Am Freitag ist der neue Steg über die Bahngleise in Aalen feierlich eröffnet worden.

Nach explodierten Kosten und mehrmaliger Verzögerung

Wirklich? Wirklich! Steg über Bahngleise in Aalen ist eröffnet

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Frank Polifke
Frank Polifke

Die Geschichte des neuen Stegs in Aalen hat alles, was ein ordentliches Baustellendrama braucht: einen Stararchitekten, Kostenexplosionen, Bauverzögerung und die Frage: Braucht man das Ding überhaupt?

Seit Freitag ist er tatsächlich eröffnet. Monatelang schien der Steg über die Bahngleise so gut wie fertig - doch die Eröffnung ließ auf sich warten. Mehrere Termine verstrichen: Mal war vom Juli die Rede, dann vom September. Doch auch der ging ins Land, und die Bauzäune um den Steg blieben stehen, der die Innenstadt und das Quartier Stadtoval miteinander verbindet.

Der Steg ist eröffnet - tatsächlich!

Am Freitagnachmittag war es soweit: Mit Pauken und Trompeten - im wahrsten Sinne des Wortes! Die "Marching Band" der städtischen Musikschule und die Bigband des Schubart-Gymnasiums haben die feierliche Einweihung begleitet.

Am Freitag ist der neue Steg über die Bahngleise in Aalen feierlich eröffnet worden.
OB Frederick Brütting und der CDU-Landtagsabgeordnete Winfried Mack eröffnen den teuren Steg über die Bahngleise. In Aalen wird er gerne nach dessen Architekten als Sobek-Steg betitelt.

Der Steg überquert die 19 Gleise des Aalener Hauptbahnhofs und verbindet die Innenstadt mit dem neuen Quartier Stadtoval samt dem Kulturbahnhof. Und das auf durchaus elegante Weise: Spröde Zahlen wie 141 Meter Länge und 8,50 Meter Höhe drücken das nur unvollkommen aus. In einem sanften Bogen spannt sich der Steg über das Gleisbett, flankiert von zwei teilweise gläsernen Türmen samt spindelförmigen Auf- und Abgängen.

Der Fußgängersteg über die Bahngleise in Aalen ist nach anderthalbjähriger Bauzeit eröffnet worden.
In einem sanften Bogen spannt sich der Steg über das Gleisbett, flankiert von zwei teilweise gläsernen Türmen samt spindelförmigen Auf- und Abgängen.

"Sobek-Steg" heißt er nur inoffiziell

Entworfen hat den Steg nicht irgendein Architekt, sondern ein Schwergewicht seines Berufsstands: Professor Werner Sobek war bis 2021 Chef des "Instituts für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren" an der Universität Stuttgart, hat mit seinem Unternehmen das Sony-Center in Berlin ebenso geplant wie das Mercedes-Museum in Stuttgart oder den Bangkok International Airport - und er ist gebürtiger Aalener.

Nachvollziehbar, dass der Steg längst unter "Sobek-Steg" läuft. Allerdings nur inoffiziell. Offiziell heißt er so nüchtern wie fantasielos: "Fußgängersteg über die Bahngleise". Ob er noch einen griffigeren Namen erhält, mochte eine Sprecherin der Stadt Aalen weder bestätigen noch dementieren.

Warum sich die Fertigstellung des "Fußgängerstegs über die Bahngleise" ähnlich lang hingezogen hat wie seine offizielle Bezeichnung, hat die Stadtverwaltung lange Zeit kaum bis gar nicht kommuniziert - zum Ärger mancher Aalenerinnen und Aalener.

Sobek: Corona und Mangel an Baumaterial schuld an Kostensteigerung

Erst anlässlich der Einbringung des städtischen Haushalts des kommenden Jahres nannte Oberbürgermeister Frederick Brütting (SPD) die Gründe aus Sicht der Stadt: Einer der beiden Aufzüge musste noch eingebaut werden, die LED-Beleuchtung der Handläufe fehlte noch - und last not least waren einige der beteiligten Handwerksbetriebe während der Sommerferien mit der Sanierung von Schulen beschäftigt.

Ein weiterer Kritikpunkt - neben der Bauverzögerung - war die enorme Kostensteigerung: Standen 2015 noch 6,6 Millionen Euro im Raum, waren es im Mai 2021 schon 8,7 Millionen, ein Jahr später plötzlich sogar mehr als 10 Millionen. Aktuell werden 10,39 Millionen Euro genannt. Architekt Sobek begründet das nicht zuletzt mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie: Einem gewaltigen Mangel bei Baumaterialien und als Folge gewaltiger Preisexplosionen.

SWR2 hat im Mai 2023 mit Werner Sobek anlässlich seiner Abschiedsvorlesung gesprochen: 

Bund der Steuerzahler rügt schlechte Kostenplanung

Sogar dem Bund der Steuerzahler war der gewaltige Kostensprung aufgefallen: Er führte den Aalener Steg in seinem Schwarzbuch 2022/23 als eines von elf Projekten in Baden-Württemberg auf. Die Steuerzahler hätten Anspruch auf eine realistische Kostenplanung, und zwar von Anfang an, rügte die Interessenvereinigung.

Und da ist noch ein wunder Punkt: Die eine oder der andere bezweifelt darüber hinaus den Sinn des "Sobek-Stegs". Er verbindet zwar auf optisch attraktive Weise die Aalener Innenstadt mit dem neuen Quartier "Stadtoval" samt seinem Kulturbahnhof, der unter anderem das städtische Theater, die städtische Musikschule und ein Programmkino beherbergt. Doch das tun zwei Unterführungen in der Nähe auch. Allerdings werden die von manchen Bürgerinnen und Bürgern gemieden, vor allem bei Dunkelheit.

Baukulturelles Ausrufezeichen

Ob all die Kritikpunkte nach der Eröffnung bald vergessen sind? Zumindest kann sich Aalen künftig eines "baukulturellen Ausrufezeichens" rühmen, um es mit den Worten von Aalens Baubürgermeister Wolfgang Steidle (CDU) zu sagen.

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