„Siri, fahr mich nach Hamburg“ - wann kommt das wirklich autonome Auto?

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Autor/in
Jonathan Hadem

Während der Autofahrt einen Film schauen oder sogar ein wenig schlafen – das soll möglich sein, wenn die Autos völlig ohne Zutun des Fahrers durch den Verkehr finden. Mit den rechtlichen Fragen befasst sich auch der Verkehrsgerichtstag in Goslar. Wer haftet, wenn das Auto einen Unfall baut, während man unaufmerksam drinsitzt und Zeitung liest? Wie der Stand der Technik ist, darüber hat SWR-Aktuell-Moderator Jonathan Hadem mit Mario Trapp gesprochen. Er ist Diplom-Ingenieur und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Kognitive Systeme IKS.

SWR Aktuell: Gibt es heute schon Autos, bei denen ich mich tatsächlich hinten reinsetzen kann und überhaupt keinen Finger mehr bewegen muss und abschalten kann?

Mario Trapp: Ja, in der Erprobung gibt es diese Fahrzeuge in der Tat -  allerdings nur in einer sehr kontrollierten Umgebung. Und das funktioniert auch in der Tat schon in sehr vielen Situationen sehr gut. Aber es gibt auch einfach zu viele Situationen, wo es eben nicht funktioniert, weswegen man die Fahrzeuge so in der Form heute noch nicht in den freien Straßenverkehr entlassen kann.

SWR Aktuell: Von welchen Situationen sprechen Sie, wo es noch gar nicht funktioniert?

Trapp: Das können zum Beispiel Wetterbedingungen sein. Auch die aktuellen Fahrerassistenzsysteme, die jetzt auf Level 3 gehen, fahren nur, wenn es nicht regnet, wenn ich keine Baustellen habe, und nur in speziellen Streckenbereichen. Sobald die Schnee auf der Straße haben oder Nebel, kann das ein Hindernis sein, aber auch sehr, sehr dichter Verkehr, wo wir uns als Menschen selbst manchmal schwer tun, wo man jetzt eigentlich entlang fahren darf und wo nicht.

SWR Aktuell: Was heißt „Level 3“?

Trapp: Level 3 bedeutet in den Automatisierungsstufen das, was Mercedes mit dem „Drive Pilot“ auf den Markt gebracht hat: Dass das Auto in gewissen Situationen alleine fährt, beispielsweise auf der Autobahn, aber der Fahrer oder die Fahrerin muss nach wie vor auf Kommando wieder die Kontrolle übernehmen. Level 4 wäre dann: Man kann sich tatsächlich hinten reinsetzen. Dann würde das Auto aber trotzdem nur in einem sehr beschränkten Szenario fahren dürfen. Und Level 5 wäre dann das, was man gerne mal als „Robotaxi“ bezeichnet, das tatsächlich überall fahren darf, ohne dass man selbst noch irgendwie ans Steuer müsste. Man kann praktisch auch das Lenkrad weglassen.

SWR Aktuell: Jetzt haben Sie ja schon einige Situationen geschildert, wo solche Fahrzeuge noch Probleme haben. Wir kennen das aber ja eigentlich auch aus unseren eigenen Fahrzeugen, dass eben die Geschwindigkeit gehalten wird oder das Auto automatisch bremst, wenn das vorausfahrende Fahrzeug langsamer wird. Also kann man das abschätzen, wie lange es noch dauert, bis Autos kompliziertere Situationen meistern können?

Trapp: Das ist in der Tat sehr schwer abzuschätzen, weil die meisten Prognosen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, auch sehr stark daneben lagen. Nach den ersten Prognosen sollten wir eigentlich schon  längst in den Genuss der Technologie gekommen sein. Das Problem ist tatsächlich, dass diese vermeintlichen letzten 20 Prozent, die man jetzt noch schließen muss, mehr als 80 Prozent der Herausforderungen darstellen. So ein Auto ist ja wirklich auch als ja sehr gefährlich einzustufen ist, nicht nur für die Insassen, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer. Die kritischen Situation wirklich rauszufiltern, das ist dann wirklich enorm schwer. Da tut sich dann auch die KI einfach schwer, kommt an ihre Grenzen, wo man tatsächlich auch fragen muss, ob es tatsächlich in den Bereich dann reinkommt, dass man das guten Gewissens wirklich komplett im Straßenverkehr freigeben kann. In diesem Jahrzehnt werden wir das meiner Ansicht nach nicht sehen.

SWR Aktuell: Wie bringen sie dem Auto denn bei, sich zum Beispiel irgendwo in der Innenstadt zu bewegen und zu fahren, wo ja tatsächlich auch viel los ist und viele unvorhergesehene Dinge passieren können?

Trapp: Man braucht für das autonome Fahren, und das ist eben einer der wesentlichen Punkte, die Künstliche Intelligenz. Das heißt, wir haben Kamerasysteme, wir haben Laser, zum Teil Radarsysteme, und wir trainieren anhand von Beispielbildern, dass das Auto zunächst mal erkennt: Da sind Personen, da sind andere Fahrzeuge, da ist die Straße, da sind die Verkehrszeichen, da ist die Ampel. Und auf Basis dessen versucht das Fahrzeug dann im nächsten Schritt tatsächlich, irgendwie wie ein Mensch, dann die Verkehrssituation zu bewerten, und überlegt sich dann, was die beste Route sein könnte. Aber genau in der KI liegt letzten Endes der Knackpunkt, denn KI funktioniert gänzlich anders als klassische Software. Und da sind wir heute in der Qualitätssicherung einfach noch nicht so weit, wirklich dann Garantien abzugeben, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit ausreichend gering ist.

SWR Aktuell: Jetzt werden beim Verkehrsgerichtstag heute in Goslar rechtliche Fragen besprochen. Sie kümmern sich natürlich um die Technik. Wer von diesen beiden Seiten muss denn eigentlich vorangehen? Also müssen erst die rechtlichen Fragen geklärt werden, an denen sie sich dann orientieren können- oder andersrum?

Trapp: Man muss es, denke ich, im Gleichschritt tun. Man muss immer im Wechselspiel schauen: Was ist technisch möglich, was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen? Und dann ist das, denke ich, eher ein Geben und Nehmen. Das Wichtige ist tatsächlich auch, zügig gemeinsam voranzugehen. Manchmal gibt es eben auch technische Varianten A und B - und welchen Weg man geht ist dann wiederum eine juristische Weichenstellung, oder auch eine ethische Weichenstellung. Wenn da die Disziplinen eng zusammenarbeiten, kommen wir, denke ich, am zügigsten voran.

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Jonathan Hadem