Ein 32-Jähriger steht wegen schweren Raubes in Blaustein vor dem Landgericht in Ulm.

Opfer berichtet von der Tat

Schwerer Raub in Blaustein: "Ich wollte, dass es vorbei ist"

Stand
Autor/in
Dennis Bechtold
SWR-Aktuell Redakteur Dennis Bechtold

Drei Männer sollen bei einem schweren Raubüberfall in Blaustein eine junge Frau verletzt haben. Ein 32-Jähriger muss sich seit Montag vor dem Ulmer Landgericht dafür verantworten.

Ein 32-jähriger Mann steht seit Montag wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Ulm wirft ihm vor, gemeinsam mit zwei weiteren Personen, gewaltsam in ein Haus in Blaustein eingedrungen zu sein, um dort Geld und Wertgegenstände zu stehlen. Bei dem Raubüberfall sollen sie die damals 25-jährige Bewohnerin unter anderem bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und mit einem Pfefferspray schwer an den Augen verletzt haben.

Opfer erzählt ausführlich von der Tat

Nervös und unter Tränen betritt eine junge Frau kurz vor Mittag den Verhandlungssaal im Ulmer Landgericht. Unsicher nimmt sie vor der Kammer Platz. Sie ist das heute 28 Jahre alte Opfer, das im Juni 2022 bei einem brutalen Raubüberfall schwer verletzt wurde. Sie kämpft mit der Situation, mit dem Angeklagten in einem Raum zu sein, gesteht sie gleich zu Beginn ihrer Befragung.

Ergriffen erzählt sie dann, wie sie die Tat erlebt hat. Ihre Eltern waren gerade außer Haus, als ein vermeintlicher Paketbote bei ihnen klingelt. Sie öffnet die Tür, zu diesem Zeitpunkt soll nur einer der Täter dort gestanden haben - mit dem Rücken zu ihr. Er zeigt auf einen kleinen Schriftzug auf dem Paket in seiner Hand, sodass sich das Opfer nach vorne beugen muss.

Ein 32-Jähriger steht wegen schweren Raubes in Blaustein vor dem Landgericht in Ulm.
Der Prozess um den schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung wird vor dem Ulmer Landgericht verhandelt.

Schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung: Erst Würgen, dann Pfefferspray

Diesen Moment nutzt der Täter aus, zerrt das Opfer in den Flur und würgt es mit beiden Händen bis zur Bewusstlosigkeit, erinnert sich die 28-Jährige, die sich bei ihren Erzählungen immer wieder kurz sammeln muss. Auf dem Boden sitzend erlangt sie wieder ihr Bewusstsein und schreit nach ihrem Vater. Daraufhin sprüht einer der mittlerweile drei maskierten Täter im Haus ihr mit einem Pfefferspray ins Gesicht.

Ein Anderer versucht sie zu fesseln, doch sie wehrt sich erfolgreich, sodass sie dann bis zum Ende der Tat in den Schwitzkasten genommen wird. Die drei Männer wollen von ihr wissen, wo im Haus Geld versteckt ist. Sie führt einen der Täter zu ihrem Geldbeutel und holt rund 900 Euro heraus, was er aber ablehnt. Im Schlafzimmer der Eltern im Obergeschoss finden die Täter dann Uhren im Wert von mehr als 20.000 Euro.

"Krach" vertreibt die Täter

Für die drei Männer wohl nicht genug. Wieder fragen sie das Opfer nach Geld, gehen jetzt brutaler vor, erzählt die junge Frau, die immer wieder in Tränen ausbricht und auch um eine kurze Befragungspause bittet. Zehn Minuten bekommt sie, um sich wieder zu sammeln. Danach führt sie mit zittriger Stimme weiter aus.

In dem Moment wollte ich einfach nur, dass er zusticht, weil ich wollte, dass es vorbei ist.

Einer der Täter zieht ein Teppichmesser und hält es an ihren Hals. Sie solle sagen, wo das Geld ist, sonst töte er sie. "In dem Moment wollte ich einfach nur, dass er zusticht, weil ich wollte, dass es vorbei ist.“ Kurz darauf lässt die drei Täter aber "Krach" aufschrecken, vermutlich vom Nachbarsgrundstück. Alle drei rennen panisch aus dem Haus und lassen das Opfer mit vom Pfefferspray brennenden Augen zurück. So beendet die Frau aus Blaustein die Erzählungen aus ihrer Perspektive an die Tatnacht. 

Junge Frau leidet bis heute an den Folgen des Raubes

Zwei Jahre nach der Tat leidet das Opfer noch immer an den Folgen. Sie berichtet von Ängsten und Panik, wenn sie ihre neue Wohnung verlässt. Sie leidet an Schlafstörungen, wird seit dem Raubüberfall auch psychologisch behandelt. Das Elternhaus sei kein sicherer Ort mehr für sie. "Ich ekel mich, wenn ich da bin. Es ist das Gefühl, die Leute sind auch da."

Auch mit ihren Augen hat sie noch immer Probleme. Nach der Tat musste sie mehrere Wochen stündlich Augentropfen nehmen. Das Pfefferspray führte wohl zu einer Einblutung in Binde- und Schleimhäute, so der im Gericht anwesende Rechtsmediziner. Das Opfer klagt seitdem über eine Art "Schleier" über den Augen. Vor allem wenn sie sich lange auf eine Stelle konzentrieren muss, sehe sie den ganzen Tag nur noch verschwommen. Ihren Beruf als selbstständige Kosmetikerin musste sie deshalb aufgeben.

Angeklagter räumt Teile der Tat ein

Nur einer ihrer Peiniger steht am Montag vor Gericht. Den 32-Jährigen hatten die Behörden in Großbritannien gefasst. Er war noch am Tattag mit seiner Familie dorthin abgehauen. Die anderen Täter sind noch auf der Flucht.

Zu Beginn des Prozesses durfte sich wie üblich der Angeklagte zu den Vorwürfen äußern. Über seinen Verteidiger ließ er eine Entschuldigung und eine Erklärung vorlesen, in der er Teile der Tat gestand. Er sei in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen.

Allerdings sei es nie seine Absicht gewesen, jemanden zu schädigen. Er hätte von dem Pfefferspray nichts gewusst und auch nicht, dass sich womöglich jemand in dem Haus befände. Mehr wolle er zur Tat aber nicht sagen. Auch nicht auf die Nachfrage des Vorsitzenden Richters, ob der Trick mit dem Paketboten nicht etwa ein Hinweis darauf sei, dass sich vielleicht doch Personen in dem Haus befinden könnten.

Ein 32-Jähriger steht wegen schweren Raubes in Blaustein vor dem Landgericht in Ulm.
Ein 32-Jähriger steht wegen schweren Raubes in Blaustein vor dem Landgericht in Ulm. Zu Prozessbeginn legt er über seinen Verteidiger ein Teilgeständnis ab.

Aufschlussreicher waren die Worte des psychiatrischen Gutachters, der sich vorher mit dem Angeklagten getroffen hatte. Er führte aus, dass der 32-Jährige wohl hohe Schulden bei seinem Drogendealer hatte. Dieser habe ihm dann gedroht, ihn und seine Familie umzubringen, sollten die Schulden nicht beglichen werden. Alternativ könne er aber auch die Schulden begleichen, in dem er sie zu einem Haus begleite - dem späteren Tatort.

Eine vierte Person habe die drei mutmaßlichen Täter gefahren. Unterwegs sollte der Angeklagte noch einen Karton zu dem vermeintlichen Paket falten. Am Tatort angekommen sei dann sein Drogendealer schnell zur Haustüre gegangen und hätte geklingelt. Als der Angeklagte selbst an der Tür ankam, hätte der Dealer bereits das Opfer am Hals gepackt.

Die große Frage im Prozess: Welche Rolle spielte der Angeklagte?

Welchen Teil der Angeklagte bei dem Überfall letztendlich übernommen hat, kommt am ersten Prozesstag aber nicht eindeutig heraus. Das mache den Fall auch so schwierig, so Verteidiger Michael Menzel. "Wir wissen nichts von den anderen Tätern. Mein Mandant ist jetzt derjenige, der vor Gericht steht." Nun gelte es in den kommenden Terminen herauszuarbeiten, für was der Angeklagte wirklich verantwortlich ist. Am 7. Oktober geht der Prozess weiter.

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