Ärztin zu Long Covid: Mehr Geld für Forschung und Therapie nötig

Stand
Autor/in
Andreas Böhnisch
Onlinefassung
Stefan Eich

Menschen zu helfen, die nach einer Corona-Infektion an Long Covid leiden – das will Bundesgesundheitsminister Lauterbach erreichen. Im Juli hat er dazu ein Programm gestartet. Wie das vorankommt und was verbessert werden muss, darüber wird heute bei einem „Runden Tisch“ im Bundesgesundheitsministerium gesprochen. Astrid Weber, Internistin und Leiterin der Long-Covid-Ambulanz in Koblenz, erklärt im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch, was Politik und Krankenkassen am dringendsten machen sollten.

SWR Aktuell: Bekommen Long-Covid-Patienten aus Ihrer Sicht inzwischen ausreichend Hilfe?

Astrid Weber: Nein, leider noch nicht. Das Problem ist zwar von der Politik erkannt worden, und wir hatten ja in Rheinland-Pfalz auch schon im Frühjahr einen Runden Tisch. Wir hatten dann auch später schon den zweiten Runden Tisch, und Rheinland-Pfalz hat ja jetzt auch die Ankerzentren ausgerufen. Aber das läuft halt erst langsam an, und die Versorgungsstruktur ist definitiv im Moment noch viel zu wenig.

SWR Aktuell: Wir haben immer wieder darüber berichtet, dass Sie in der Long-Covid-Ambulanz in Koblenz von Patienten ja förmlich überrannt werden und die Wartezeiten oft mehrere Wochen oder Monate betragen. Hat sich die Lage inzwischen etwas gebessert, etwas entspannt?

Weber: Nein, leider nicht. Die Lage hat sich sogar im Grunde dramatisch zugespitzt. Herr Lauterbach hat so eine Bundesinitiative gestartet, und es war ja auch hier in Koblenz plakatiert, dass die Bevölkerung noch einmal aufmerksam gemacht wurde, was denn Long Covid ist. Als das plakatiert wurde, haben an jedem Tag 13 Leute angerufen. Unsere Wartezeit ist jetzt auf über ein Jahr angestiegen.

SWR Aktuell: Über ein Jahr müssen Menschen mit Long-Covid-Syndrom also warten, bis Sie überhaupt bei Ihnen einen Termin bekommen und ihre Sorgen und Nöte schildern können?

Weber: Derzeit ja, ich hoffe auf Entlastung, weil ja noch vier weitere Zentren jetzt in Rheinland-Pfalz starten. Ich könnte dann jedem von denen direkt mal so einen Packen Anmeldungen geben. Ich freue mich, dass ich jetzt Unterstützung bekomme

SWR Aktuell: Angesichts dieser langen Wartezeit, was ja nur ein Problem unter vielen ist, nehme ich mal an: Welche konkrete Unterstützung wünschen Sie sich denn von der Politik für ihre Long-Covid-Ambulanz?

Weber: Zum einen, wie gesagt, das mit der Versorgungsstruktur. Zum zweiten, dass die Patienten auch nicht mehr so stigmatisiert werden. Ich glaube, da ist die Politik schon auf einem ganz guten Weg. Was jetzt auch angesprochen wurde, das den Patienten unter die Arme gegriffen wird bei den „Off-Label-Therapieansätzen. Das sind Medikamente, die es eigentlich schon lange gibt, die aber für diese Indikation nicht zugelassen sind. Wir wollen, dass wird das zulasten der Krankenkasse verordnen dürfen. Und wichtig ist auch, das Bewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen: Das es eine Erkrankung ist, die einfach lange Zeit braucht, dass die Menschen einfach nicht nach kurzer Zeit wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren können.

SWR Aktuell: Gibt es da genügend Verständnis auf der Seite der Arbeitgeber?

Weber: Bei den Arbeitgebern schon, glaube ich. Wo es Probleme gibt, ist bei den Krankenkassen. Ich verstehe es ja, dass die dann schon gerne möchten, dass die Patienten nicht so lange im Krankengeldbezug sind. Dann müssten die Patienten in Reha gehen. Da hat sich Gottseidank etwas geändert. Im ersten Jahr war die Reha mit Long-Covid-Patienten eher überfordert, da stellen sich jetzt langsam die Konzepte um. Die müssen passgenau für den Post-Covid-Patienten sein, ansonsten würden wir den Patienten damit nicht helfen. Aber im Juli ist das von der Rentenversicherung etwas umgestellt worden.

SWR Aktuell: Schauen wir noch mal auf das Long-Covid-Programm des Bundesgesundheitsministeriums, weil ja dort heute der Runde Tisch stattfindet. Das umfasst bislang eine Webseite mit Hilfsangeboten, Informationen zum aktuellen Forschungsstand sowie Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Long Covid. Außerdem wurde ein Bürgertelefon, eine neue Servicenummer für Betroffene eingerichtet. Ich vermute mal, das reicht nicht aus...

Weber: Ich gebe ich Ihnen Recht. Ich glaube, mit der Hotline werden wir nicht weit kommen. Am Ende ist muss es ja auch eine individuelle persönliche Betreuung sein. Was wir brauchen, sind zum einen Forschungsgelder. Und wir brauchen wirklich konkret Geld für die Versorgung der Patienten, weil die Versorgung im Moment über unser derzeitiges Krankenkassensystem nicht abgedeckt ist. So einen Patienten, das können Sie sich vorstellen, den habe ich nicht in 10 Minuten behandelt, wenn der so ein Leidensweg hat. Und da gibt es noch keine Vergütungsstruktur für die Ärzte, um die Patienten adäquat zu betreuen.

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