Der Chef des Bundesverbands Gesamtmetall Stefan Wolf spricht im "Zur Sache Intensiv"-Videopodcast über sein Leben nach dreißig Jahren Ehe mit einer Frau und seinem Coming-Out.

Neuer SWR-Videopodcast "Zur Sache - intensiv"

Gesamtmetall-Chef rät Homosexuellen zu frühem Coming-out

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Stefan Wolf war 30 Jahre mit einer Frau verheiratet. Nun mit einem Mann. Für einen CDU-Mann in seinen Sechzigern eine wohl seltene Geschichte.

Stefan Wolf spricht viel über Leistung. "Von nichts kommt nichts", sagt der Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall gern und klingt dabei wie sein eigener Vater - ein konservativer Knochen. Die jungen Leute von heute dürften nicht nur "chillen", sondern müssten viel mehr tun, um den Wohlstand in Deutschland zu erhalten, findet der 62-Jährige und eckt damit bei vielen Menschen an. Dass der Gesamtmetall-Chef noch eine ganz andere Seite hat, ist immer wieder überraschend.

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Ein schwuler Wirtschaftsboss - eine Rarität in Deutschland

Im neuen SWR-Videopodcast "Zur Sache - intensiv" haben wir mit Wolf über Politisches und Persönliches gesprochen. Nur trennen lässt sich das bei ihm nicht immer so leicht. Denn ein schwuler Wirtschaftsboss ist in Deutschland immer noch eine Rarität. Da ist Persönliches eben auch politisch. Vor einem Jahr hat Wolf den US-Musicalstar Kevin Tarte ("Tanz der Vampire") geheiratet - nachdem er zuvor 30 Jahre mit einer Frau verheiratet war. Wie ein "Blitz" habe ihn diese neue Liebe getroffen, sagte er.

Und doch bereue er, "nicht früher dieses Outing gemacht" zu haben. Wie aus heiterem Himmel sei die Liebe zu einem Mann nicht gekommen. "Das war schon viele Jahre eine gewisse Neigung, die da war", sagte Wolf. Aber: "Man ist ja dann oft auch verhaftet in Konventionen und in familiären Situationen, die dann so was schwierig machen."

Stefan Wolfs Coming-out: Ein Akt der Befreiung

Vor gut drei Jahren macht er die Beziehung zu Tarte öffentlich. Für ihn ein Akt der Befreiung: "Ich kann wirklich jedem, der damit umgeht, jetzt aus der Erfahrung nur raten, es eher früher als später zu machen, weil es einfach unglaublich befreiend ist." Eine Freundin habe ihm geschrieben: "Lieber Stefan, na endlich! Mutig, aber nötig." Und so habe ein neuer Lebensabschnitt begonnen. "Ich habe dann aber auch klar gesagt, das ist mein Leben in der Zukunft und ich will ja jetzt nicht alleine auf Veranstaltungen gehen oder immer so tun, als ob das so nicht ist oder heimlich zu sein", erklärte er in dem Podcast weiter. Für ihn sei das Coming-out zwar nicht seine größte Leistung gewesen, "aber ein großes Glück."

Wolf führt Mut und Motivation auf Behinderung zurück

Wolf führt seinen Mut und seine Leistungsbereitschaft im Leben auf seine Behinderung zurück: Er hat einen Contergan-geschädigten linken Arm. "Das hat mich sicherlich massiv geprägt", sagte er. Zwar sei er von anderen Kindern auch ausgegrenzt oder gehänselt worden. Aber seine Eltern - der Vater Vize-Chefredakteur beim "Schwarzwälder Boten", die Mutter Hausfrau - hätten ihn immer sehr stark unterstützt: "Sodass ich dann schon immer auch zurückgeschlagen habe, weil ich eben wusste, dass ich diesen Rückhalt habe." So habe er gelernt mit seiner Behinderung umzugehen.

Man lernt dann auch Konflikte auszutragen und sich eben auch schwierigen Situationen zu stellen und in schwierigen Situationen zu kämpfen.

Als Jugendlicher habe er als Fechter sogar bei den Deutschen Jugendmeisterschaften teilgenommen. Auf die Frage, ob der Umgang mit seiner Behinderung das Geheimnis seines beruflichen Erfolges sei, sagte Wolf: "Absolut."

Das habe auch dazu geführt, "dass ich mein ganzes Leben lang vieles gemacht habe oder angefangen habe, wo manche gesagt haben: Der ist ja echt total verrückt". So habe er irgendwann mit Golfspielen begonnen. "Seitdem spiele ich mit einem Arm und habe ein sehr gutes Handicap im Golf. Weil ich einfach gesagt habe, ich schaffe das", sagte er, "wobei ich auch manche Dinge nicht geschafft habe. Also der Misserfolg gehört auch zum Leben und aus Misserfolgen lernt man dann auch."

Den SWR-Videopodcast "Zur Sache - intensiv" gibt es ab sofort auf YouTube:

Stefan Wolf: Junge Leute müssen mehr arbeiten

Wolf wünscht sich, dass die Kinder von heute wieder stärker gefordert und gefördert würden. "Weil ich finde, dass es wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche eben Leistung erbringen müssen und sich auch messen müssen." Deswegen könne er auch nicht verstehen, dass man den Wettkampf-Charakter der Bundesjugendspiele abgeschwächt habe. Zwar habe er nie eine Sieger- oder Ehrenurkunde bekommen, "aber es war jedes Jahr für mich Ansporn und ich habe gesagt: So, und dieses Jahr kriege ich eine." Das habe zwar nie geklappt, "aber es hat mir nicht geschadet", sagte Wolf.

Dabei vermisst der frühere Vorstandschef von ElringKlinger bei vielen jungen Leuten die Leistungsbereitschaft. Stattdessen genössen sie vor allem ihr Leben. "Viele in der jungen Generation, die können sich das leisten, weil die Großeltern und die Eltern sehr viel gearbeitet haben und einen Wohlstand erarbeitet haben." Die jungen Menschen sollten darüber nachdenken, wie sie ihren Kindern und Enkeln den Wohlstand erhalten können. "Das Geld muss erst mal verdient werden, bevor es ausgegeben werden kann. Von nichts kommt nichts."

Arbeitgeberchef hält Rente mit 70 bei Bürojobs zumutbar

Für Menschen mit Schreibtischjobs hält Wolf zudem auch eine Rente mit 70 für zumutbar. "Ein Fabrikarbeiter, der sehr hart arbeitet, wird nicht bis 70 arbeiten können, aber jemand, der in einem Büro sitzt, der wird bis 70 arbeiten können", führte er aus. Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten, müsse wieder mehr gearbeitet werden und nicht weniger. Derzeit wird die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben.

Die vielfachen Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich lehnt Wolf hingegen ab. "Wir haben die geringste Wochenarbeitszeit überhaupt weltweit, also in der Metall- und Elektroindustrie mit 35 Stunden. Und die können wir nicht weiter absenken." In der Branche arbeiten rund vier Millionen Beschäftigte in Deutschland.

Ich bin nicht gegen eine Vier-Tage-Woche, ich bin gegen eine Absenkung der Wochenarbeitszeit.

Wolf, der bei ElringKlinger zuletzt knapp 5 Millionen Euro pro Jahr verdiente, war im Juni 2023 nach 18 Jahren als Vorstandsvorsitzender  ausgestiegen. Von 2012 bis 2020 war er Chef von Südwestmetall, danach übernahm er die Führung des Bundesverbands Gesamtmetall.

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