Kriminalbiologe Benecke über Fruchtfliegen: Wo kommen sie her, wie werde ich sie wieder los?

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Autor/in
Jonathan Hadem

Manche Küchen sind derzeit lebendiger als die Besitzer sich das wünschen: Es ist Fruchtfliegenzeit. Taufliegen heißen die kleinen Insekten eigentlich. Auf Obst kommen sie in die Wohnung, oder sie riechen Essig, Wein oder eben Obst und werden von draußen angelockt. Und dann kann es schnell gehen: Wenn man Fruchtfliegen hat, dann meistens auch eine ganze Menge – denn ein Weibchen legt bis zu 400 Eier. Ob man sich Sorgen machen muss, wenn die Küche voller Fruchtfliegen ist und wie man die Tiere wieder loswird, darüber hat SWR-Aktuell-Moderator Jonathan Hadem mit dem Kriminalbiologen und Insektenexperten Mark Benecke gesprochen.

SWR Aktuell: Ich habe Fruchtfliegen in der Küche. Bin ich daran schuld, sollte ich in Zukunft mehr auf Hygiene achten?

Mark Benecke: Nein, auf keinen Fall. Schuld ist sowieso keiner. Denn die Taufliegen, wie sie eigentlich biologisch heißen - oder Essigfliegen, Fruchtfliegen, Obstfliegen - sind ein ganz normaler Teil der Natur. Die sind harmlos, die sind schön, die sind auch sauber. Die Tiere putzen sich den ganzen Tag und haben eine harte Oberfläche. Also Schuld ist überhaupt kein Begriff, sondern es ist eher ein anderes Wort mit „SCH“. Schönheit ist es, die Schönheit des Kreislaufs des Lebens. Wenn einen die Eier zum Beispiel stören, die mit dem Obst eingeschleppt wurden, dann kann man die einfach abwaschen - wenn man sie überhaupt sieht. Es gibt, glaube ich, keinen unproblematischeres und harmloseres Lebewesen auf der Erde als die Taufliege.

SWR Aktuell: Das heißt, alles, was die tun, ist letzten Endes eigentlich relativ problemlos?

Mark Benecke: Ja, wirklich! Die können sich ja nur von faulem Obst oder vom Essiggeruch, Weingeruch, oder sowas angezogen fühlen. Da können die sich ja nur entwickeln, wenn sie eine entsprechende Nahrungsgrundlage haben. Und so eine typische Küche im deutschsprachigen Raum, da sind ja die Oberflächen trocken, glatt, hart und sauber. Da können die sich sowieso nicht groß vermehren. Und wenn ich einen matschigen Apfel oder eine matschige Banane habe, dann werden heutzutage die meisten Menschen die eh weglegen oder in den Biomüll tun. Da können die Taufliegen ja machen, was sie wollen. Denn in den Biomüll gehören sie ja hin. Die sollen ja wieder die ganze Energie freisetzen aus den Substanzen, die wir Menschen nicht mehr mögen. Also sind die sogar supernützlich.

SWR Aktuell: Wenn ich eine Nektarine habe, die an einer Stelle so ein paar Fruchtfliegen drinsitzen hat - reicht es, wenn ich die herausschneide, kann ich die vielleicht sogar mitessen? Oder muss ich eigentlich die ganze Nektarine wegschmeißen?

Mark Benecke: Das ist anders als bei Schimmel. Bei Schimmel ist es wirklich so, dass wenn zum Beispiel in einer Tomate oder in irgendetwas anderes sehr Wässrigem Schimmel drin ist, dann ist es tatsächlich besser, das Ganze auf den Biomüll oder auf dem Kompost zu tun oder ins Gebüsch zu schmeißen, wo es dann wieder in den Kreislauf des Lebens zurückkommt. Aber bei den Taufliegen ist das total egal. Wenn da wirklich mal ein oder zwei Larven rumkriechen, könnte man die abwaschen. Man kann es rausschneiden - aber die sind ja überhaupt nicht irgendwie gefährlich. Von den Inhaltsstoffen her, vom Lebenszyklus her, von einer möglichen Ansteckung her und so weiter sind die total harmlos. Sie können nichts vergiften, sie können nichts anstecken. Die können im normalen Haushalt auch nichts nennenswert zerstören, außer jetzt vielleicht die eine Ecke von der Nektarine. Das wird man wohl verkraften. Also: Kein Problem. Ich würde sie persönlich auch nicht mitessen, weil ich die Larven mag. Ich würde die dann lieber raussetzen, damit sie sich weiterentwickeln können. Aber andere Leute würden sie vielleicht abwaschen. Also: Es ist nicht wie bei Schimmel, wo dieser Rat richtig ist, dass man dann das lieber wegwerfen sollte.

SWR Aktuell: Jetzt legt so ein Fruchtfliegenweibchen bis zu 400 Eier. Wo legen die die Eier denn hin? Kann man die sehen?

Mark Benecke: Ich habe die noch nie im Haushalt gesehen. Früher gab es doch so Obstschalen, die standen immer auf den Tisch, mit einer Banane, einem Apfel, einer Nektarine oder einer Mandarine und so weiter. Da rein legen die die Eier in irgendwelche Ecken, und weil die Eier sehr schnell austrocknen, schlüpfen aus den 400 Eiern keine 400 Larven. Aus einem Ei schlüpft ja eine Larve, und die meisten davon vertrocknen sowieso schon, oder irgendetwas anderes geht bei der Entwicklung schief. In normalen Haushalt passiert da einfach überhaupt nichts. Und deswegen könnte man, wenn man ja jetzt Angst vor hätte, das Obst einmal am Tag abwaschen oder so. Aber ich glaube, ehrlich gesagt, dann wird es noch schneller faul, weil über das Wasser, was dann am Obst bleibt, oder beim Abtrocknen mit dem schmutzigen Handtuch Bakterien drankommen. Das erzeugt wahrscheinlich viel mehr Schaden als jede Taufliege jemals anrichten könnte. So gesehen braucht man sich ja eigentlich gar nicht drum zu kümmern, und soll einfach recht selbstbewusst sein Obst essen.

SWR Aktuell: Jetzt haben Sie schon ein paarmal den „Kreislauf des Lebens“ angesprochen. Der beinhaltet ja normalerweise auch, dass man eine bestimmte Aufgabe innerhalb dieses Kreislaufs erfüllt. Welche Aufgabe haben denn die Essigfliegen?

Mark Benecke: Ganz viele! Die sind natürlich Nahrungsquelle für andere. Der Kreislauf des Lebens ist ja eigentlich ein Energiekreislauf, also Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, irgendetwas, was wir zum Leben brauchen, wird überall weitergegeben. Wenn wir Menschen sterben, dann löst sich der Körper ja auch wieder auf. Dann wird es auch wieder weitergegeben, auch Bestandteile der Knochen, Kalzium und Phosphat - alles Mögliche, Eisen aus dem Blut und so, und das ist halt ein ewiges Hin und Her. Und wenn man es auf eine einzige Sache runterbrechen würde, ist es halt das. Die sind einfach ein kleiner Knotenpunkt in diesem riesigen, milliardenfach verzweigten Netz, wo einfach mal so etwas Schönes aus der Energie entsteht, nämlich ein Lebewesen. Die sehen auch sehr schön aus, die Taufliegen – wirklich! Man kann die sich auch angucken und denen mal zuschauen. Die sind auch untereinander aneinander interessiert, die Taufliegen, die gucken sich auch selbst untereinander zu, was sie so treiben - und mehr ist es gar nicht. Wenn man es vielleicht ganz poetisch sagen möchte: Da entsteht aus Energie entsteht dann mal Leben, und das kann man dann kurz betrachten - mehr ist es eigentlich gar nicht. Wenn man das jetzt sehr, sehr, sehr biologisch betrachten will: Könnte man nicht immer fragen, welches Lebewesen mit welchem in Verbindung steht? Aber ich glaube, das führt für diese Sendung zu weit. Auf jeden Fall gibt es keine Lebewesen, die nicht irgendwie genau an die Stelle gehören, an die Jahrmillionen von Evolution sie hingesetzt haben.

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Jonathan Hadem