Ein kleiner weißer Vogel mit schwarzem Kopf liegt regungslos und mit der Unterseite nach oben neben einem Baumstamm auf der Erde.

Kinder finden tote Tiere

Maßnahmen gegen Vogelschlag: Wie eine Ulmer Schule Vögel retten will

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Autor/in
Catharina Straß
Catharina Straß

Jedes Jahr sterben Schätzungen zufolge zwischen fünf und zehn Prozent der Vögel in Deutschland, weil sie gegen Glas fliegen. Was jetzt in Ulm dagegen gemacht wird - und was nicht.

Jedes Jahr sterben deutschlandweit rund 100 Millionen Vögel durch den Flug gegen Glas, so die Schätzung der Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten. Das entspricht zwischen fünf und zehn Prozent der Vögel in Deutschland. Auch in Ulm ist das Problem bekannt.

Kinder finden tote Vögel im Schulhof

Der Pausenhof der Ulmer Friedrichsauschule ist lichtdurchflutet. Das liegt auch an den in die roten Backsteinmauern eingelassenen Fenstern. Dass sie für Vögel eine echte Todesfalle sein können, wird Konrektorin Claudia Kühner bewusst, als sich im Frühjahr die Schulgarten AG bei ihr meldet: "Da haben die Kinder und die AG-Leiterinnen die toten Vögel entdeckt und wir hatten an der Scheibe auch den Abdruck eines Vogels, der dagegen flog."

Der Abdruck in Vogelform auf einer Fensterscheibe der Ulmer Friedrichsauschule zeigt eindeutig, dass hier ein Vogel verendet ist.
Ein Vogelabdruck an der Friedrichsauschule in Ulm. Immer wieder sind dort Vögel gegen die Glasscheiben geflogen und verendet.

Damals ebenfalls vor Ort: Sabine Kröber vom Nabu in Ulm, eingeladen von der Schulgarten AG. Die Kinder erzählen ihr von den toten Vögeln, zeigen ihr einen reglosen Vogelkörper - kleiner als eine Amsel - hellbraun mit einer weißlich- beigen Unterseite und dichten, dunklen Sprenkeln: "Eine tote Singdrossel. Die wurde dann beerdigt", sagt die Naturschützerin.

Für Konrektorin Kühner ist klar: Es muss etwas geschehen. Gemeinsam mit dem Nabu und der Stadt entscheidet sie, kleine Punkte auf die Scheiben aufbringen zu lassen. Nah beieinander liegend, damit die Vögel das Hindernis erkennen. Seitdem habe sich das Problem an der Friedrichsauschule gelegt, berichtet Kühner: "Wir haben weder Spuren an den Scheiben entdeckt, noch Vögel im Gebüsch liegen sehen."

Tote Singdrossel, die Kinder Ulmer Friedrichsauschule aufgefunden haben.
Ist einer der Glasscheiben an der Ulmer Friedrichsauschule zum Opfer gefallen: Eine tote Singdrossel. Mitglieder der Schulgarten AG haben sie auf dem Schulhof gefunden.

Wegen eingeschränktem Sehvermögen: Vögel nehmen Glas nicht wahr

Dass Vögel überhaupt gegen Glas fliegen, liegt an ihrem Sehvermögen, erklärt Sabine Kröber vom Nabu. Zwei Umstände bereiten den Tieren besonders Probleme, sagt sie: "Einmal die Spiegelung. Wenn sich Bäume in Glasscheiben spiegeln, denken die Vögel, da wäre wirklich ein Baum und fliegen rein. Das Zweite ist die Durchsicht. Das heißt, die Vögel sehen von der einen Seite ein Stück des Himmels auf der anderen Seite und denken, sie können durchfliegen."

Wenn sich Bäume in Glasscheiben spiegeln, denken die Vögel, da wäre wirklich ein Baum und fliegen rein.

Gläserne Orte in Ulm für Vögel gefährlich

Durch den Aufprall mit teils hoher Geschwindigkeit brechen sich viele der Tiere das Genick oder erleiden eine Gehirnerschütterung, so Kröber. Die Naturschützerin kennt viele Orte in Ulm, die für Vögel lebensbedrohlich sind: die in einer Glaspyramide untergebrachte Stadtbibliothek mit ihren spiegelnden Scheiben zum Beispiel. Oder der durchsichtige Überbau am Bahnhofsvorplatz und das Ulmer Amtsgericht, in dem sich die umliegenden Bäume spiegeln. Viele der Gefahrenstellen meldet Kröber der Stadt Ulm.

Gegen den Vogelschlag sind auf einer Scheiber der Ulmer Friedrichsau Schule große Kleber in Vogelform angebracht - gebracht hat es nichts.
Vorher: Die großen Vogel-Aufkleber an der Ulmer Friedrichsau Schule haben nichts gebracht. Für Vögel sind sie zu weit auseinander, die Glasscheibe kann für die Tiere zur Todesfalle werden. Bild in Detailansicht öffnen
Die Scheibe in der Ulmer Friedrichsauschule wurde gegen den Vogelschlag mit kleinen Punkten beklebt.
Nachher: Kaum sichtbar, aber für Vögel ausreichend. Die kleinen Punkte auf der Scheibe der Ulmer Friedrichsauschule retten Vögel das Leben. Bild in Detailansicht öffnen
In der gläsernen Pyramide in der Ulmer Innenstadt spiegeln sich Bäume und Gebäude wider.
Die Stadtbibliothek: In der Fassade der Glaspyramide spiegeln sich Bäume und umliegende Gebäude. Bild in Detailansicht öffnen
Über der Tiefgarage am Ulmer Hauptbahnhof prangt ein gläserner Überbau.
Der durchsichtige Bau am Bahnhofsvorplatz ist eine gefährliche Falle für Vögel: weil alle Seiten offen sind, könnten sie versuchen, hindurchzufliegen. Bild in Detailansicht öffnen
Naturschützerin Sabine Kröber steht auf einem gepflasterten Platz vor dem gläsernen Zwischenbau des Ulmer Landgerichts, der für Vögel kaum erkennbar sein dürfte.
Kennt viele der Gefahrenstellen für Vögel in der Ulmer Innenstadt: Naturschützerin Sabine Kröber - hier am Amtsgericht in Ulm, in dem sich Bäume spiegeln. Bild in Detailansicht öffnen

Bei der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt beschäftigt das Thema Melanie Marquardt. Sie freut sich über den Einsatz der Friedrichsauschule. Auch, weil ihre Behörde nicht eingreifen darf, wenn sie von einem Vogelschlag-Hotspot erfährt: "Wir können den Eigentümer - sei es städtisch, privat oder im unternehmerischen Bereich - nicht verpflichten, Maßnahmen umzusetzen." Denn dafür brauche es eine gutachterliche Untersuchung, um zu ermitteln, ob an dem Ort tatsächlich überdurchschnittlich viele Vögel sterben.

Naturschutzbund fordert Beschluss zu vogelschlagsicherer Bebauung

Für Marquardt besonders frustrierend: das fehlende Bewusstsein für das Problem in der Stadtplanung. "Glas ist ein super Material, es ist schön und steht für Urbanität. Allerdings ist bei vielen noch nicht angekommen, dass wir hier ein Problem haben." Der Nabu in Ulm fordert daher vom Ulmer Stadtrat, dass Gebäude künftig von vornherein mit vogelschlagsicheren Fenstern gebaut werden. Vorbild ist die Stadt Leipzig. Dort hat man sich Ende Juni auf einen entsprechenden Beschluss geeinigt.

Kreativ gegen Vogelschlag

Was Vögel am Flug gegen die Scheibe hindert? Linien, Punkte oder andere Muster auf dem Glas. Sie müssen engmaschig sein, damit die Vögel nicht versuchen, durchzufliegen, rät Sabine Kröber. Wenig wirkungsvoll hingegen sind die Silhouetten von Greifvögeln - häufig auf gläsernen Bushaltestellen zu sehen. Ihre Abstände sind zu groß und schrecken Vögel nicht ab. Auch selbstgemachte Maßnahmen können helfen: Bunte Schnüre vor dem Fenster etwa, oder Muster mit Fingermalfarben.

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