Der ehemalige Chef des Landeskriminalamts (LKA), Ralf Michelfelder, hat im Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre scharfe Kritik an der Eignung des freigestellten Inspekteurs der Polizei, Andreas R., geäußert. "Er besaß das fachliche Niveau aus meiner Sicht nicht", sagte Michelfelder am Montag im Landtag.
Ex-LKA-Chef legte Veto gegen Einstellung des Inspekteurs ein
Der Inspekteur der Polizei, der sich derzeit vor dem Stuttgarter Landgericht wegen sexueller Nötigung verantworten muss, war vor seiner Ernennung zum höchsten Polizeibeamten des Landes Vizepräsident des Landeskriminalamts und Stellvertreter von Michelfelder. Auf die Position des stellvertretenden LKA-Chefs sei der heutige Inspekteur gegen sein ausdrückliches Veto gekommen, erklärte Michelfelder.
Er habe einen anderen Bewerber für deutlich besser geeignet gehalten und das auch im Protokoll der Besetzungskonferenz festhalten lassen. "Ich sah diese Entscheidung als Sicherheitsrisiko", sagte Michelfelder. Aus seiner Sicht habe der heutige Inspekteur keine ausreichende operative Erfahrung für die stellvertretende Leitung des LKA gehabt.
"Unsicher" und "lustlos": Kritik an der Leistung des Inspekteurs
Als stellvertretenden Chef des LKA habe er den heutigen Polizei-Inspekteur "unsicher" und "lustlos" erlebt. Auch mit dessen Leistungen sei er nicht zufrieden gewesen. "Jeden wichtigen Vorgang, der über seinen Tisch ging, musste ich nochmals überprüfen und korrigieren", sagte Michelfelder.
Der Inspekteur habe die praktischen Abläufe bei der Polizei nicht gekannt. Seine operative Erfahrung habe sich auf das Bekleben von Streifenwagen beschränkt. Auch habe er sich darüber geärgert, dass sein Vize ständig am Handy gewesen sei, viel telefoniert und Textnachrichten versendet habe.
Im Vorfeld der Ernennung seines ehemaligen Stellvertreters zum Inspekteur der Polizei sei er, so Michelfelder, nicht um eine Einschätzung gebeten worden. Der heute 50-jährige Andreas R. war im November 2020 zum ranghöchsten Polizisten in Baden-Württemberg ernannt worden - und hatte im Vorfeld eine Spitzenbewertung mit der Höchstnote 5,0 erhalten. Erstellt hatte die Beurteilung der damalige Inspekteur der Polizei. Auch andere Zeugen und Zeuginnen im Untersuchungsausschuss hatten die Leistungen immer als überdurchschnittlich bezeichnet.
Ex-LKA-Chef: Hätte Spitzennote "garantiert nicht" gegeben
"Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, warum man mich nicht gefragt hat", sagte Michelfelder. Er halte es für "äußerst fragwürdig", dass der damalige Inspekteur die Leistungen des Mannes bewertet habe, ohne mit ihm als seinem damaligen direkten Vorgesetzten gesprochen zu haben. "Ich kann mir das nur so erklären, dass man meine Antwort vorausgesehen hat und sie nicht hören wollte." Er selbst hätte die Spitzennote "garantiert nicht" gegeben.
Ist Michelfelder unter Druck gesetzt worden?
Der Ex-LKA-Präsident berichtete außerdem, dass er nach der Einsetzung des Ausschusses den Eindruck hatte, es habe gezielte "Durchstechereien" an die Presse zu vermeintlichen Verfehlungen in seiner Amtszeit gegeben. "Ich kann mir das nur damit erklären, dass es offenkundig darum ging, mich zu diskreditieren", sagte Michelfelder. Er habe den Eindruck gehabt, dass er unter Druck gesetzt werden sollte. Er gehe davon aus, dass die falschen Anschuldigungen aus der CDU-Fraktion gestreut worden seien. Konkret nannte er den Namen des CDU-Abgeordneten Christian Gehring. Der Ausschuss beschloss daraufhin auf Antrag der SPD, dass Gehring, selbst Mitglied des Untersuchungsausschusses, in der nächsten Sitzung deswegen als Zeuge aussagen soll.
Ob Gehring weiter Mitglied des Ausschusses bleiben kann, ist fraglich. Im entsprechenden Gesetz heißt es: "Ein Mitglied des Landtags, das an den zu untersuchenden Sachverhalten persönlich und unmittelbar beteiligt ist, darf dem Untersuchungsausschuss nicht angehören." Die Obfrau der CDU, Christiane Staab, sagte, die rechtlichen Fragen müssten nun geklärt werden. "Es bleibt abzuwarten, wie sich der Sachverhalt aus Sicht des Zeugen Gehring darstellt", sagte Staab.
FDP-Obfrau: Neue Zäsur in der Polizei-Affäre
Die FDP-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Julia Goll, bewertete die Aussagen von Michelfelder am Montag als eine neue Zäsur in der Polizei-Affäre: "Erstmals sagt ein hochrangiger Akteur aus, Andreas R. sei keineswegs der fachlich tadellose Aufsteiger gewesen, im Gegenteil: Ihm habe die Verwendungsbreite und operative Erfahrung gefehlt, um umfassende Führungsaufgaben wahrzunehmen." Goll sieht es als bestätigt an, dass die Personalplanung von Innenminister Thomas Strobl (CDU) alles andere als vorausschauend, sondern vielmehr "stümperhaft und sachfremd" war.
Der AfD-Abgeordnete Daniel Lindenschmid sprach von einer "fast schon kriminellen Dimension". Sascha Binder, Obmann der SPD-Fraktion, sagte, die Vorwürfe hätten eine "Dimension, die man nicht fassen kann".
Ausschuss soll zur Aufarbeitung der Polizei-Affäre beitragen
Der Inspekteur der Polizei soll im November 2021 eine junge Polizeibeamtin sexuell belästigt haben. Er ist inzwischen freigestellt und muss sich derzeit wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob der ranghöchste Polizist des Landes seine Machtstellung als Vorgesetzter missbrauchte, um die Kommissarin zu sexuellen Gefälligkeiten zu drängen. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen hat der Untersuchungsausschuss seine Zeugenbefragung abgebrochen und sich auf Mitte Juli vertagt.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit sexueller Belästigung in Landesbehörden, der Beförderungspraxis bei der Polizei und der Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Strobl.