Nach der Reichsbürger-Razzia

AfD-Chefin Weidel zweifelt an Unabhängigkeit der Justiz

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Martin Schmidt

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Die Partei- und Fraktionschefin der AfD, Alice Weidel, sieht die Gerichte in Deutschland nicht als vollständig politisch unabhängig an. Fest macht sie dies vor allem an der Beobachtung ihrer Partei durch den Verfassungsschutz. "Ich bin sehr positiv gestimmt, dass wir das noch abwenden können, wenn wir noch unabhängige Gerichte haben und die haben wir - hoffentlich", erklärt sie im Interview der Woche. Auf Nachfrage, ob die Gerichte in Deutschland denn nun unabhängig sind oder nicht, antwortet Weidel: "Es kommt drauf an, bei welchem Gericht sie landen. Richter werden ja auch befördert oder eben nicht." Der Verfassungsschutz hat die AfD bereits als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft und kann sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Ihre Klage dagegen hat die Partei vor dem Verwaltungsgericht Köln verloren und daraufhin Berufung eingelegt. AfD-Chefin Weidel rechnet mit einer Verhandlung darüber in der zweiten Jahreshälfte 2023. Sollte die AfD tatsächlich am Ende vom Verfassungsschutz als rechtsextremes Beobachtungsobjekt eingestuft werden, wäre das ihrer Meinung nach "der Treppenwitz der Geschichte".

Reichsbürger-Razzia: "Mit Kanonen auf Spatzen"

Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz äußert Weidel auch bezüglich der groß angelegten Razzia gegen sogenannte Reichsbürger. Zwar sollte man "einzelne Bürger, die Gewaltphantasien austauschen" ernst nehmen, jedoch stelle sich die Frage, ob einer der größten Einsätze in der Geschichte der Bundesrepublik nicht "völlig überzogen" gewesen sei. Anfangs hatte die AfD-Parteispitze den Sicherheitsbehörden in einer Pressemitteilung noch ihr vollstes Vertrauen ausgesprochen. Eine Woche später formuliert Weidel das zurückhaltender: "Wenn man jetzt sieben Tage später sieht, was da für Beweise erbracht wurden, dann ist die Lage dünn", so Weidel. Da "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen", sei hoch problematisch. Nach Medienberichten haben die Ermittler bei ihrer Razzia insgesamt 93 Waffen beschlagnahmt, dazu Satellitentelefone, Goldbarren und mehrere hunderttausend Euro Bargeld. Außerdem seien rund 130 Verschwiegenheitserklärungen entdeckt worden. In den Erklärungen werden den Unterzeichnern erhebliche Sanktionen bis hin zum Tod angedroht, sollten sie die Pläne der mutmaßlichen Terrorgruppe öffentlich machen.

Alice Weidel und SWR- Korrespondent Martin Schmidt stehen nebeneinander in der Halle des ARD-Hauptstadtstudios und schauen in die Kamera.
SWR-Korrespondent Martin Schmidt und Alice Weidel im ARD-Hauptstadtstudio

"Generalbundesanwalt ist nicht politisch unabhängig"

Auch die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft, die auf Grundlage von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs 22 mutmaßliche Mitglieder sowie drei mutmaßliche Unterstützer der Gruppe hat festnehmen lassen, zweifelt AfD-Chefin Weidel an: "Der Generalbundesanwalt ist nicht politisch unabhängig. Der untersteht dem Justizminister Buschmann. Auch die Staatsanwaltschaft in Deutschland ist dem Innenministerium unterstellt - das heißt natürlich, dass wir hier mit Generalbundesanwalt und den Staatsanwaltschaften keine unabhängigen Institutionen haben. Sie sind unterstellt und wir wissen, dass die Minister aus den Parteien stammen." Auf die Nachfrage, ob ihrer Meinung nach wenigstens die Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof politisch unabhängig entschieden haben, antwortete sie im "Interview der Woche": "Das werden wir sehen, was die Gerichtsurteile nachher bringen."

AfD-Bundestagschatgruppe hat eigenen "Tatortreiniger"

Erst vor einem halben Jahr haben Journalisten eine Chatgruppe der AfD-Bundestagsfraktion öffentlich gemacht, in der auch Umsturzphantasien formuliert worden sind. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios gibt es diesen Abgeordneten-Chat unter dem Namen "Quasselgruppe" mit 67 Mitgliedern auch weiterhin - allerdings mit einer neuen Sicherheitsvorkehrung. Den Abgeordneten Stefan Keuter hat man zum Administrator ernannt - intern wird seine Rolle als "Tatortreiniger" bezeichnet. AfD-Fraktionschefin Weidel findet diesen Namen "sehr lustig", sie sei selbst nicht in solchen Chatgruppen, müsse sich das erst einmal ansehen. "Ich will die Chatgruppen anderer Parteien nicht sehen", antwortet Weidel auch angesprochen auf weitere Umsturzphantasien aus einem Chat bayerischer AfD-Mitglieder. Sie gehe selbstverständlich davon aus, dass bei anderen Parteien Ähnliches geschrieben werde. Das Interview der Woche mit AfD Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel finden Sie in voller Länge auf swr.de

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Martin Schmidt