Erwartungen an von der Leyen: "Müssen als EU weiter eine Rolle spielen"

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Andreas Herrler
Andreas Herrler steht im Gang eines SWR-Gebäudes.

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In Brüssel findet heute die erste Kommissionssitzung statt – und es ist auch die erste für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) seit ihrer Wiederwahl. Und sie hat viel zu tun: Das Europa-Parlament ist durch die Wahlen nach rechts gerückt. EU-kritische, auch EU-feindliche Parteien sind stärker vertreten. Was kommt da auf von der Leyen zu? Darüber hat SWR Aktuell-Moderator Andreas Herrler mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) gesprochen. Sie war bis vor kurzem noch im Bundestag, dort Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Diese Funktion - Vorsitzende des Sicherheits- und Verteidigungsausschusses - hat sie seit gestern auch als Abgeordnete im Europäischen Parlament.

SWR Aktuell: Frau Strack-Zimmermann, auf von der Leyen kommt in dieser Amtszeit viel zu – hat sie die richtigen Antworten darauf?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Das wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen. Denn in der Vergangenheit waren die Antworten sehr unterschiedlich und nicht ausreichend. Aber ich glaube, dass eine große Chance besteht, die EU krisensicher zu machen. Und wir müssen das auch. Es stellt sich nicht die Frage, ob sondern wie wir angesichts der Lage als Europäische Union weiterhin eine Rolle spielen müssen, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch. Und das wird jetzt von der Leyen liefern müssen.

SWR Aktuell: Nehmen wir uns vielleicht mal einige Punkte raus. Eine Herausforderung ist die Wohnungsnot, die von der Leyen mit einem Wohnungsbau-Kommissar bekämpfen will. Die FDP ist dagegen. Warum denn eigentlich, wenn man doch damit die Möglichkeit hätte, den Menschen mal zu zeigen, dass sich Europa auch tatsächlich um etwas Bürgernahes kümmert?

Strack-Zimmermann: Es ist ein Thema, was vor Ort in der Kommune, im Land, im Bund geregelt ist. Und auch wenn es gut gemeint ist: Europa kann und wird sich nicht in alles einmischen. Insofern hat ein Kommissar für Wohnungen letztendlich gar keine Möglichkeiten, zu wirken. Die Europäische Union ist einst gegründet worden, die großen Themen zu flankieren und nicht in die Details zu gehen. Und insofern halte ich das für ein Ansinnen, das erstmal gut klingt, aber keine Wirkung hat. Das muss in Berlin, in den jeweiligen Ländern und vor Ort in den Kommunen gemacht werden.

SWR Aktuell: Dann schauen wir auf die großen Themen. Die Autoindustrie ist sicherlich ein großes Thema. Die EU will das Aus für fossile Verbrenner ab 2035. Von der Leyen hat in ihrem Grundsatzprogramm aber eine Initiative für Ausnahmen angekündigt, es geht um synthetische Kraftstoffe, um E-Fuels. Reicht Ihnen das?

Strack-Zimmermann: Die Diskussion läuft ja auch schon seit längerem. Und die Aufgabe ist, dass wir den CO2-Ausstoß mindern müssen. Dass es dazu eine Deadline gibt, das unterstützen wir ausdrücklich. Die Frage ist: Können wir heute im Jahr 2023 schon sagen, welche Technologie 2035 wirkt? Und insofern haben wir uns als FDP immer dafür ausgesprochen, dass wir offen gegenüber Technologie-Neuheiten sind. Und Frau von der Leyen muss jetzt einen Spagat machen zwischen denen, die den Verbrenner-Stop wollen und denen, die eine gewisse Offenheit wollen. Wir sind sehr gespannt, wie sie versucht, das umzusetzen.

SWR Aktuell: Ursula von der Leyen strebt eine europäische Verteidigungsunion an. Was muss diese denn Ihrer Meinung nach beinhalten?

Strack-Zimmermann: Ich bin da hundert Prozent auf der Linie von Frau von der Leyen. Das heißt, auf lange Sicht wäre eine europäische Armee die richtige Antwort auf die Herausforderungen. Das ist natürlich nicht profan, weil Sicherheit ein nationales Interesse ist und rein rechtlich gibt es auch noch keine Verteidigungsunion. Sich aber auf den Weg zu machen, ist absolut richtig. Und das hat mehrere Aspekte. Das eine ist, gemeinsam in die Beschaffung zu gehen. Also, dass nicht Länder gegeneinander ausgespielt werden, sondern man gemeinsam Material einkauft. Das zweite ist, dass Armeen deutlich mehr kooperieren. Ein sehr gutes Beispiel sind Deutschland und die Niederlande. Wir arbeiten ja so eng zusammen, dass man kaum noch den Unterschied merkt. Runtergebrochen auf die 27 EU-Länder ist das kein Spaziergang, aber in diese Richtung zu gehen, ist richtig. Und das Thema Nuklearwaffen ist für uns eigentlich kein wirkliches Thema. Wir stehen fest unter dem Schutz der Amerikaner, das kann Europa nicht einfach so abschütteln. Das kann uns auch ein europäischer Partner wie Frankreich oder ein Nicht-EU-Mitglied wie England gar nicht gewährleisten. Insofern sollten wir uns auf die konventionelle Verteidigung konzentrieren.

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