Die Nachricht schlug Ende Oktober ein wie eine Bombe: Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will mehr als 40 seiner Filialen schließen. Damit begann das große Zittern, auch in Ulm. Im Laufe des Januars 2023 soll sich die Zukunft auch der Ulmer Filiale entscheiden. Claudia Bender ist die dortige Betriebsratsvorsitzende und spricht im Interview über Ängste und Sorgen der Belegschaft.
SWR Aktuell: Frau Bender, Sie sind seit seit 44 Jahren bei Galeria, damals noch Horten - wie groß ist die Verunsicherung bei Ihnen im Haus?
Claudia Bender: Persönlich muss ich gestehen, dass es mir wirklich beschissen geht. Meine Hilflosigkeit, dass wir in diesem ganzen Horrorpaket das Gefühl haben, nichts bewegen zu können. Wenn ich an all meine Kolleginnen und Kollegen denke, die ich ja über viele, viele Jahre kenne. Wenn ich in die Gesichter gucke, wenn ich durchs Haus laufe, blutet mir wirklich das Herz - die ganze Unsicherheit, nicht zu wissen, wie geht es weiter? Bleibt der Standort Ulm erhalten? Haben unsere Leuten noch einen Arbeitsplatz? Da hängen unheimliche Existenzängste dahinter. Wir haben ja auch Familien, die dann doppelt in Gefahr gebracht werden. All das belastet mich extrem.
SWR Aktuell: Bei der letzten Insolvenz, gerade mal vor zwei Jahren, da hat Galeria Kaufhof schon ein Drittel der Stellen in Ulm gestrichen: von rund 150 auf 100. Schauen sich da manche vorsorglich nach einer neuen Arbeit um?
Bender: Das Problem damals war, dass sie wirklich in den zwei Jahren 48 Stellen abgebaut haben. Das hat in der Zeit für eine extreme Belastung bei den Kolleginnen und Kollegen gesorgt, mit dieser Besetzung bedienen und beraten zu können. Jetzt ist eben die Unsicherheit wirklich ein großer Faktor, dass der eine oder andere jetzt schon sagt: "Wir haben keine Zukunft". Und dass der eine oder die andere Kollegin sehr wohl nachdenken muss, sich einen anderen Job zu suchen.
SWR Aktuell: Wie gut stehen denn die Chancen, dass der Standort Ulm, die Filiale in Ulm, doch erhalten bleibt? Es hieß ja lange, da liefen die Geschäfte noch relativ gut.
Bender: Also die Hoffnung stirbt ja Gottseidank zuletzt. Auch bei mir ist die Hoffnung noch nicht gestorben. Das ist die große Unsicherheit, dass wir die Kriterien, nach welcher Auswahl sie vorgehen, nicht kennen - noch nicht kennen.
SWR Aktuell: Jetzt gibt es Stimmen, die sagen, dass Großkaufhäuser wie Galeria Kaufhof in Zeiten des Internets eher Dinosaurier ähneln, die eben aussterben müssen.
Bender: Da habe ich eine völlig andere Meinung. Ich sage nach wie vor, dass das Warenhaus eine Zukunft hat. Aber, das Warenhaus muss man richtig aufstellen. Und wenn ich mich vom Internethandel abheben möchte, dann bedarf es in einem Warenhaus Bedienung und Beratung. Das wäre unser Riesenservice, den wir mit mehr Personal wirklich erreichen könnten: Wo man reinkommt, alles unter einem Dach findet - dass wir wirklich eine Zukunftschance als Warenhaus auch hier in Ulm haben. Und das gilt für viele Städte - also für mich hat das Warenhaus nach wie vor Zukunft.