Die Pfingstfeiertage des Jahres 1999 werden viele Ulmer und Neu-Ulmer nie vergessen. Sie brachten den beiden Städten Wassermassen in bislang ungeahntem Ausmaß.
So hat der SWR am 23. Mai 1999 über das Pfingsthochwasser berichtet:
Es dürfte eine Mischung aus Schock und Erleichterung gewesen sein: Ein 20-jähriger Mann mit Jeans und dunkelblauer ärmelloser Weste sinkt in sich zusammen, das Gesicht in seinen Händen vergraben. Rechts von ihm ein Streifenpolizist in einer Polizei-Lederjacke, links einer seiner Retter: Ein Hubschrauberpilot in dunkelgrünem Overall mit strahlend weißem Helm.
Minuten zuvor hatten Pilot und Co-Pilot den Mann, der seinen Pudel aus den Fluten der bräunlich-gelben Donau in Neu-Ulm ziehen wollte, selbst gerettet. Der Pilot setzte die Kufen des Helikopters "Edelweiß 5" auf die Wellen, sein Kollege sprang auf die Kufen, packte den Mann und zog ihn an Bord. Beim Abheben berührte der Heckrotor noch das Wasser. Eigentlich wollte der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) in dem Hubschrauber gerade zu einem Rundflug über die überfluteten Gebiete starten, als der Notruf einging. Beckstein verließ den Hubschrauber daraufhin.
Donau und Iller erreichten Scheitelpunkt am 23. Mai 1999
Das alles und einiges mehr spielte sich rund um den 23. Mai 1999 in Neu-Ulm ab, als das Pfingsthochwasser seinen dramatischen Höhepunkt erreichte. Vielleicht hatte Landrat Erich-Joseph Geßner die Rettungsaktion im Hinterkopf, als er später sagte: "Wir haben Glück gehabt, trotz des Unglücks."
Denn zunächst einmal sah es in der Neu-Ulmer Innenstadt und in der Ulmer Altstadt nicht nach Glück aus. Teile der Städte versanken in einem zweihundertjährlichen Hochwasser, die Donau dazwischen hatte sich in einen reißenden Strom verwandelt. In Zahlen ausgedrückt: Der Donaupegel kletterte auf 5,73 Meter (normal: 3,50 Meter), der Pegel der Iller kurz vor der Mündung auf 7,35 Meter (4,50 Meter).
Neu-Ulmer Innenstadt versinkt in den Fluten
Das Wasser brachte vor allem die Iller aus dem Alpenraum mit, die kurz vor Ulm und Neu-Ulm in die Donau mündet. Für Neu-Ulm hieß es am Samstagabend, 22. Mai: Katastrophenalarm. Die braunen Wassermassen standen zentimeterhoch in der Innenstadt. Ein Foto im Internet zeigt einen Mann, der mit seinem Kajak zwischen Zone-30-Schildern durch die überfluteten Straßen paddelt.
Derweil brachten Einsatzkräfte am Pfingstsonntag 99 Patientinnen und Patienten aus der Neu-Ulmer Donauklinik in Sicherheit, weil Wasser in den Keller eingedrungen war. Auch im Eingangsbereich stand das Wasser kniehoch. Sogar das Gefängnis in der Neu-Ulmer Innenstadt musste geräumt werden, die Insassen kamen in Memmingen unter. Immerhin hatten die Polizisten noch die Zeit, einen Karpfen zu retten, der sich in die Fluten vor dem Fenster der Polizeidirektion in der Innenstadt verirrt hatte.
Nach dem Erreichen des Scheitelpunktes berichtete der SWR über die Aufräumarbeiten:
Freizeitbad "Atlantis" geht unter
Nicht mehr zu retten war dagegen das Erlebnisbad in Neu-Ulm, das ausgerechnet den Namen "Atlantis" trug. Die Nähe zur Donau wurde dem mit viel Tamtam eröffneten Bad zum Verhängnis, eine Mauer aus Sandsäcken hielt nicht. Mit den Worten "Wir mussten es leider aufgeben" fasste der Einsatzleiter der Feuerwehr das Schicksal des Bades zusammen.
Zu diesem Zeitpunkt schaute gerade noch das langgezogene, graublaue Gebäude heraus, daneben schlängelten sich drei knallbunte Wasserrutschen in die gelblich-braune Brühe. Die umgerechnet gut 20,5 Millionen Euro eines privaten Investors wurden buchstäblich versenkt. Das Hochwasser richtete dort Schäden von knapp 6 Millionen Euro an. Die Eröffnung des "Atlantis" lag da noch kein halbes Jahr zurück.
In Ulm vor allem das Fischerviertel betroffen
In Ulm war vor allem das historische Fischerviertel betroffen. Katastrophenalarm wurde zwar nicht ausgerufen, das Wasser hatte sich allerdings seinen Weg in Keller und Erdgeschosswohnungen gebahnt - und zum Leidwesen der Einsatzkräfte viele Schaulustige angezogen, die ihren Pfingstausflug kurzerhand ins Hochwassergebiet verlegten, um den Helferinnen und Helfern dort im Weg zu sein.
Städte und Länder investierten seither Millionen in Hochwasserschutz
Während das Wasser in dem am Neu-Ulmer Ufer gelegenen Freizeitbad längst wieder da ist, wo es hingehört, hat sich in Sachen Hochwasserschutz viel getan. Heute ist das "Donaubad", wie es inzwischen heißt, von einer 900 Meter langen Hochwasserschutzmauer umgeben. Zählt man alle Schutzmauern zusammen, kommt man sogar auf drei Kilometer, die Neu-Ulm vor einem hundertjährigen Hochwasser bewahren sollen. Teil des Schutzkonzepts sind auch Deiche und mobile Elemente, die bei Hochwasser eingesetzt werden können. Mehr als sieben Millionen Euro haben die Stadt und der Freistaat Bayern bis 2008 investiert.
Für die Schwesterstadt Ulm leistet die historische Stadtmauer zunächst gute Dienste. In die Durchgänge können, wie auf bayerischer Seite, mobile Sperren eingesetzt werden. Die letzte größere Investition auf baden-württembergischer Seite stammt aus dem Jahr 2018, als in der Ulmer Friedrichsau ein zwei Kilometer langer Hochwasserdamm fertiggestellt wurde. Kostenpunkt: 2,3 Millionen Euro.
Denn eines gilt als sicher: Ein zweihundertjährliches Hochwasser in dem Ausmaß von 1999 wird die beiden Städte an der Donau irgendwann wieder heimsuchen. Vermutlich aber nicht erst in 200 Jahren. Dafür wollen Ulm und Neu-Ulm gewappnet sein.