Jeden Monat landen drei bis vier Fälle sexueller Belästigung an Hörsälen, Unikliniken oder Theaterkantinen bei Rechtsanwältin Michaela Spandau. Sie gibt den Betroffenen Rechtsberatung, auf Wunsch auch anonym. Eine unabhängige Expertise trage neben internen Meldestellen dazu bei, Hemmschwellen abzubauen und das Thema sexuelle Belästigung aus der Tabuzone zu holen, erzählt sie.
Betroffene trauen sich oft nicht, gegen Vorgesetzte vorzugehen
Bei den Fällen zeige sich ein klares Muster. Häufig nutzten Vorgesetzte ihre Position aus und die Betroffenen wüssten meist nicht, wie sie damit umgehen sollen:
Aufgrund der Hierarchie fühlten sich viele Betroffene unterlegen. Die Juristin sieht darin einen echten Konflikt: Wenn man es sich mit dem Professor nicht verscherzen will, der die nächste Prüfung abnimmt, und daher keine Grenzen setzt, geht es womöglich immer weiter. Die Mehrzahl der Betroffenen seien Frauen, es gebe jedoch durchaus auch Männer, die Beratung suchten.
Betriebe und Behörden sollten aktiv Hilfe anbieten
Dass sexuelle Belästigung in allen Betrieben und allen Bereichen vorkommen kann, verdeutlicht ihrer Ansicht nach gerade der Fall des inzwischen angeklagten Inspekteurs der Polizei: "Ich denke, in der breiten Masse hat dieser Fall sicherlich dazu geführt dass man gesagt hat: Das kann auch bei uns passieren. Und das kann auch in Bereichen kommen, wo man erst mal denkt, da herrscht Recht und Ordnung und da hält man sich ganz besonders an die Gesetze."
Ganz entscheidend ist für Michaela Spandau, dass Betriebe und Behörden das Thema sexuelle Belästigung offen ansprechen und den Betroffenen aktiv Hilfe anbieten: "Ich glaube, die Betroffenen müssen einfach ermutigt werden, diese Rechte, die sie haben, und die Schutzmöglichkeiten auch in Anspruch zu nehmen." Denn:
Vor zwei Jahren wurde Rechtsanwältin Michaela Spandau vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium als Vertrauensanwältin für sexuelle Belästigung an Hochschulen und Kultureinrichten berufen. Aufgrund der positiven Rückmeldungen wird ihr Einsatz jetzt um fünf Jahre verlängert.