Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) droht mit seinen Plänen für eine baldige Mobilitätswende an Geldmangel und fehlender Unterstützung in der grün-schwarzen Koalition zu scheitern. Die CDU hatte die Grünen nach SWR-Informationen zu Kompromissen gedrängt.
Eine gute Politik müsse Ziele setzen, die auch umsetzbar seien, teilte der CDU-Landtagsabgeordnete im Ausschuss für Verkehr, Thomas Dörflinger, auf Anfrage. Entscheidend sei beispielsweise nicht, wie viele Autos fahren, sondern ob diese möglichst klimafreundlich seien. Das Verkehrsministerium betonte gegenüber dem SWR, die Ziele seien mit zahlreichen konkreten Maßnahmen hinterlegt.
Das Ziel, dass mehr Autos klimaneutral fahren sollen, will die Landesregierung demnach zum Beispiel durch einen Ausbau der Ladeinfrastruktur und Nullemissionszonen in Wohnquartieren erreichen. Außerdem will das Land sich deswegen für strenge Emissionsstandards auf Bundes- und EU-Ebene einsetzen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte Hermann ursprünglich allerdings konkretere Zielvorgaben im Konzept unterbringen wollen: So wollte der Grünen-Politiker die Ziele "jedes zweite Auto fährt klimaneutral" bis 2030 und "jede zweite Tonne fährt klimaneutral" im Güterverkehr im Konzept unterbringen. Außerdem drang Hermann darauf, die Vorgabe "ein Fünftel weniger Kfz-Verkehr in Stadt und Land" in dem Papier zu verankern - vergeblich.
SPD kritisiert: Ministerpräsident Kretschmann schaut desinteressiert zu
SPD-Landesfraktionschef Andreas Stoch warf der Landesregierung vor, an sich selbst zu scheitern. Auf Twitter schrieb er, die Grünen seien in dieser Koalition fürs Wünschen zuständig. Die CDU sei völlig entspannt, weil sie wisse, dass nichts davon umgesetzt werde.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP, Christian Jung, bezeichnete Hermanns Konzept als Mobilitätsutopie. Er forderte die Landesregierung auf, erstmal ihre Hausaufgaben zu machen. So müssten zum Beispiel Landesstraßen und Brücken saniert werden.
"Mobilitätsgarantie" in Baden-Württemberg: Scheitert es am Geld?
Um seine Klimaziele zu erreichen, müsste das Land die Treibhausgase im Verkehr innerhalb von sieben Jahren um 55 Prozent verringern. Zuletzt sind die CO2-Emissionen im Verkehr aber sogar gestiegen. Zwar hat Hermann am Freitag ein Bündel von Maßnahmen vorgestellt, um den Umstieg auf Busse und Bahnen voranzubringen. Doch die Verkehrswende gerät auch deshalb in Gefahr, weil der Verkehrsminister nicht das nötige Geld bekommt.
Im Doppelhaushalt 2023/2024 ist - nach jetzigem Stand - die notwendige Anschubfinanzierung für die sogenannte Mobilitätsgarantie nicht enthalten. Dem Vernehmen nach wären etwa 120 Millionen Euro im Jahr nötig, um Hermanns Pläne für einen massiven Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs auch auf dem Land wie geplant bis 2026 voranzubringen. Hintergrund ist allerdings auch, dass das Land das 49-Euro-Ticket im Regionalverkehr mitfinanzieren muss.
SPD-Verkehrsexperte Hans-Peter Storz kritisierte: "Wer die Zahl der Fahrgäste in Bussen und Bahnen verdoppeln will, müsste irgendwann damit anfangen, mehr Züge zu bestellen und die Verkehrsverbünde in die Lage zu versetzen, mehr Busse zu beschaffen." Doch Hermann bekomme vom grünen Finanzminister Danyal Bayaz nicht das nötige Geld und die CDU verwässere die Zielvorgaben. "Und der Ministerpräsident schaut desinteressiert zu", monierte Storz mit Blick auf Winfried Kretschmann (Grüne).
Zur Finanzierung wollte sich das Verkehrsministerium nicht äußern, "da die Haushaltsberatungen im Landtag noch nicht abgeschlossen sind". Die Mobilitätsgarantie sei eines der wichtigsten Vorhaben im Verkehrsbereich und habe "Leitbildcharakter", so das Ministerium.
SPD-Verkehrsexperte Storz monierte, die Mobilitätsgarantie sei vom festen Ziel zur "unverbindlichen Wunschvorstellung" geschrumpft. Er kündigte an, dass die SPD in den Etatberatungen 100 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für die Mobilitätsgarantie fordern werde. "Der Doppelhaushalt gibt Hermann keine Möglichkeiten, seine Mobilitätsziele nur ansatzweise umzusetzen."