Der Prozess wegen mutmaßlicher sexueller Nötigung gegen den ranghöchsten Polizisten des Landes beschäftigt nun auch eine andere Kammer des Stuttgarter Landgerichts. Nach Angaben eines Gerichtssprechers von Mittwoch wird kommende Woche fast zeitgleich zum Strafprozess gegen den Inspekteur der Polizei wegen sexueller Nötigung die mündliche Verhandlung in einem zivilrechtlichen Verfahren eröffnet.
Die Erstatterin der Anzeige im sogenannten Polizei-Prozess hatte als Nebenklägerin einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Verteidigerin des Inspekteurs gestellt. Nach Angaben des Gerichts-Sprechers möchte die Frau, dass die Anwältin bestimmte Äußerungen und Behauptungen unterlassen muss, die diese in einer Pressemitteilung zu Prozessbeginn verbreitet hatte.
Verteidigung warf Frau vor, ältere, mächtige Männer auszunutzen
In der im Gerichtssaal verbreiteten Erklärung hatte die Verteidigung des Inspekteurs der heute 34 Jahre alten Nebenklägerin vorgeworfen, bewusst ältere und höher gestellte Männer gesucht zu haben, um die Kontakte zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen. Sie habe zudem mehrfach der Polizei die Unwahrheit gesagt. Der angeklagte Polizei-Inspekteur sei das Opfer und müsse freigesprochen werden. Nach Angaben des Landgerichts wehrt sich die Nebenklägerin nun gegen "unzulässige Verdachtsäußerungen und unwahre Tatsachenbehauptungen", außerdem würden Inhalte aus ihrem Privat- und Intimbereich verbreitet. Die Frau sehe darin eine Rufschädigung und eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte, so ein Sprecher des Stuttgarter Landgerichts gegenüber dem SWR. Laut Gericht hält die Verteidigerin des Polizei-Inspekteurs hingegen alle Aussagen für zulässig.
Ermittlungen gegen ranghöchsten Polizisten Eine Betroffene erzählt: Wie Frauen bei der Polizei sexuelle Belästigung erleben
Gegen den ranghöchsten BW-Polizisten läuft ein Prozess wegen sexueller Nötigung. Ein Einzelfall? Nein, sagen eine Ex-Polizistin und ein Polizeiforscher, Sexismus sei in der Polizei Alltag.
Hintergrund: Prozess um sexuelle Belästigung
In dem Prozess wird dem höchsten Polizisten in Baden-Württemberg von der Frau sexuelle Belästigung vorgeworfen. Am 7. Juli werden vor dem Landgericht die Plädoyers erwartet, am 14. Juli soll es das Urteil geben. Der Inspekteur der Polizei soll die junge Polizeibeamtin im November 2021 bei einem Kneipenbesuch sexuell genötigt haben. Er ist inzwischen freigestellt und muss sich derzeit vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob er als ranghöchster Polizist des Landes seine Machtstellung als Vorgesetzter missbrauchte, um die Kommissarin zu sexuellen Gefälligkeiten zu drängen.
Vorwürfe sexueller Nötigung gegen Inspekteur #MeToo-Fall bei BW-Polizei: Einzelfall oder strukturelles Problem?
Sexuell übergriffiges Verhalten durch Vorgesetzte habe viel mit Macht und Abhängigkeiten innerhalb der Polizei zu tun. Das erklärt Polizeiforscher Rafael Behr im SWR-Interview zur BW-Polizei-Affäre.