Dreyer hatte auf der Mainzer Demo gegen Rechtsextremismus vorletzte Woche die AfD kritisiert - und später auch auf dem Internetportal der Landesregierung: Dort steht beispielsweise, auch Mitglieder der AfD in Rheinland-Pfalz seien in rechtsradikalen Zusammenhängen unterwegs. Die AfD wirft Dreyer vor, ihre Neutralitätspflicht verletzt zu haben.
- Worum geht es?
- Wie bewertet Hufen den Vorgang?
- Wie viel Freiraum hat Dreyer?
- Gab es vergleichbare Streitfälle?
- Wie könnte es in der Sache weitergehen?
Worum geht es genau?
Malu Dreyer hatte schon im Vorfeld dazu aufgerufen, an der Demonstration in Mainz teilzunehmen. Am Abend des 18. Januar sprach Dreyer als Gastrednerin auf dem Mainzer Bahnhofplatz, der voll von Demonstrantinnen und Demonstranten war. Dreyers Botschaft in ihrer Rede und danach auf der Internetseite der Landesregierung: "Rechtsextremisten bedrohen unsere Demokratie." Dreyer lobt auf dem offiziellen Portal der Landesregierung die Kundgebung als starkes Zeichen und bezieht sich auf die Correctiv-Recherchen: "Die aktuell öffentlich gewordenen Vertreibungspläne seien ein erschreckender Höhepunkt des rechtsextremen Gedankenguts, das auch führende Köpfe der AfD verbreiteten."
Dreyer bezieht sich auch auf die AfD im Land: Auch Mitglieder der AfD Rheinland-Pfalz seien "in rechtsradikalen Zusammenhängen unterwegs".
Wie bewertet der Mainzer Staatsrechtler Friedhelm Hufen den Vorgang?
Hufen bezeichnet es als problematisch, dass Dreyer das Portal der Landesregierung für Kritik an der AfD nutzt. Es gehe um die Chancengleichheit der politischen Parteien, sagte Friedhelm Hufen dem SWR. Herausgehobene Amtsträger und Amtsträgerinnen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene müssten grundsätzlich darauf achten, dass sie ihr Amt nicht einsetzten, um den politischen Wettbewerb zu verzerren: "Deshalb dürfen sie, wenn das bei einer Partei wie der AfD auch schwerfällt, nicht die Möglichkeiten und Mittel des Ministeriums, der Staatskanzlei oder der Stadt benutzen, um die Chancen des Gegners zu beeinträchtigen oder ihrer eigenen Partei Vorteile zu verschaffen." Das gelte vor allem, aber nicht nur, im Wahlkampf.
Wie viel Freiraum lässt diese sogenannte Neutralitätspflicht einer Ministerpräsidentin wie Dreyer?
Staatsrechtler Hufen sagt: "Die Ministerpräsidentin darf selbstverständlich - wie alle anderen - allgemein gegen Rassismus, Islamophobie und Antisemitismus auch öffentlich Stellung nehmen, auch wenn sich solche Ziele in den Programmen oder Äußerungen konkurrierender Parteien finden. Ebenso darf sie wahrheitsgemäße und sachliche Berichte und Informationen bringen."
Zumindest bedenklich seien in ihrer Funktion als Ministerpräsidentin aber direkte Angriffe auf politische Gegner, die im Wettbewerb mit ihr oder ihrer Partei stünden. In ihrer Rede auf der Demonstration in Mainz hatte Dreyer gesagt, es gebe auch in Rheinland-Pfalz Mitglieder der AfD, die die Demokratie gefährdeten. Dreyer nannte namentlich den Mainzer Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier.
Gab es vergleichbare Streitfälle zwischen anderen Politikern und der AfD?
Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Fällen die Neutralitätspflicht streng ausgelegt und der AfD Recht gegeben, etwa im Streit zwischen der AfD und dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU. Seehofer hatte die AfD in einem Interview unter anderem als "staatszersetzend" kritisiert. Der Text wurde zeitweise auch auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht. Das Bundesverfassungsgericht entschied damals, dass Seehofer die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt habe.
Vergleichbare Urteile des Bundesverfassungsgerichts gab es auch zu einer AfD-kritischen Pressemitteilung der damaligen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) oder zu einer Äußerung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wonach mit der AfD keine Mehrheiten gewonnen werden sollten. Das Statement Merkels zur umstrittenen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen 2020 war auch auf den Internetseiten der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung veröffentlicht worden.
Wie könnte es im Streit zwischen der rheinland-pfälzischen AfD und Dreyer weitergehen?
Die AfD wirft Dreyer vor, gegen ihre Verpflichtung zu parteipolitischer Neutralität verstoßen zu haben und fordert die Ministerpräsidentin auf, die von der AfD kritisierten Aussagen im Internet löschen zu lassen sowie die Aussagen nicht zu wiederholen. Die AfD könnte auch vor Gericht gehen. 2014 war beispielsweise die NPD wegen einer Dreyer-Äußerung vor den Verfassungsgerichtshof in Koblenz gezogen, dort allerdings gescheitert. Dreyer hatte damals auf einer SPD-Veranstaltung im Trierer Kommunalwahlkampf gesprochen und gesagt, dass "alles daran gesetzt werden (muss), um den Wiedereinzug der rechtsextremen NPD im Stadtrat zu verhindern".
Der Verfassungsgerichthof entschied, Dreyer habe als Bürgerin ihre Meinung äußern dürfen. Um die Nutzung des Internetportals der Landesregierung war es damals nicht gegangen. Im aktuellen Fall sieht die rheinland-pfälzische Staatskanzlei offensichtlich keine Angriffsfläche. Auf SWR-Anfrage teilte eine Regierungssprecherin mit, die Äußerungen Dreyers in ihrer Rede und im Internet zur AfD verstießen nicht gegen das Neutralitätsgebot.