Zum 100. Geburtstag von Rudolf Dentler

Der "König von Ulm" - warum sich Goldschmied Dentler selbst krönte

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Autor/in
Anita Schlesak
Anita Schlesak

Rudolf Dentler, der "König von Ulm", hat in Paris, New York und bei Königin Elisabeth in London ausgestellt. Das Stadthaus und seine Familie feiern den 100. Geburtstag des Künstlers.

Er hat seine außergewöhnlich originellen Schmuckstücke in Paris, New York, Tokio und Moskau ausgestellt. Sogar Queen Mum, Königin Elisabeth, lud ihn 1961 nach London ein. Rudolf "Rex" Dentler, der international renommierte Künstler und Goldschmied aus Ulm, wäre am 18.Dezember 100 Jahre alt geworden. Das Stadthaus in Ulm rollt für ihn den roten Teppich aus und zeigt eine Ausstellung mit Fotos und Videos über sein Leben.

"Der König von Ulm" thronte in seiner Goldschmiede

Mitten im historischen Ulmer Fischerviertel steht zwischen Fachwerkhäusern bis heute Dentlers urige Goldschmiedewerkstatt, ursprünglich nur ein einziger Raum von etwa 20 Quadratmetern. An dem maßgeschreinerten Tisch aus massivem Eichenholz mit drei Arbeitsplätzen, jetzt ausgestellt im Stadthaus Ulm, hat Rudolf Dentler in den Anfangsjahren noch in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) seinen ersten legendären Silberring hergestellt. Ein Ring wie ein Konglomerat: aus vielen zusammen geschmiedeten Kettengliedern gekrönt von Zahngold und einer Perle.

Die Nachbarschaft in Blaubeuren brachte ihm lauter alte Halsketten, erinnert sich die Witwe Gisela Dentler, Anfang 80. Die Leute fragten ihn, ob er nicht was Tolles daraus machen könne. "Dann hat er diese Kettenreste und die Zahnplomben genommen und hat daraus Schmuck gemacht", weiß die Witwe, die ihren Beruf als Buchhändlerin aus Liebe zu dem 18 Jahre älteren Rudolf an den Nagel hängte und sich von ihm auch zur Goldschmiedin ausbilden ließ.

Mit den "Schrotterien" Erfolg bei der Queen

Dentlers "Schrotterien" - wie er sie selbst augenzwinkernd nannte - schmiedete er gewissermaßen aus Schmuckschrott, nicht eingeschmolzen und glänzend poliert, wie vor 60 Jahren üblich. Die Einzelteile blieben sichtbar, eben transformiert. Upcycling, lange bevor es das Wort gab. Damit landete der Schmuckpionier 1961 sogar bei Ihrer Majestät in London und wurde wie Picasso, Miro und andere namhafte Künstler persönlich zur Ausstellung nach London eingeladen: sein internationaler Durchbruch.

Innovativer Schmuck aus der Goldschmiede

Nach dem Umzug aus Blaubeuren 1969 wird das Atelier in Ulm zum illustren Treffpunkt, auch von Forschern und Studierenden der neu gegründeten Universität - und das sorgt für manche Inspiration, erklärt Tochter Ira Dentler, 44. "Er hat einen Professor kennengelernt und durfte dann mal durchs Mikroskop gucken und hat so entdeckt, wie unsere Augenzellen aussehen." Aus dieser Faszination entstand eine eigene Kollektion, die man im Original im kleinen Privatmuseum neben der Goldschmiede bestaunen kann.  

Natürlich wollte er das Silber zum Leben erwecken, dabei ist ganz viel mit Struktur entstanden. Es sollten Kunstwerke sein, die man tragen kann.

Viele Ulmerinnen und Ulmer kennen noch die auffällige Erscheinung des exzentrischen Künstlers, der - wie könnte es anders sein - in der Gold- und Silberstadt Pforzheim geboren wurde: 1924 als neuntes von zehn Kindern. Nach Hungerjahren als junger Soldat der Wehrmacht und mageren Nachkriegszeiten feierte Dentler seinen internationalen Erfolg und krönte sich zum 60. Geburtstag selbst zum "König von Ulm".

Dentler krönt sich mit 60 selbst zum König

Fortan zeigte er sich in der Stadt gerne mit purpurnem Hütchen, Krone und königlichem Umhang oder thronte in seinem Laden mit riesigem Schaufenster. Wenn Besuchergruppen die Altstadt besuchten, erinnert sich Stadtführerin Hannelore Schüngel, "dann hat er seine Krone aufgesetzt, ist von seinem Thron aufgestanden und hat ganz majestätisch zu den Gästen gewinkt." Sie seien dann immer ganz begeistert gewesen, "was wir in Ulm für einen tollen König haben", so Schüngel.   

Dabei war der Wahl-Ulmer ein sozialer Zeitgenosse mit philosophischer Ader, betont Tochter Ira Dentler. Seine Krönung sei keineswegs anmaßend gewesen, er wollte schlicht, "dass jeder sein eigener König sein soll, der im Leben was geschaffen hat", betont die 44-Jährige. "Er zum Beispiel hat den Krieg überlebt, aus Nichts die Werkstatt aufgebaut und das wollte er eigentlich symbolisieren." 

Ballettfigur Sophitia entsteht aus Liebe zum Tanz

Der selbst ernannte "König von Ulm" zeigte sich auch jeden Mittwoch tanzend in seiner Goldschmiede. An der eigenen Ballettstange zelebrierte Rudolf "Rex" Dentler, wie er sich auch gerne nannte, die eleganten Übungen und tanzte auch mal mit seinen Lehrlingen am liebsten zu Mozart, erinnert sich Tochter Ira. "Als Prinzessin" sei sie in der Schule auch schon mal gehänselt worden, aber später fand sie das alles eher witzig, beteuert sie. Aus Liebe zum Tanz schmiedete das Ulmer Original auch seine "Sophitia" aus Stahl, die bis heute am Theater Ulm ihre luftigen Spagat demonstriert.

Am Schwörmontag Thronreden in luftiger Höhe

Seine Philosophie hat der "König von Ulm" in zwanzig Thronreden unters Volk gebracht, hintergründig und mit feiner Ironie gewürzt. Gehalten hat er sie am Schwörmontag alternativ zur traditionellen Rede des Oberbürgermeisters auf seinem zweiten Thron an der Hausfassade in luftiger Höhe, und zwar bis zu seinem plötzlichen Tod 2006. Schon deshalb ist "Diogenes mit der Lötlampe" als Titel der Ausstellung zum 100. Geburtstag sehr passend. Sie ist im Stadthaus Ulm bis zum 12. Januar zu sehen. Die Schmuckstücke im Original kann man in der Goldschmiedewerkstatt Dentler im Fischerviertel bestaunen.

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