Die Stadt Lauchheim wirbt heutzutage mit dem selbst verliehenen Titel als "schönste Stadt im Ostalbkreis". Doch auch sie hat eine dunkle Seite in ihrer Vergangenheit. Die Stadt unter der Kapfenburg hat im Zweiten Weltkrieg von Zwangsarbeitern profitiert, häufig aus Polen. Eine Initiative aus Jugendlichen der Deutschorden-Schule und Mitgliedern der örtlichen Stolperstein-Initiative arbeitet diese Geschichte jetzt auf.
Die Stadt hilft. Sie öffnet bereitwillig ihr Archiv, um die Forschungsarbeit möglich zu machen. Was die jungen Forscher herausfinden, soll Teil eines großen Plans werden: Das Deutsche Polen-Institut plant die Einrichtung eines Museums in Berlin. Dort soll Erinnerungsarbeit geleistet werden – und der baden-württembergische Beitrag dazu ist die Geschichte der Zwangsarbeit in Lauchheim.
Es ist eine ungewöhnliche Exkursion, auf den Friedhof von Lauchheim. Sechs Schülerinnen und Schüler der Geschichts-AG versammeln sich um einen Gedenkstein, schreiben Namen ab, machen Fotos.
Doch manches an dem Stein ist auffällig. So steht hinter vielen Namen ein "verm.": vermutlich. Vermutlich aus Russland. Als die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg den Stein aufstellen ließ, da hatte man nicht viele Angaben über die Opfer von Zwangsarbeit. Woher sie kamen, diese Angaben waren nirgendwo erhalten. Und so entschied man sich, die Namen "nach Klang" einzelnen Nationalitäten zuzuordnen – auch heutiger Sicht falsch, sagt Gerold Wenzel, Lauchheimer Organisator des Projekts: "Also auch eine Aufgabe für uns, zu gucken, kommen die wirklich da her, wie sie auf der Tafel sind, und da graben wir praktisch in der Tiefe und gucken, ob die Daten auch so korrekt sind."
Zeitzeugen befragen, Archive aufarbeiten, Spuren vor Ort suchen - das ist die Arbeit der Lauchheimer Initiative. Peter Maile, Mitglied der örtlichen Stolpersteininitiative und Heimatforscher aus Lauchheim: "Es wurden Verbote ausgesprochen", sagt er. "Polen durften nicht am gleichen Mittagstisch sitzen, sondern mussten separat essen, sie durften auch nicht in Gottesdienste gehen. Das haben ältere Lauchheimer mir auch erzählt, aber es ist immer sehr vorsichtig erzählt worden.“
Wie viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Polen tatsächlich in Lauchheim waren, das ist bis heute unklar. Menschen aus dem Osten, die nach Deutschland gezwungen wurden, zählten nicht viel.
Polnische Zwangsarbeiter: Die Rolle des Krankenhauses
Eine unschöne Rolle scheint das Krankenhaus gespielt zu haben, heute ein Seniorenheim, damals von Ordensschwestern geleitet, die hier auch die sogenannte "grüne Baracke" betrieben.
Ein örtlich abgesetztes Gebäude, in das, falls überhaupt, die Zwangsarbeiter kamen. Sie scheint eher ein Ort des Sterbens als ein Ort des Lebens gewesen zu sein. Das "Krankenbuch für Ausländer" gibt darüber Auskunft, heute im Archiv der Stadt aufbewahrt. Auch hier durfte die Arbeitsgruppe forschen und Namen abgleichen, mit dem Ziel, Schicksale ans Licht zu bringen.
Eine nach Lauchheim verschleppte Polin: Eins von vielen Schicksalen
Wie das Schicksal von Cäcilia Chernowska. Die Polin war 1940 gemeinsam mit ihrem Mann nach Lauchheim verschleppt worden, zur Arbeit in der Landwirtschaft. In der "grünen Baracke" brachte sie ihre Tochter Ursula zur Welt, im Jahr 1942. Das ist vermerkt, "Kind: Ursula", und nur deshalb ist ihre Geschichte auch erhalten. Menschen zweiter Klasse, solange sie in Deutschland waren.
Warum die Informationen derartig mager sind, ahnt die Lauchheimer Bürgermeisterin Andrea Schnele (parteilos), die den jungen Forscherinnen und Forschern das Stadtarchiv geöffnet hat: "Da ist bewusst, glaub ich einfach, auch vernichtet worden. Damit man es nicht nachlesen kann. Weil es eben nicht erfreulich ist.“
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs siedelte die Familie wieder nach Polen zurück, Tochter Ursula kam allerdings wieder nach Lauchheim, um dann wieder in Polen einen Sohn zur Welt zu bringen, der heute wieder im Raum Lauchheim lebt. Von den Nationalsozialisten entwurzelte Menschen.
Projekt soll Schicksale der Zwangsarbeiter an Licht bringen
Diese Schicksale ans Licht zu bringen, ist auch Ziel des Deutschen Polen-Instituts. Eigens angereist ist von dort Jakub Stanczyk: "Mir als Projektkoordinator von einem erinnerungskulturellen Projekt ist tatsächlich das Interesse der jungen Menschen am wichtigsten, das ist heutzutage das Einzige, das diese Erinnerung auch lebendig erhalten kann."
Die Arbeit der AG ist derzeit abgeschlossen, auch wenn die Forschung noch nicht am Ende ist. Lohn für die mühevolle Kleinarbeit der Jugendlichen ist jetzt zunächst mal ein Zertifikat vom Deutschen Polen-Institut, und das Wissen, einen Beitrag gegen das Vergessen geleistet zu haben.