Der Ärger ist groß in Bermaringen, einem Stadtteil von Blaustein im Alb-Donau-Kreis: Den rund 20 Haushalten in der Wiesenstraße ist ein Abwasserbescheid ins Haus geflattert, genauer: ein "Abwasserbeitragsbescheid". Demnach müssen sie jetzt einmalig eine vierstellige Summe zahlen. Grund: Eines der Häuser in der Straße wird aufgestockt - und dieses eine Stockwerk wird für die ganze Nachbarschaft teuer, weil dazu der Bebauungsplan für die gesamte Wiesenstraße geändert wurde.
Ärger auch über fehlende Vorab-Information
"Keiner hier will das zahlen", "ich habe diesen Brief nicht mal verstanden", "das kam ohne Vorwarnung" - so und ähnlich äußern sich Anwohnerinnen und Anwohner aus der Wiesenstraße zu dem Bescheid, der unerwartet im Briefkasten lag. Sie möchten anonym bleiben. So groß der Ärger auch ist, niemand möchte Streitereien in dem dörflichen Ortsteil mit rund 1.300 Einwohnern. Hier kennt praktisch jeder jeden.
Dem Brief habe nicht einmal ein Anschreiben beigelegen, erzählt einer der Anwohner. Nur ein Papier mit Paragraphen, der Herleitung der Kosten und der Zahlungsaufforderung lag darin. Die Beitragshöhe bemisst sich an der Fläche der erlaubten Geschosse, nicht der tatsächlich vorhandenen. Und die Höhe ist für viele happig. In einem der Schreiben steht als zu zahlender Betrag 1.066,07 Euro. Auch deutlich höhere Beträge, bis knapp 2.000 Euro, sind dabei - aus Sicht der Anwohner für nichts. Neben der Höhe ist es aber auch das Unpersönliche und Unerwartete, das für Unmut sorgt.
Ausgerechnet der Bau der Ortsvorsteherin löst Kosten aus
Die Häuser in der Wiesenstraße sind in den 70er-Jahren gebaut worden. Der Bebauungsplan sah damals nur einstöckige Gebäude vor. Doch 2023 wollte eine Hausbesitzerin in der Straße, die Ortsvorsteherin, ihr Haus aufstocken und stellte einen Bauantrag. Die Gremien stimmten zu. Der Pferdefuß: Für die Aufstockung wurde der Bebauungsplan für das Gebiet geändert. Jeder in der Straße darf nun sein Haus aufstocken.
Genau diese Möglichkeit des Aufstockens wird nun aber für alle Anwohner teuer. Mehr mögliche Geschosse bedeutet mehr mögliche Wohnfläche und mehr mögliches Abwasser. Ergebnis: Es werden einmalige Erschließungskosten für Abwasser fällig.
Höherer Abwasserbescheid, weil ein weiteres Stockwerk erlaubt ist
Ortsvorsteherin Hilde Mayer hätte ihre Aufstockung gern objektbezogen umgesetzt, also, ohne den Bebauungsplan für alle zu ändern. Doch dann ist das Areal durchleuchtet worden, so die Ortsvorsteherin. Es stehe nur bedingt Baufläche zur Verfügung, Ziele seien Null Flächenverbrauch und Nachverdichtung. So entschied sich der Gemeinderat mit Blick in die weitere Zukunft für eine Änderung des Bebauungsplans. Das Thema Abwassergebühren sei erst am Ende des Prozesses dazu gekommen, so Mayer.
Auch die Stadt Blaustein hat wenig Handhabe. Wie Bürgermeister Konrad Menz dem SWR sagte, habe man in der Sache keinen Spielraum. Rechtlich sei die Forderung nicht zu beanstanden. Zudem bilde die mögliche Aufstockung auch einen Mehrwert für die Hausbesitzer. Das sieht auch die Ortsvorsteherin so. Auf lange Sicht profitiere das Gebiet von den neuen Möglichkeiten.
Die Anwohner sind da skeptisch. Derzeit plane niemand sonst, sein Haus aufzustocken - teils gebe es die Statik nicht her, teils sei es eine Geldfrage - und die meisten wollen schlicht nicht. Einen Mehrwert sehen sie nicht, lediglich mehr Kosten - aus ihrer Sicht für nichts.
Bürgermeister um Schadensbegrenzung bemüht
Fast alle Anwohner haben Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Der Bürgermeister spricht in der Sache von einer unglücklichen Kommunikation, beispielsweise beim Anschreiben zum Zahlungsbescheid.
Der kam nämlich direkt aus dem Rathaus. Konrad Menz hat ein weiteres Schreiben verfasst und an die Anwohnerinnen und Anwohner in der Straße geschickt. Ob das die Wogen glättet, bleibt abzuwarten.