Ein ehemaliger Arzt der Donau-Ries-Klinik Donauwörth soll von 2017 bis 2018 mehr als 50 Patientinnen und Patienten mit Hepatitis C infiziert haben. Am ersten Tag des Prozesses gegen ihn am Landgericht Augsburg hat der 60-Jährige ein Geständnis abgelegt. Doch es bleiben viele Fragen offen.
Die bei Operationen übertragene Infektion streitet der 60-Jährige nicht ab, sagte aber: "Letztendlich ist es so, dass ich es nicht erklären kann, wie es dazu gekommen ist."
Im Detail ist noch unklar, wie es zu der Übertragung kam. Der Angeklagte, der inzwischen seine ärztliche Approbation zurückgegeben hat und Rentner ist, berichtete vor Gericht davon, dass er fast während seiner gesamten ärztlichen Karriere unter psychischen Problemen und einer Darmerkrankung gelitten habe.
Narkosearzt war süchtig
Damit er trotz seiner Erkrankungen arbeitsfähig bleibt, zweigte er dort die für OPs vorgesehenen Opiate ab und spritzte sie sich selbst. Einmal erwischte eine Krankenschwester den Mann im OP mit einer Nadel im Arm.
Der Narkosearzt war selbst an Hepatitis erkrankt, trug also den Virus in sich. Das Gericht will nun klären, wie dessen Blut in den Körper der Patienten gelangen konnte. Der 60-Jährige betonte, er habe die Utensilien eigentlich immer getrennt und die Hygienevorschriften eingehalten. Eine bewusste Infizierung der Patienten stritt er ab. "Das ist nicht der Fall", sagte er. Letztlich sei es ja auch nur bei 50 von 1.700 Patienten zu einer Übertragung gekommen, meinte er.
Fakt ist: Über 60 Menschen waren nach Operationen am Donauwörther Krankenhaus mit Hepatitis C infiziert. Bei 51 konnte nachgewiesen werden, dass sie sich an ein und derselben Quelle angesteckt haben, mutmaßlich beim Narkosearzt. Er soll an allen diesen Operationen beteiligt gewesen sein.
Damals ungewöhnlich viele Hepatitis-C-Fälle
Im Oktober 2018 war das Donau-Rieser Landratsamt erstmals mit einem Verdacht an die Öffentlichkeit gegangen. Auch, um potenziell betroffene Patientinnen und Patienten zu warnen, teilte die Behörde damals mit. Denn in den Wochen zuvor hatte es auffällig viele Hepatitis-C-Infektionen im Landkreis gegeben. Die Infektion mit dem Virus ist meldepflichtig und löst in vielen Fällen eine gefährliche Leberentzündung aus. Was allen Betroffenen gemeinsam war, dass sie in der Donau-Ries-Klinik Donauwörth operiert worden waren.
Genanalyse brachte Gewissheit
Das Gesundheitsamt schrieb damals alle betroffenen Patientinnen und Patienten an und forderte sie auf, ihr Blut testen zu lassen. Für 51 von ihnen konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass sie sich an ein und derselben Quelle infiziert hatten.
Hepatitis-Skandal: Ermittlungen langwierig
Danach folgten Jahre der Ermittlungen. Betroffene Patientinnen und Patienten mussten teils mehrmals befragt werden. In jedem einzelnen Fall galt es zu klären, wie, wann und wo die Ansteckung passiert sein könnte. Erst im Frühjahr 2021 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung in 51 Fällen.
Außerdem ist der Arzt wegen Unterschlagung angeklagt, weil er Präparate für sich selbst verwendet haben soll. Zudem steht er wegen eines Verstoßes gegen das Medizinproduktegesetz vor Gericht, weil er die Medikamente dabei verunreinigt haben soll.
Betroffene - endlich die Wahrheit erfahren
Weil das Landgericht noch umfangreiche Nachermittlungen forderte und ein weiteres Gutachten erstellt werden musste, zog sich die Eröffnung des Verfahrens hin. Zudem wechselte die Zuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft. Erst jetzt, nach fast fünf Jahren, haben die Betroffenen die Chance, mehr darüber zu erfahren, wie genau sie infiziert wurden.
Schadenssumme für Klinik geht in die Millionen
Am zweiten Verhandlungstag stand das Krankenhaus Donauwörth im Mittelpunkt. Die Schadenssumme sei immens, so Krankenhauschef Jürgen Busse vor Gericht. Er kommt auf mehrere Millionen Euro: Zum einen Schmerzensgeld beziehungsweise Schadensersatz. Hier hat die Haftpflichtversicherung der Klinik jedem der 51 Betroffenen bis zu 20.000 Euro bezahlt - dazu kommen noch einmal 30.000 bis 50.000 Euro für die teuren Medikamente gegen Hepatitis - auch dafür ist die Haftpflichtversicherung aufgekommen. Mit Folgen für das Krankenhaus: Jährlich müsse die Klinik allein wegen dieser Zahlungen rund eine Million Euro mehr Versicherungsprämie zahlen.
Die Strafkammer will nun in elf weiteren Verhandlungstagen zahlreiche Zeugen vernehmen, ein Urteil könnte es Mitte Juli geben. Bei einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung drohen dem Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft. Zivilrechtlich wurde der Skandal bereits aufgearbeitet. Zwei mit den Fällen betraute Anwälte sagten übereinstimmend, dass die 51 Patienten jeweils bis zu 20.000 Euro Schmerzensgeld bekamen. Es habe außergerichtliche Einigungen gegeben.