichen Engagements gebaut. Zu sehr vielleicht, denn nach Ansicht des Flüchtlingsrates Rheinland-Pfalz haben Ehrenamtliche oft Aufgaben übernommen, die eigentlich hauptamtliche Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter machen müssten. An diesen Stellen werde in den Kommunen meist als erstes gespart, sagte Gwendolyn Albrecht-Fuseini, Projektleiterin im Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz. Manche Ehrenamtlichen fühlten sich regelrecht ausgebrannt und könnten nicht mehr.

Das unterstreicht auch Andrea Klockler von "Diakonie hilft" in Trier: "'Da muss man doch was tun' kann ein hervorragender Einstieg in ein soziales Ehrenamt sein, aber auch direkt in einen Ehrenamtsburnout führen, wenn nicht Reflexion, Austausch und Unterstützung dabei helfen, die eigene Rolle in einem System zu finden."

"Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum Ehrenamtliche abspringen", sagt die Integrationsbeauftragte von Ingelheim, Dominique Gillebeert. "Ein Grund ist vermutlich auch die Diskussion darüber, viele Geflüchtete hätten gar kein Recht zu bleiben und müssten eigentlich abgeschoben werden. Das trägt auch dazu bei, dass manch einer sagt, ich engagiere mich nur, wenn die Leute auch bleiben dürfen."

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Dass Flüchtlingshelfer fehlen, wirkt sich unmittelbar auf die Integration aus. "Für Geflüchtete bedeutet das, sie haben weniger Möglichkeiten, den Alltag in Deutschland außerhalb von Schule und Arbeit kennenzulernen", sagte Kockler. Der Austausch zwischen den Neuangekommenen und der Gesellschaft fehlt. Die Sprache zu lernen, ist viel schwieriger. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer öffnen oftmals die Tür in die eigene Familie, in den Freundeskreis. Diese Kontakte beeinflussen letztendlich auch die Einstellung der Gesellschaft zu den Migranten. "Es fördert den Zusammenhalt und ist deshalb ein nachhaltiger Mehrwert für die Stadt und die gesamte Gesellschaft", so Kockler.

Und brechen die Ehrenamtlichen weg, fehlt nicht nur der Austausch, sondern auch Wohnraum. Nach dem großen Flüchtlingsstrom 2015/16 und auch nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hatten viele Privatleute Wohnungen an Geflüchtete vermietet oder sie sogar in den eigenen Wohnräumen aufgenommen. Aber einige seien auch enttäuscht worden, weil die Menschen oftmals viel länger bei ihnen bleiben mussten, als das geplant war, sagen Gillebeert aus Ingelheim und auch Albrecht-Fuseini vom Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz. Dadurch habe die Bereitschaft nachgelassen.

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Die Geschäftsführerin des Städtetages Rheinland-Pfalz forderte im SWR Interview, es brauche eine neue Ehrenamts-Offensive. "Gegebenenfalls kann das angereizt werden über Vergütungen, über Privilegien. Es müsste auch wesentlich mehr Schulungen und Erfahrungsaustausch unter den Ehrenamtlern ermöglicht werden, damit sie die zum Teil auch wirklich emotional belastenden Situationen weiterhin gut aushalten."

Der Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz fordert, dass die Integrationspauschale zweckgebunden wird, damit das Geld auch tatsächlich für entsprechende Projekte ausgegeben wird.

Das bräuchte die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe

Uvira vom Verein "Solidarität in Not" wünscht sich, dass dem Ehrenamt generell mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. "Dass Ehrenamtliche im Landkreis selbst einen Ansprechpartner haben, der sich um gewisse koordinative Dinge kümmert, um bürokratische Dinge, dass man einfach weiß: Okay, da ist jemand, den kann man ansprechen, weil auch wir sind in bestimmten Bereichen überfordert und wissen nicht, wo müssen wir uns hinwenden, um Hilfe zu bekommen."

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