Zum Tag der Arbeit

Nach Corona: So hat sich Homeoffice in BW und RLP etabliert

Stand
Autor/in
Torsten Hansel-Engelhart
Bianca Brien
SWR-Redakteur Bianca Brien

Während der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Homeoffice eingeführt. Hat sich diese Form des Arbeitens mittlerweile durchgesetzt?

Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen dazu gebracht, stärker über Homeoffice und mobiles Arbeiten nachzudenken. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, haben viele Menschen auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Möglichkeit bekommen, von zu Hause aus zu arbeiten. Wie sieht es aber nun, einige Jahre später, aus? Gehört Homeoffice im Südwesten zu einem festen Bestandteil des Arbeitsalltags?

Homeoffice: Von der Euphorie zum Alltag

Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsalltag der Menschen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz maßgeblich verändert. Auf einmal saßen viele Menschen im Homeoffice, die vorher auch nur keine Sekunde daran gedacht hatten, dass sie ihre Arbeit auch von zu Hause aus erledigen können. Corona sei der Katalysator für das Homeoffice gewesen, sagt Milena Bockstahler vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart. In vielen Unternehmen sei das Homeoffice mittlerweile fest etabliert und kaum aus dem Arbeitsalltag wegzudenken.

Allerdings arbeiten bei Weitem nicht mehr so viele Menschen regelmäßig im Homeoffice wie während der Pandemie. Dies sei abhängig von der Branche und dem Betrieb. "Es gibt mittelständische Unternehmen, da arbeiten noch 20 Prozent im Homeoffice. Über die breite Masse kann man sagen, dass der Homeoffice-Anteil zwischen 40 und 50 Prozent liegt", so Bockstahler.

Ein wesentlicher Faktor für die Wahl des Arbeitsplatzes ist laut den Angaben der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, wie sich Büroflächen für bestimmte Tätigkeiten eignen. So gaben die "Büroarbeiter" bei den Studien an, dass ihre Produktivität aber auch Kreativität und Innovationskraft höher und besser seien als zu Hause, weil sie geeignete Räume dafür hätten. Dazu gehören zum Beispiel größere Büroflächen oder Workshop-Räume. Ein wesentlicher Faktor sei demnach auch, dass man sich vor Ort mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen und Bereichen treffen und austauschen könne.

Zu Beginn der Corona-Pandemie wussten viele nicht, was ihre Rechte im Homeoffice sind. Landesschau Rheinland-Pfalz hat die Rechte und Pflichten im März 2020 zusammengefasst:

Mittlerweile gibt es eine "Homeoffice-Müdigkeit"

Das Fraunhofer-Institut hat seit der Corona-Pandemie mehrere Studien zum Homeoffice durchgeführt, alle im Rahmen des "Innovationsnetzwerkes Office 21". Laut diesen Studien fühlte sich ein Großteil der Menschen zu Beginn der Pandemie im Homeoffice produktiver. Es wurde auch mehr gearbeitet, weniger auf Pausen geachtet. Mittlerweile sei die Begeisterung fürs Arbeiten von zu Hause aber zurückgegangen und es habe sich eine gewisse "Homeoffice-Müdigkeit" breitgemacht, sagt Bockstahler vom Fraunhofer-Institut. Es gebe nun zwei Lager: die, die lieber im Büro arbeiten und die, die lieber von zu Hause ihre Arbeit erledigen.

Die Zusammenarbeit im Team funktioniere auch virtuell ganz gut. "Was so ein bisschen auf der Strecke bleibt, sind die bereichsübergreifenden Treffen und Austausche. Und das passiert tatsächlich im Büro besser," so Bockstahler.

Homeoffice: Das sagen Unternehmen aus BW und RLP

Ein Blick auf größere Unternehmen im Südwesten zeigt, dass auch hier das Homeoffice immer noch Teil des Arbeitsalltags ist. Bei BASF mit Sitz in Ludwigshafen gibt es laut einer Unternehmenssprecherin keine "konzernweite Vorgabe, wie viele Tage Mitarbeitende mobil oder vor Ort arbeiten". Dabei richten sich alle Teams nach einem globalen Leitbild und haben individuelle Lösungen für sich erarbeitet. Tatsächlich bietet BASF schon seit 2012 die Möglichkeit an, flexibel und mobil zu arbeiten.

"Klar ist für uns aber auch: Wir können und wollen kein Remote-Unternehmen werden. Die Verbundenheit der Menschen, der direkte Kontakt und das Netzwerken untereinander vor Ort schätzen wir und es bleibt wichtig für Teamgeist, Kreativität und Innovation", so die Sprecherin von BASF. Am Standort Ludwigshafen arbeitet der Großteil der Mitarbeitenden vor Ort, da Versuche im Labor oder Reparaturen an Anlagen nicht virtuell durchgeführt werden können.

Ähnlich läuft es auch beim Technologiekonzern Bosch ab. Laut einer Unternehmenssprecherin legen Teams individuell ihr "ideales Zusammenarbeitsmodell" fest, welches "im Einklang mit den jeweiligen Aufgaben und betrieblichen Anforderungen" stehen muss. Bosch hält das "Miteinander vor Ort" für einen wichtigen "Schlüssel für Performance und Kreativität". Eine Anwesenheit im Büro von mindestens 50 Prozent wird daher als ideal eingestuft.

IG Metall BW: Homeoffice schon vor Corona möglich

Die Vorteile von Homeoffice sieht auch Julia Wahl, Sprecherin der IG Metall Baden-Württemberg. "Mobiles Arbeiten ermöglicht eine bessere Work-Life-Balance, da Pendelzeiten reduziert werden und die Beschäftigten mehr Zeit für sich selbst oder ihre Familien haben", sagt sie. Die IG Metall BW hat laut Wahl bereits 2018 einen Tarifvertrag zum mobilen Arbeiten abgeschlossen. Darin wurden die Bedingungen für das Arbeiten von unterwegs oder zu Hause beschrieben. Diesen Vertrag hat auch der Arbeitgeberverband Südwestmetall abgeschlossen.

Eine weitere Neuerung in der Metall- und Elektroindustrie wurde mit dem T-ZUG 2019 eingeführt. "Beschäftigte, die in Schicht arbeiten, Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, können dadurch zusätzliche acht Tage im Jahr freinehmen", erklärt Wahl. Im Jahr 2022 haben mehr als 400.000 Beschäftigte diese Option genutzt und sich für freie Tage statt für Geld entschieden.

DGB RLP: Viele Jobs fordern Präsenz

Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Rheinland-Pfalz mitteilte, hat sich Homeoffice weitestgehend in vielen Betrieben durchgesetzt. Betriebsvereinbarungen zum Homeoffice und mobilen Arbeiten werden teilweise noch erstellt, evaluiert und angepasst. Das Konzept werde von vielen Arbeitnehmenden "gerne in Anspruch genommen", so Alexander Graßhoff, Sprecher des DGB Rheinland-Pfalz.

Vorteile sieht Graßhoff auch "in der Einsparung von Fahrtzeiten und in der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf". Als Nachteile sieht der DGB die Entgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben, die ständige Erreichbarkeit und der fehlende kollegiale Austausch. Allerdings macht er auch darauf aufmerksam, dass nicht viele der Gewerkschaftsmitglieder wirklich im Homeoffice arbeiten können. "Der Krankenpfleger bei ver.di, die Streifenpolizistin bei der GdP (Anmerkung der Redaktion: Gewerkschaft der Polizei) der Elektroinstallateur bei der IG Metall - all diese wichtigen Berufe werden vor Ort benötigt", so Graßhoff. Wer Homeoffice in Anspruch nehmen kann, würde dies in der Regel etwa zwei- bis dreimal pro Woche machen.

Auf die Frage nach der Produktivität im Homeoffice gab der DGB-Sprecher an, dass die meisten Unternehmen keinen Unterschied bemerken würden. Dabei verwies er auf eine Studie des ifo-Instituts.

Südwestmetall: "Die passgenaue Mischung macht's"

Studien zur Produktivität im Homeoffice würden oftmals zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, so ein Sprecher des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. Die Einschätzung des Verbands geht von einer ausgewogenen Produktivität aus: Einige Stunden oder tageweise zu Hause arbeiten könne Menschen produktiver machen. Doch je mehr Tage man allein zu Hause verbringe, desto mehr würde der Austausch fehlen und auch die Produktivität würde abnehmen. "Wo allerdings das Optimum und der Kipppunkt liegen, hängt jeweils ganz konkret von der einzelnen Tätigkeit ab. Wie so oft gilt meist: Die passgenaue Mischung macht's", so das Fazit des Sprechers.

Geht es nach Corona wieder zurück ins Büro? Darüber diskutiert SWR2-Moderatorin Doris Maull mit Fachleuten aus der Arbeitswelt:

Forum Marsch, zurück ins Büro! Wird Homeoffice zum Auslaufmodell?

Doris Maull diskutiert mit
Dr. Andrea Hammermann, Expertin für Arbeitsbedingungen und Personalpolitik, IW Köln
Wolf Lotter, Autor und Essayist
Prof. Dr. Florian Kunze, Leiter „Future of Work Lab", Uni Konstanz

SWR2 Forum SWR2

Südwestmetall lehnt Gesetz zur Homeoffice-Regelung ab

Allerdings betonte der Verband, dass ein Gesetz, das "einen einseitigen Anspruch der Beschäftigten auf mobile Arbeit festschreibt", abgelehnt werde. Daraus würde automatisch eine Zweiklassengesellschaft innerhalb des Unternehmens entstehen: zwischen Homeoffice-Berechtigten und -Nichtberechtigten. Es gebe einen erheblichen Anteil an Beschäftigten, die unter keinen Umständen im Homeoffice arbeiten können, so der Sprecher weiter.

Daher sei es dem Verband wichtig, dass die Option auf mobiles Arbeiten bestehe und die Betriebe entscheiden, ob und in welchem Umfang es möglich sei. Ein Gesetz könne dies nur pauschalisieren und nicht den Einzelfall betrachten.

Homeoffice ist kein Ersatz für Kinderbetreuung

Die Südwestmetall habe beobachtet, dass die Pandemie ein Auslöser für mehr Homeoffice war - auch in Betrieben, die zuvor Vorbehalte hatten. Viele Unternehmen haben in einzelnen Bereichen das mobile Arbeiten aber wieder deutlich zurückgefahren. Doch ganz zum Vor-Corona-Niveau sei der Großteil der Betriebe nicht mehr zurückgekehrt. "Mittlerweile sind ja auch Systeme und Programme, die die ortsübergreifende Zusammenarbeit und den Online-Austausch ermöglichen, in nahezu jedem Unternehmen fest etabliert", so der Sprecher.

Bei den Vorteilen schließt sich der Verband ähnlichen Ansichten an, die auch andere vertreten: Zeit und Kosten würden gespart und die Work-Life-Balance könne davon profitieren, vor allem wenn sich die Arbeitszeit flexibel über den Tag verteilen lässt. Nachteile sehe die Südwestmetall auch beim Wegfall der sozialen Kontakte im Arbeitsumfeld und beim fehlenden Austausch in kreativen Prozessen. Die Pandemie habe gezeigt, dass Homeoffice kein Ersatz für eine fehlende Kinderbetreuung sei. Konzentriertes Arbeiten funktioniere nicht, wenn Kleinkinder um einen herum spielen. Homeoffice würde sich eher eignen, um das Kind mal kurz aus der Kita abzuholen.

Hinzukomme auch, dass nicht jede und jeder gut im Homeoffice arbeite. Daher müssten beide Seiten - Arbeitgeber und Arbeitnehmer - klären, in welchem Umfang mobiles Arbeiten möglich sei. Eine generelle Aussage zur Produktivität konnte der Sprecher der Südwestmetall nicht geben. Einige Tätigkeiten ließen sich sicher mit Ruhe und ohne Ablenkung besser von zu Hause aus erledigen. Andere wiederum würden die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen erfordern.

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