Die Industrie- und Handelskammer Ulm (IHK) hat am Donnerstag ihren Konjunktbericht 2024 vorgestellt. Das Fazit: Industrie und Handel schwächeln weiter.

Region bestätigt bundesweiten Trend

Wirtschaft in Ulm: Industrie und Handel schwächeln

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Hannah Schulze
Hannah Schulze

Die IHK Ulm bestätigt den bundesweiten Trend: Auch die regionale Wirtschaft schwächelt. Erstmals seit der Corona-Krise geht es wieder mehr Betrieben schlecht als gut.

Die Bundesregierung geht von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent in diesem Jahr aus. Diese Ergebnisse hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Es wäre das zweite Rezessionsjahr in Deutschland. Auch in der Region in und um Ulm bestätigt sich dieser Trend, wie die Industrie- und Handelskammer Ulm am Donnerstag in ihrem Konjunkturbericht bekannt gab.

Hendrik Mächler betreibt seit 2015 den kleinen Geschenkeshop "Gutes von hier" in der Ulmer Innenstadt, seit 2020 eine weitere Filiale in Biberach. Auch er kann bestätigen: Seine Umsätze sinken. Beim "stationären Geschäft", wie er es nennt, verzeichnet er einen Rückgang von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Kein guter Trend. Denn drei Viertel seines Umsatzes läuft über die Läden.

Und ihm gehe es im Vergleich zu seinen Kollegen noch gut: 85 Prozent der Einkäufe im "Gutes von hier" seien Geschenkkäufe, also Einkäufe für andere. "Die Menschen sparen als erstes an sich selbst. Der Wintermantel kann auch im nächsten Jahr noch getragen werden. Keine Geschenke zu verschenken - diese Blöße gibt sich niemand", sagt der Inhaber.

Firmenkundengeschäft läuft besser als im Vorjahr

Dass Mächler in diesem Jahr trotzdem nur mit "einer kleinen Delle" davon kommt, ist mehreren Standbeinen zu verdanken. Zum einen betreibt er einen Online-Shop. Zum anderen hat er viele Firmen als Kunden, die gute und zuverlässige Abnehmer von Geschenken sind. Und das Firmenkundengeschäft laufe besser als im Vorjahr. "Wenn ich, wie viele meine Kollegen, nur meinen Laden in den Innenstadt betreiben würde, wäre mir sehr mulmig", beschreibt Hendrik Mächler die wirtschaftliche Lage im Einzelhandel.

Die IHK Ulm sowie Vertreter aus Handel und Industrie haben am Donnerstag den aktuellen Konjunkturbericht vorgestellt.
Die Industrie- und Handelskammer Ulm hat ihren aktuellen Konjunkturbericht vorgestellt. Präsentiert wurden die Zahlen von (von links nach rechts): Julian Utz von Utzin Utz als Vertreter für die Industrie, Hendrik Mächler vom Laden "Gutes von hier" für den Handel, Jan Stefan Roell von ZwickRoell und Präsident der IHK Ulm, Petra Engstler-Karrasch, IHK Ulm Hauptgeschäftsführerin sowie ihrem Stellvertreter Jonas Pürckhauer.

IHK: Sinkende Inlandsnachfrage, steigende Bürokratie

Auch die Industrie steht nicht besser da. Julian Utz von der Utzin Utz berichtet von einem Umsatzrückgang von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Themen wie Zinswende, steigende Materialkosten und steigende Energiepreise machen seiner Branche zu schaffen.

IHK-Präsident Jan Stefan Roell berichtet, dass seinem Maschinenbauunternehmen vor allem zwei Faktoren zu schaffen machten: Zum einen die sinkende Inlandsnachfrage - "Wenn man den Export nicht hat, dann ist das schlecht", so der Vorsitzende von ZwickRoell. Und zum anderen die Hürden der Bürokratie: Sein Unternehmen habe allein einen Millionenbetrag zahlen müssen, um sogenannte European Sustainability Reporting Standards umzusetzen. Eine Umsetzungsvorschrift, die der Nachhaltigkeitsberichterstattung dient.

IHK-Bericht: "Stimmungseinbruch auf breiter Front"

Die am Donnerstag vorgestellten Erfahrungsberichte von Utzin Utz, ZwickRoell und Mächle sind nur drei Beispiele, die den Konjunkturbericht der IHK Ulm unterstreichen: "In der aktuellen Umfrage unter unseren Unternehmen im Herbst ist die Stimmung tatsächlich nochmal deutlich in den Keller gegangen", sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, Jonas Pürckhauer.

Erstmals seit der Corona-Krise gehe es nun wieder mehr Betrieben schlecht als gut. "50 Prozent unserer Unternehmen klagen über Umsatzeinbußen. Mehr als 30 Prozent gehen davon aus, dass sich ihre Geschäftssituation noch weiter verschlechtern wird", so Pürckhauer. 36 Prozent planen eine Reduzierung der Beschäftigten - "eine ganz neue Zahl", sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Engstler-Karrasch. Denn bislang hätten Unternehmen alles dafür getan, um an ihren Beschäftigten festzuhalten.

Die großen Herausforderungen in und um Ulm

Weiterhin eine der größten Herausforderungen für die Unternehmen ist demnach der Fachkräftemangel. In der IHK-Region Ulm fehlen für den Zeitraum 2023 bis 2035 etwa 23.600 Fachkräfte, davon rund 21.500 Nicht-Akademiker.

Außerdem sinke das Vertrauen in die Energiewirtschaft und -politik. "Für die Wirtschaft ist Unsicherheit das Schlimmste", sagt Roell. Das merke man vor allem an einem Punkt: Eines von fünf Unternehmen würden Investitionen für das Inland zurückstellen, um Investitionen im Ausland zu tätigen. "Und das macht mir Sorge", so Roell. "Wir brauchen ein qualitatives und quantitatives Wachstum hier im Land."

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Der aktuelle Konjunkturbericht der IHK Ulm gibt auch keine Entwarnung für die anstehenden Monate: Die Auftragsbücher füllten sich nicht, für die kommende Zeit sei keine Entlastung in Sicht. 90 Prozent der Unternehmen im Bereich der Industrie- und Handelskammer Ulm melden zurück, dass sie eine gleichbleibende und teils sogar schlechtere Lage erwarten.

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