Die Sache schien eindeutig. Als im Februar ein Lehrer der Sägefeldschule in Ulm-Wiblingen brutal niedergeschlagen wurde, waren die Rollen von Täter und Opfer schnell verteilt. Doch zwischenzeitlich sieht der Fall anders aus. Im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter wurde bekannt, dass auf dem Handy des Lehrers Nacktaufnahmen ehemaliger Schüler gefunden wurden.
Sägefeldschule steht unter Schock
Entsetzen, Fassungslosigkeit, Schockstarre - so wird die Stimmung bei einem Treffen beschrieben, das zwei Tage nach der Tat an der Sägefeldschule stattfand. Dort trafen sich Vertreter des Schulamtes, der Schulleitung, des Kollegiums und der Polizei. Die größte Sorge dabei war nach SWR-Informationen, ob der Täter noch einmal zuschlagen könnte. Immerhin machten an diesem Tag schon Gerüchte die Runde, ob das Opfer eine ganz besondere Rolle in dem Fall spielen könnte. Verifizieren ließen sich die Gerüchte noch nicht. Die Ermittlungen der Sonderkommission waren noch in vollem Gange.
Dass der Lehrer auch Täter sein könnte, das dürfte bei diesem Treffen, außer der Polizei, kaum jemand in Betracht gezogen haben. Es habe zunächst keine Hinweise darauf gegeben, heißt es vom zuständigen Schulamt in Biberach. Konkrete Antworten oder Stellungnahmen gibt es zu dem Fall so gut wie keine. Von allen Verantwortlichen oder zuständigen Behörden heißt es unisono: Es handelt sich um ein laufendes Verfahren - es gilt die Unschuldsvermutung.
Prozess am Landgericht Ulm Überfallener Lehrer soll Nacktbilder von Schülern besessen haben
Im Prozess wegen versuchten Totschlags an einem Lehrer in Ulm-Wiblingen ist das Opfer schwer belastet worden. Die Polizei fand auf seinem Smartphone kinderpornographische Inhalte.
Bürgermeisterin: Die "Informationen sind schrecklich"
In der Ulmer Stadtverwaltung fällt die Angelegenheit in das Ressort von Iris Mann. Schulsozialarbeit gehört zum Aufgabengebiet der Bürgermeisterin. Schriftlich lässt sie mitteilen: "Die Informationen [...] sind in der Tat schrecklich. Sie machen auch mich sehr betroffen." Und die Pressestelle des Rathauses ergänzt, dass es immer wieder im Umfeld von Abhängigkeiten und Gegenleistungen dazu kommt, dass solche Fälle lange unentdeckt bleiben - gezielt geschürt durch Angst und Scham.
Dies erklärt im Ansatz, warum der Austausch von Bildern zwischen dem Lehrer und 23 ehemaligen Schülern nicht früher aufflog. Ein Foto des Angeklagten findet sich unter den Bildern übrigens nicht.
Ermittlungen sind abgeschlossen
Gut acht Monate danach sind die Ermittlungen der Polizei längst abgeschlossen. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter läuft am Ulmer Landgericht. Dieser bestreitet die Tat. Von einem Racheakt gegenüber seinem früheren Lehrer will er nichts wissen.
Doch am dritten Verhandlungstag sagt ein Polizeibeamter aus. Er schildert, was auf dem Handy des Opfers gefunden wurde. Am selben Tag wird auch das Opfer, das in dem Prozess als Nebenkläger auftritt, vor Gericht angehört. Der Mann ist von dem Angriff noch immer gezeichnet. Er kann sich an den Vorfall nach eigenen Angaben nicht mehr erinnern.
Dem Opfer droht selbst eine Anklage
Möglicherweise sitzt der Lehrer aber bald selbst auf der Anklagebank. Denn die Staatsanwaltschaft Ulm hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses soll klären, ob der Lehrer trotz seiner Beeinträchtigungen verhandlungsfähig ist. Ein solches Gutachten wird in der Regel nur dann verlangt, wenn die Ermittlungsergebnisse auf eine Anklage hindeuten. Offenbar reichen die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft dafür aus. Der Anwalt des Lehrers hat der Staatsanwaltschaft schriftlich mitgeteilt, dass sein Mandant nicht verhandlungsfähig ist.
Der Prozess am Ulmer Landgericht um versuchten Totschlag wird Anfang Dezember fortgesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass es zu einem weiteren Prozess kommen wird. Die Anklage könnte dann auf sexuellen Missbrauch Schutzbefohlener lauten.