Auf zahlreichen Flyern und Plakaten wird der Ulmer Journalist Ralf Grimminger als "Blutsauger" verleumdet

Nach beleidigenden Plakaten

Ulmer Journalist fassungslos: Ermittlungen nach Schmutzkampagne eingestellt

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Ein Ulmer Journalist muss eine anonyme Schmutzkampagne ertragen, mit zig Plakaten, die ihn öffentlich diffamieren. Dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellt, macht ihn fassungslos.

Die Attacke hat Ralf Grimminger schwer getroffen. In der Nacht vom 18. auf den 19. August im vergangenen Sommer haben Unbekannte Plakate und Flugblätter in der Ulmer Innenstadt aufgehängt, mit einem Porträtfoto Grimmingers, das aus dem Internet stammt, und mit beleidigendem Inhalt. Der Journalist, der das Nachrichtenportal "ulm-news" betreibt, wird unter anderem als unfähig beschimpft, als Blutsauger, als schlechter Vater.

Unbekannter verteilt rund 100 Flugblätter

Fast 100 solcher Flugblätter wurden gefunden, berichtet Grimminger, an Straßenmasten, Kreuzungen, Autos, Geldautomaten und Fahrscheinautomaten sowie an seinem Ulmer Büro. Und die diffamierenden Zettel wurden auch in die Briefkästen seiner Nachbarn an seinem Wohnort im Alb-Donau-Kreis gesteckt. Die Täter wussten offenbar, wo Grimminger mit seiner Familie wohnt. "Meine Frau fand das bedrohlich."

Wenn Sie als Alkoholiker bezeichnet werden und entsprechende Fotos von Ihnen an Laternenmasten kleben, dann ist das nicht nur rufschädigend, sondern auch berufsschädigend.

Mehrere Bekannte des Journalisten entfernten die Plakate und brachten sie ihm. Ralf Grimminger ging damit zur Polizei und erstattete Anzeige. Eine derartige Schmutzkampagne gegen seine Person hat er in 40 Berufsjahren nicht erlebt. "Wenn Sie als Alkoholiker bezeichnet werden und entsprechende Fotos von Ihnen an Laternenmasten kleben, dann ist das nicht nur rufschädigend, sondern auch berufsschädigend", sagt Grimminger, der auch für Unternehmen oder Politiker arbeitet.

"Schockierend" nennt es ein Mitarbeiter des Stadthauses Ulm, der an jenem Samstag im August auf dem Weg zum Wochenmarkt rund 50 der beleidigenden Flyer abhängt und dem bekannten Journalisten übergibt. Die persönlichen Anschuldigungen gegen Ralf Grimminger seien sehr hart, sehr ärgerlich, betont der Mann vom Stadthaus-Team.

Auf zahlreichen Flyern und Plakaten wird der Ulmer Journalist Ralf Grimminger als "Blutsauger" verleumdet
Der Ulmer Journalist Ralf Grimminger wehrt sich gegen öffentliche Verleumdung - bisher ohne Erfolg.

Weder Grimminger noch andere Zeugen befragt

Er ist einer von sechs Zeugen, die der Ulmer Journalist und Autor nach eigenen Angaben der Polizei namentlich genannt hat. Doch weder sie noch er selbst seien in den letzten fünf Monaten von der Polizei zur Sache befragt worden, wundert er sich. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

Dabei war es bereits die dritte anonyme Verleumdungskampagne gegen ihn innerhalb von zwei Jahren. Die ersten zwei Vorfälle könnten "auf das Konto der 'Querdenker' und 'Spaziergänger'" gehen, mutmaßt Grimminger: "Denn deren Um- und Aufzüge habe ich regelmäßig dokumentiert." Aus der Szene erntet er auch regelmäßig Hasskommentare im Netz.

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Beim aktuell dritten Flugblatt könnte eine Ultra-Gruppierung aus der Ulmer Fußballszene involviert sein. Einige der diffamierenden Flugblätter waren laut Ralf Grimminger im August mit Aufklebern der Gruppierung befestigt. "Ob es einen Zusammenhang gibt, das zu klären, ist sicherlich Aufgabe der Polizei."

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Die Ermittlungen sind allerdings am 20. Dezember eingestellt worden. Grimminger ist fassungslos: "Seit August gab es keinen Kontakt mehr zwischen der Polizei und mir, keine Nachfrage der Polizei, wen ich gegebenenfalls verdächtige oder mit wem ich Streit und Ärger haben könnte." Ihm sei gesagt worden, man habe das Ermittlungsverfahren eingestellt, weil der Täter bisher nicht ermittelt werden konnte.

Der SWR hat jetzt bei der Ulmer Polizei nachgefragt. Die gibt dazu keine Auskunft und verweist an die Staatsanwaltschaft. "Tatsächlich wurde das Verfahren kurz vor Weihnachten eingestellt, da eine Täterschaft nicht ermittelt werden konnte", bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Man habe an den Geldautomaten, wo Flugblätter gefunden worden waren, geprüft, ob dabei Videoaufnahmen entstanden sind. Vergeblich.

Auf die Vernehmung der von Grimminger benannten Zeugen haben Polizei und Staatsanwaltschaft tatsächlich verzichtet. Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger teilte mit: "Es konnte nur davon ausgegangen werden, dass die benannten Zeugen die aufgehängten Flugblätter wahrgenommen hatten. Dass sie konkrete Wahrnehmungen über die Person, welche die Flugblätter verfasst bzw. aufgehängt hat, getroffen hätten, konnte nicht angenommen werden."

Weitere zielführende Ermittlungsmaßnahmen waren nicht ersichtlich.

Zu einer möglichen darüber hinaus gehenden Arbeit der Polizei erklärt die Staatsanwaltschaft: "Weitere zielführende Ermittlungsmaßnahmen waren nicht ersichtlich." Für Ralf Grimminger ist das, was er miterleben musste, eine "klare Grenzüberschreitung". Eine solche Aktion in Ulm gehe gar nicht und sei nicht tolerierbar. "Wenn nichts passiert und so ein Flugblatt ohne behördliche Reaktion verteilt werden kann, ist es nur eine Frage der Zeit, wann der nächste virtuelle oder reale Shitstorm losgetreten wird - und wer das nächste Ziel ist."

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