Nachdem der fünfjährige Junge und seine Mutter am Samstagabend geborgen worden waren, aber nicht wiederbelebt werden konnten, rief die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Rheinhessen am Sonntag dazu auf, nicht im Rhein zu schwimmen - zum wiederholten Mal.
"Wir warnen jedes Jahr aufs Neue davor", berichtet Marco Vogt, Pressesprecher des DLRG-Landesverbands Rheinland-Pfalz e.V., dem SWR. "Wenn man das mit einer Autobahn vergleicht, könnte man sagen: Der Rhein ist so stark befahren wie die A3, und die würde man ja auch nicht mit dem Fahrrad überqueren. Es gibt Fahrrinnen für Schiffe, die sieht man von oben nicht einmal."
"Gegen Wasser verliert jeder"
Der Schifffahrtsverkehr ist nicht die einzige Gefahrenquelle für Schwimmer: Durch die Steinaufschüttungen im Fluss entstehen starke Strömungen und Strudel. Die seien so tückisch, dass selbst erfahrene Schwimmer ihre Mühe hätten, gegen sie anzukämpfen, meint Vogt vom DLRG: "Gegen Wasser verliert letztendlich jeder. Die meisten Menschen werden panisch und kämpfen intuitiv gegen die Strömung an." Gerade diese Reaktion sei allerdings kräftezehrend und kontraproduktiv.
Binnenschiffe und Motorboote verursachen auch am oft entfernt scheinendem Ufer Wellen und Strömungen. Die Wasserhöhe kann bei der Vorbeifahrt von Schiffen schnell ab- oder zunehmen. Die unterschiedlichen Wassertiefen erzeugen starke Strömungen, die schwer zu erkennen sind. Das Video des DLRG Dinslaken zeigt anhand einer Puppe, die mit einem 10 kg-schweren Stein beschwert wurde, was dann passieren kann.
Abgesehen von streckenweise unterschiedlichen Ausprägungen sei die Strömung immer da, berichtet Vogt weiter: "Man könnte den Rhein von oben bis unten mit Schildern bepflastern." Die Gebiete, die dem DLRG als beliebte Badestellen bekannt sind, suchen die ehrenamtlichen Rettungsschwimmer auf. Gerade an seichten Stellen wagten sich hier auch Unerfahrene ins Wasser, und besonders an heißen Sommertagen könne man eine Häufung solcher Vorfälle beobachten.
Allgemeines Badeverbot, kein grundsätzliches Badeverbot
Die rechtliche Grundlage für Bade- und Schwimmverbote bilden in Deutschland zwei Gesetzestexte: Die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung und das Bundeswasserstraßengesetz. Hier habe sich der Gesetzgeber jedoch einiges offengehalten, gibt Vogt zu Bedenken. Derzeit gilt auf Bundeswasserstraßen wie dem Rhein zwar ein "allgemeines Badeverbot" mit genauen Vorgaben - grundsätzlich ist es jedoch nicht. So darf etwa im Bereich von 100 m oberhalb bis 100 m unterhalb von Schifffahrtsanlagen, Hafeneinfahrten und Brücken nicht gebadet werden.
Ob die Umsetzung eines umfassenden Verbots überhaupt gelingen würde, ist Vogt zufolge fraglich: "Weder die DLRG noch die Wasserschutzpolizei kann überall gleichzeitig sein." Da der Fluss außerdem dem Bund gehört, müsste aus rechtlicher Sicht dieser ein entsprechendes Verbot aussprechen. Und dessen Umsetzung dann auch sicherstellen.
Bestehende Badeverbote werden häufig ignoriert
Hinzu kommt, dass gerade im Sommer Badeverbote häufig ignoriert werden, wie das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oberrhein vermeldet: "In den Sommermonaten ist zu beobachten, dass gegen bestehende Badeverbote verstoßen wird und auch ungeübte Schwimmer im Rhein sind", heißt es in einer entsprechenden Mitteilung Ende Juni. "Menschen, die am Rhein Erholung suchen und sich im Wasser abkühlen möchten, sollten sich nur in unmittelbarer Nähe des Ufers aufhalten und gut schwimmen können." Eltern rät das Amt dazu, ihre Kinder vor den drohenden Gefahrenquellen zu warnen und immer zu beaufsichtigen.
Sonderfall Basel?
In Basel in der Schweiz ist das Schwimmen im Rhein hingegen nicht unüblich, sondern sogar überaus beliebt: "Wer Basel in den Sommermonaten besucht, der darf sich einen Sprung ins kühle Nass nicht entgehen lassen!", stellt die Stadt auf ihrer Internetpräsenz den Sicherheitsregeln voran. Funktioniert Flussschwimmen in Basel deshalb besser, weil die Menschen entsprechend sensibilisiert sind? Während in Deutschland 2019 mindestens 417 Menschen in Naturgewässern ertrunken sind, waren es in der Schweiz der Ertrinkungsstatistik der Schweizer Lebens-Rettungs-Gesellschaft (SLRG) zufolge 49.
Die Rheinpromenaden in Basel sind im Gegensatz zu denen anderer Städte allerdings weitgehend verkehrsberuhigt. Die SLRG stellt den Schwimmern außerdem eine Karte zur Verfügung, in der der Schwimmbereich deutlich markiert ist. Abgesehen von den Unterschieden der verschiedenen Abschnitte des Rheins, etwa in Bezug auf den Schiffsverkehr und die Strömungsverhältnisse, sei es "denkbar, dass man in bestimmten Gegenden grundsätzlich mehr im Wasser unterwegs ist", mutmaßt Vogt.
Fakt sei aber auch: Die allermeisten Menschen seien heute an das Schwimmen in Naturgewässern nicht mehr gewöhnt und bekämen dies auch nicht beigebracht. Die Schwimmfähigkeit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland habe extrem abgenommen: "Rund 60 Prozent aller Zehnjährigen sind keine sicheren Schwimmer." So auch das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage auf dem Jahr 2017, die die DLRG in Auftrag gegeben hatte. "Das war vor einigen Jahrzehnten, als es auch die Rheinbäder noch gab, sicherlich anders."
Auch Baden in Strandbädern nicht frei von Risiken
Auch in Mainz gab es früher ein sogenanntes Rheinbad: In abgegrenzten Becken badeten die Mainzer direkt im Fluss. Aber nicht etwa, weil die Strömung damals weniger stark war oder das Wasser weniger verschmutzt. "Auch damals war das Schwimmen im Rhein nicht ungefährlich. Es mangelte vor allem an den finanziellen Mitteln, die man heute hat, um Schwimmbäder zur Verfügung zur stellen", gibt Vogt zu Bedenken.
In Oppenheim gibt es noch ein Strandbad. Aber auch hier, betont die DLRG, erfolgt das Schwimmen im Rhein auf eigene Gefahr. Denn der Zutritt ist nicht kostenpflichtig und bezahltes Aufsichtspersonal wie in Freibädern gibt es folglich nicht. Lediglich am Wochenende beaufsichtigen ehrenamtliche Helfer die Badenden. Unter der Woche wird das Strandbad nicht bewacht. Und auch die Stadt Oppenheim selbst will auf der sicheren Seite sein: "Die Stadt Oppenheim rät ausdrücklich vom Baden und Schwimmen im Rhein aufgrund bekannter Gefahren ab", heißt es unter anderem. Man setze auf den gesunden Menschenverstand.