Der politische Unmut im Land ist groß. Und keine Partei bekommt das derzeit mehr zu spüren als die Grünen. Harscher Protest kommt von den Bauern, von Rechtsaußen sowieso, aber auch aus der bürgerlichen Mitte. Lena Schwelling, die Ulmer Stadträtin und Landesvorsitzende der Grünen, und der Gmünder Kreisvorsitzende Dario Thiem, haben auf SWR-Anfrage Stellung bezogen, warum die Partei derart im Fokus steht.
In Biberach musste der Politische Aschermittwoch der Grünen aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. In Schorndorf wurde die Bundesvorsitzende der Grünen und Gmünder Bundestagsabgeordnete, Ricarda Lang, beschimpft und bei der Abreise behindert. Seit Jahren schon entlädt sich Hass und Häme gegen Grüne im Netz. Und die Eskalation geht immer weiter.
In Biberach hat sich am Aschermittwoch die Situation derart zugespitzt, dass die Veranstaltung der Grünen abgesagt wurde. Live vor Ort hat Reporterin Iris Volk berichtet:
Schwelling: Angriff gegen den Staat, nicht nur gegen die Grünen
Lena Schwelling, Ulmer Stadträtin und Landesvorsitzende der Grünen, merkt an, dass die Ereignisse in Biberach nicht nur ein Protest gegen grüne Politik waren, sondern "ein Angriff auf den Staat als Ganzes". Rettungskräfte und Feuerwehr wurden behindert, es wurden Polizisten angegriffen.
Grüne Selbstkritik: "Haben den Bogen an der einen oder anderen Stelle überspannt"
Gleichwohl gesteht die Landesvorsitzende auch Fehler ein, die die Grünen gemacht hätten: Jahrelang haben die Grünen politische Themen gesetzt, meint Schwelling, Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit hätten den Zeitgeist geprägt. Und da müssen sich die Grünen fragen, ob sie "nicht an der einen oder anderen Stelle den Bogen überspannt haben. Und die Absolutheit, mit der wir manchmal unsere Überzeugungen wie eine Monstranz vor uns hergetragen haben, viele Menschen vor den Kopf gestoßen hat".
Die Selbstkritik von Schwelling geht noch weiter: Das Image der "Besserwisser-Partei" hätten die Grünen mitzuverantworten. Viele Menschen befürworteten den Klimaschutz, so Schwelling. Aber die Partei habe auf dem Weg zu entsprechenden Maßnahmen viele Menschen verloren. Denn "wenn das Gefühl entsteht, wir regieren in den Heizungskeller hinein, dann löst das Widerstand aus".
Die Grünen müssten wieder lernen, nicht nur Entscheidungen zu treffen, sondern diese auch zu begründen und zu erklären, "nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe".
Hetze gegen Grüne von der rechten Szene
Dass die Grünen so viel Hass und Häme auf sich ziehen, ist also zu einem Teil ein hausgemachtes Problem. Verstärkt wird die Hetze aber auch von der rechten Szene. Das belegen Posts auf der Plattform Telegram. Darüber hat zuerst der Zeitungsverlag Waiblingen berichtet.
Demnach wurde in Telegram-Kanälen der "Querdenker"-Szene schon Anfang Februar in einem ironischen Ton dazu aufgerufen, zum Politischen Aschermittwoch der Grünen nach Biberach zu kommen. In weiteren Chats aus der "Querdenker"-Szene werden Details bekanntgegeben, wie man systematisch Störer einschleust und positioniert, um die Veranstaltung in Biberach zu blockieren.
Mehr als ein Dutzend Fälle Proteste in Biberach: Ermittlungen gegen mehrere Verdächtige
Für viele mutmaßliche Beteiligte des eskalierten Protests in Biberach gibt es ein juristisches Nachspiel. Ermittler gehen bislang gegen mehr als ein Dutzend Personen vor.
Auch die Polizei Ulm bestätigt, dass sie in den sozialen Medien ermittelt, um die Ereignisse in Biberach nachzuvollziehen und neue Erkenntnisse zu erlangen. Ob die Störaktionen in Biberach überregional organisiert wurden, kommentiert die Polizei nicht - mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen.
Schwelling: Grüne "jagen von einem Mitgliederrekord zum nächsten"
Seit den Ereignissen in Biberach und während der bundesweiten Demonstrationen gegen Rechts interessierten sich auffällig viele Menschen für eine Parteimitgliedschaft bei den Grünen. "In dem Zeitraum, seit das ist, ist die Mitgliederzahl doch deutlich hochgegangen", berichtet Dario Thiem, der Kreisvorsitzende der Grünen aus Schwäbisch Gmünd.
Und die Landesvorsitzende Lena Schwelling bestätigt: "Wir jagen quasi von einem Mitgliederrekord zum nächsten. Wir haben im Kreisverband Ulm so viele Mitglieder wie noch nie zuvor. (...) Die vielen Eintritte in unserer Partei geben natürlich an der Basis richtig Rückenwind. Und deswegen dürfen wir trotz allem Hoffnung haben."