Kritik an der Asyldebatte

FDP-Chef Lindner: "Kann Naivität kaum mehr ertragen"

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Autor/in
Lissy Kaufmann

Im ARD Interview der Woche zeigt sich Christian Lindner offen für Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. Die Haltung der Grünen dazu nennt er "nicht hilfreich", der CDU wirft er Taktik vor. Außerdem verrät er, wie er sich in den Ferien mit dem Haushalt befasst hat – nicht nur als Finanzminister.

Der Haushalt hat den Finanzminister in der Sommerpause beschäftigt, nicht nur beruflich: "Ich hatte zuhause mal Zeit für den Haushalt, im engeren Sinne", verrät Christian Lindner im ARD Interview der Woche. Soll heißen: Für den Garten und für alltägliche Dinge wie Einkaufen und Kochen. Was er besonders gerne kocht: italienisch. "Man sagt mir eine recht gute Bolognese nach", sagt Lindner, der im Sommer mit seiner Frau auch eine Woche in Italien Urlaub gemacht hat.

Dabei war dafür eigentlich wenig Zeit. Ein anderer Haushalt hielt den Finanzminister beruflich auf Trab: der Bundeshaushalt. Die Koalition musste nacharbeiten, versuchen, die Finanzierungslücke zumindest etwas kleiner werden zu lassen. Derzeit klafft sie bei zwölf Milliarden Euro.

Entspannung beim Thema Haushalt

Durch die Haushaltsberatungen im Bundestag, so hofft Lindner, könnte sie in den kommenden Wochen noch kleiner werden. Denn ab kommender Woche sind die Abgeordneten am Zug. Am Dienstag wird der Finanzminister den Entwurf dafür im Bundestag vorstellen, dann folgt die erste Lesung.

Lindner klingt beim Thema Haushalt entspannt. Bei einem anderen Thema scheint seine politische Gefasstheit aber an ihre Grenzen zu gelangen: beim Thema Asyl und Migrationspolitik. "Die Leute haben die Schnauze voll davon, dass dieser Staat möglicherweise die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Asyl nach Deutschland", sagte Lindner Anfang der Woche, auch als Reaktion auf die verheerenden Ergebnisse seiner Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen.

Lissy Kaufmann, ARD Hauptstadtkorrespondentin und Christian Lindner, Bundesminister für Finanzen
Lissy Kaufmann, ARD Hauptstadtkorrespondentin und Christian Lindner, Bundesminister für Finanzen

Ein wütender Minister

Hier klingt Lindner wütend. "Ich bin es auch", bestätigt er jetzt im ARD Interview der Woche. "Ich kann die Bedenken, die geäußert werden, und auch teilweise die Naivität kaum mehr ertragen." Das Land müsse sein Recht beanspruchen, zu entscheiden, wer nach Deutschland kommt, wer hierbleiben darf und wer nicht.

"Für mich ist das eine Frage der Liberalität. Unsere Gesellschaft ist vielfältig, wir brauchen Einwanderung. Aber wir müssen entscheiden können. Diese Kontrolle ist zu lange verloren gegangen, mühsam erarbeiten wir sie uns zurück und mir können Ambitionen und Tempo nicht hoch genug sein."

Kritik an den Grünen: Keine Denkverbote

Denkverbote dürfe es keine geben, so der Minister. Für Zurückweisungen an den deutschen Grenzen zeigte er sich offen und kritisierte die Haltung der Grünen. "Ich bedauere, dass sich die Grünen jetzt schon öffentlich, obwohl es laufende Gespräche gibt, gegen die Zurückweisung an den deutschen Grenzen ausgesprochen haben. Das ist nicht hilfreich für die Gespräche, die die Regierung mit Ländern und der CDU-Opposition führt." Die Grünen hatten Bedenken geäußert, ob eine Zurückweisung rechtlich möglich wäre.

Lindner kritisiert auch die CDU-Haltung in der Debatte und wirft der Partei vor, taktisch bei dem Thema Migration vorzugehen. CDU-Chef Friedrich Merz fordert von der Bundesregierung bis Dienstag eine verbindliche Zusage: Künftig soll es an den deutschen Grenzen Zurückweisungen von Geflüchteten geben, für deren Asylverfahren die Bundesrepublik gar nicht zuständig ist. Nur dann will Merz die Gespräche über Migrationspolitik mit der Ampel fortsetzen. "Ich verstehe die Ungeduld von Friedrich Merz und teile sie", sagt Lindner. "Es muss noch mehr passieren. Aber wir alle müssen Demut zeigen. Es sind auch CDU-Landesregierungen, in denen es Vollzugsdefizite gibt."

Lindner: "Mehr Dänemark wagen"

Lindner warnt davor, dass alle Parteien gemeinsam verlieren könnten. "Wenn wir als staatstragende Parteien, die in Bund und Ländern in der Verantwortung stehen, keine Lösung anbieten, dann macht das nur BSW und AfD stark. Wenn die Demokratie hier nicht liefert, dann wird sich eine wachsende Zahl von Menschen die Systemfrage stellen."

Er verweist auf Dänemark, ein Land mit einer sozialliberalen Regierung, wo es gelungen sei, die Rechtspopulisten in die Schranken zu weisen – mit Konsequenz und Kontrolle bei der Einwanderung, so der FDP-Chef. "Wir sollten in diesem Sinne mehr Dänemark wagen."

FDP auch nach der Wahl 2025 "selbstverständlich" wieder im Bundestag

Trotz tiefer politischer Unterschiede beim Haushalt und beim Thema Migration innerhalb der Ampelregierung: Christian Lindner will mit seiner FDP weitermachen. Auch, wenn eine Basisinitiative seiner Partei jetzt den Austritt fordert – alternativ den Rücktritt von ihm als Parteivorsitzenden. Als Nachfolger benennen sie den derzeitigen Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

Lindner gibt sich gelassen. "Ich kenne meine Partei sehr gut und weiß, dass meine Parteifreundinnen und Parteifreunde Aufs und Abs kennen und deshalb starke Nerven haben." Man messe die Regierungsbeteiligung der FDP daran, ob in der verbleibenden Wahlperiode noch Gutes bewirkt werden könne.

Ein klares Bekenntnis zum Verbleib in der Ampel. Und danach? "Selbstverständlich" sei die FDP nach der Wahl 2025 wieder Teil des Bundestages. "Und wir kämpfen, dass wir auch weiter die Regierungspolitik in Deutschland mitbestimmen."

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Lissy Kaufmann