Zwei Jahre nach Kriegsausbruch

Jahrestag Krieg gegen die Ukraine: Frust bei Geflüchteten und Ehrenamtlichen in BW

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Natalie Meyer
Natalie Meyer ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".
Daniel Jacob
Daniel Jacob ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".

Für Zehntausende Menschen aus der Ukraine ist der Alltag in BW zur Realität geworden - mit all seinen Problemen. Auch bei vielen Helfern macht sich Ernüchterung breit.

Vor zwei Jahren begann der russische Angriffsskrieg gegen die Ukraine. Für Flüchtlingen und Helfende hat sich seitdem einiges geändert, wie zwei Beispiele aus dem Land zeigen.

Fast jeden Tag weben ukrainische Frauen in Karlsruhe Tarnnetze für die Front. Hanna Perlovska ist seit knapp zwei Jahren in Deutschland. Die Psychologin aus Kiew ist noch immer ohne Arbeit und lebt von Bürgergeld. Wie ihr fällt es auch vielen anderen, die täglich in den "Ukrainer in Karlsruhe. Deutsch-Ukrainischer Verein e. V." kommen, schwer, in Deutschland anzukommen. Sie selbst habe nie den Plan gehabt, in Deutschland zu leben, sagt die 44-Jährige. Sie habe immer wieder die Hoffnung gehabt, der Krieg würde enden, die Ukraine würde gewinnen und sie könne dann zurückgehen.

Ich hatte keine Motivation, die Sprache zu lernen, weil ich ohnehin dachte, dass alles nur vorübergehend sein würde. 

Jobcenter bietet Psychologin Stelle als Putzfrau an

Mittlerweile spricht die 44-Jährige zwar ein bisschen Deutsch, allerdings zu wenig, um wieder als Psychologin zu arbeiten. Zudem fehlt ihr die Zulassung. Vom Jobcenter fühlte sie sich nicht gut beraten. Den Job als Putzkraft, der ihr angeboten wurde, lehnte sie ab. Danach ergriff Hanna Perlovska selbst die Initiative und bewarb sich als Köchin, als Küchenaushilfe und in einer Wäscherei. In den Bewerbungsgesprächen sei sie mit Blick auf ihre Deutschkenntnisse gefragt worden, wie die Kunden sie denn verstehen sollten, erzählt sei. In der Vorweihnachtszeit sei ihr dann eine kurzfristige Beschäftigung beim Einräumen von Waren angeboten worden. Sie habe zugesagt, aber es habe sich niemand mehr bei ihr gemeldet.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben in Deutschland Anspruch auf Bürgergeld und haben auch direkt einen Zugang zum Arbeitsmarkt. In Baden-Württemberg haben rund 28 Prozent der erwerbsfähigen Ukrainerinnen und Ukrainer eine Arbeit. Das belegen die aktuellen Zahlen der Regionaldirektion der Agentur für Arbeit in Baden-Württemberg aus dem vergangenen Juli. Bundesweit waren es zu dem Zeitpunkt 19 Prozent. In anderen europäischen Ländern sieht die Lage laut der OECD-Studie "International Migration Outlook 2023" anders aus. In Frankreich arbeiten rund 33 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine, in den Niederlanden 43 Prozent und in Polen 65 Prozent.

Aus den Städten und Kreisen gibt es Kritik, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Anspruch auf Bürgergeld haben. Ohne diesen gäbe es mehr "finanzielle Anreize" zu arbeiten:

Eppingen

Geringere staatliche Leistungen sollen Anreiz zu arbeiten stärken Städte und Kreise in der Region kritisieren Bürgergeld für Ukrainer

Nur jeder fünfte Geflüchtete aus der Ukraine im erwerbsfähigen Alter sei berufstätig, so der Gemeindetag. Das belaste die staatlichen Kassen und helfe nicht bei der Integration.

SWR4 am Donnerstag SWR4

Bundesregierung will Bezieher von Bürgergeld schneller in Arbeit bringen

Damit auch in Deutschland erwerbsfähige Ukrainerinnen und Ukrainer schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden, hat die Bundesregierung im Herbst das Programm "Job-Turbo" aufgelegt. Umgesetzt wird es in den Jobcentern. Rolf Martin vom Jobcenter in Karlsruhe hofft zum einen, dass ausländische Abschlüsse in Deutschland zukünftig schneller anerkannt werden. Von ukrainischen Geflüchteten fordert er aber gleichzeitig, alle Angebote des Jobcenters ernst zu nehmen. Er habe den Eindruck, dass sich zwar viele sehr motiviert am Thema Sprache abarbeiteten, bei der Arbeitsaufnahme aber noch zurückhaltend seien.

Jeder, der Bürgergeld bezieht, soll seine Arbeitskraft einsetzen, auch dann, wenn die Arbeit vielleicht nicht zu 100 Prozent dem entspricht, was er sich wünscht oder vorstellt.   

Hanna Perlovska möchte nicht irgendeinen Job machen. Sie möchte wieder als Psychologin arbeiten und gebraucht werden. Deshalb wird sie in vier Wochen in die Ukraine zurückgehen. Sie habe zwar Angst davor, aber in Deutschland habe sie ihren Weg nicht gefunden. In der Ukraine gebe es viele Menschen und Familien, die psychologische Hilfe bräuchten. Dort könne sie nützlich sein, sagt die 44-Jährige.

Die Unterstützung in der Bevölkerung hat nachgelassen

Auch viele Ehrenamtliche sind nach zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine in der Realität angekommen. Das Engagement hat deutlich nachgelassen. Das bekommt auch der Arbeitskreis Asyl in Bad-Mergentheim im Main-Tauber-Kreis zu spüren. Zwei Mal in der Woche grillt der Verein auf dem Marktplatz Würstchen. Dann stehen der Vereinschef Horst Hoffmann und häufig nur noch Geflüchtete aus der Ukraine mittags hinterm Grill. Der Verein brauche das Geld, sagt der 75-Jährige. Er würde im Winter zwar lieber im Warmen sitzen anstatt sich kalte Füße zu holen, aber finanziell sieht es nicht so gut aus.

Das Geld, das der Verein vom Kreis und von der Stadt bekommt, reicht bei Weitem nicht.

Seine Frau Birgit ist auch Ehrenamtliche beim Verein. Sie hat die Vermittlung von Sprachkursen für Geflüchtete im Blick und organisiert auch Flohmärkte. Außerdem kümmert sie sich um Beglaubigungen und Behördengänge für über 200 Ukrainerinnen und Ukrainer und Flüchtlinge aus anderen Ländern. Vor zwei Jahren kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte der Verein mehr Unterstützung aus der Bevölkerung.

Wir hatten anfangs einige Helfer. Dann war plötzlich keiner mehr da. 

Warum die Hilfsbereitschaft immer mehr abgenommen hat? Die Hoffmanns wissen es nicht. Birgit Hoffmann wünscht sich, dass die Flüchtlingshilfe wieder mehr Zulauf bekommt.

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Es ist ein großes Thema: Wie schafft es die Politik, Geflüchteten schneller zu einem Job zu verhelfen. Eine ausgeprägte Bürokratie verhindert oft eine Integration in den Arbeitsmarkt. Verantwortliche suchen nach dem Königsweg.

24.2.2022 Die Nacht, in der Russland die Ukraine angriff

24.2.2022 | Schon in den frühen Morgenstunden des 24. Februar 2022 ist klar, dass Russland die Ukraine angreifen würde. Am Vorabend haben die russischen Separatisten in den ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk Russland um Hilfe gebeten. Kaum jemand zweifelt daran, dass Putin dies als Begründung nehmen würde, diese Gebiete "befreien" zu wollen, schließlich hatte er sie schon zuvor schon als "autonome Republiken" anerkannt. So kommt es dann auch. Die Entwicklung spiegelt sich in den Radionachrichten. Nachts sind die Informationsradioprogramme der ARD zusammengeschaltet.
Um 4 Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit hatte sich bereits der Sicherheitsrat getroffen, um über die offenbar bevorstehende Invasion zu beraten.
Eine halbe Stunde später bestätigen sich die Befürchtungen. Präsident Putin hat in der Zwischenzeit im russischen Fernsehen eine Ansprache gehalten. Davon handeln die Nachrichten um 4:30 Uhr.
Um 5 Uhr informieren die Nachrichten bereits über erste Explosionen in der ukrainischen Hauptstadt. Im Lauf des Morgens sind auch in den Radioprogrammen erste Augenzeugenberichte zu hören. Wir hören den Journalisten Roman Schnell, der sich zum Kriegsausbruch in Charkiw befand und anschließend Maria Kalus, Mitarbeiterin im ARD-Studio Kiew.

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