Vor fünf einhalb Jahren hat der Tübinger Gemeinderat den weitreichenden Beschluss gefasst: Bis 2030 soll die Stadt klimaneutral sein. Die Bilanz zur Halbzeit: Die Stadt ist auf einem guten Weg - doch die Zukunft sieht düster aus. Die Bundestagswahl wird das Klimaschutz-Projekt wohl zum Scheitern bringen, so die Befürchtung vieler im Rathaus, im Gemeinderat und bei den Stadtwerken.
Boris Palmer: Viel erreicht für den Klimaschutz in Tübingen
Alles hatte gut angefangen. Mit Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) als Zugpferd war Tübingen durchgestartet: Schulen wurden energetisch saniert und Elektrobusse angeschafft. Die Stadtwerke haben im Rekordtempo eine große Photovoltaikanlage gebaut, haben sich in Windkraftanlagen außerhalb von Tübingen eingekauft und planen Anlagen vor der Haustür.
Klimaneutral bis 2030? Förderung vom Bund entscheidend
Doch auch der Oberbürgermeister weiß: Bis zum großen Ziel fehlt noch viel. Erreichen kann Tübingen es nur, wenn der Bund seine Förderprogramme nicht eindampft. Nur wenn der Umstieg auf Fernwärme weiter politisch gewollt ist und finanziert wird, können Tübingen und auch alle anderen Kommunen ihre Netze ausbauen. Nur wenn die Umrüstung von Öl- und Gasheizungen auf klimafreundliche Alternativen gefördert wird, kann Klimaschutz gelingen, so Palmer.
Umweltbundesamt: Kommunen brauchen Hilfe
Das sieht nicht nur er so. Auch der Städtetag Baden-Württemberg und das Umweltbundesamt sind sich sicher: Alleine können die Kommunen nicht klimaneutral werden. Dazu sind die Kosten zu hoch. Die EU, der Bund und das Land müssten ihre Förderprogramme massiv ausweiten, fordert der Städtetag.
Städtetag: Neue Geldquellen für Klimaschutz!
Und der Städtetag geht noch einen Schritt weiter. Er teilt auf SWR-Nachfrage mit, dass für den Klimaschutz neue Geldquellen erschlossen werden müssen:
Der Städtetag Baden-Württemberg glaubt, dass sich Wirtschaft und Privatleute stärker am Klimaschutz beteiligen müssen. Außerdem müssten veränderte rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden - etwa die Möglichkeit, dass Kommunen Schulden machen dürfen, um Klimaschutz zu finanzieren.
Klimaneutral bis 2030? Sorgenkind Verkehr
Aber selbst mit finanzieller Unterstützung bliebe das Ziel "Tübingen klimaneutral bis 2030" hoch gesteckt. Denn die Tübinger sind bislang nicht weggekommen vom eigenen Auto. Die KfZ-Zulassungszahlen seien bis vor zwei Jahren immer weiter gestiegen, rechnet Palmer vor. Jetzt steigen sie zwar nicht mehr, aber es fahren zu viele Verbrenner-Autos durch die Stadt. Das Carsharing wird nicht so angenommen, wie der OB es sich wünschen würde. Verkehr ist in Baden-Württemberg vielerorts ein großes Klimaproblem.
Tübingen wartet auf die Bundestagswahl
Und so wartet Boris Palmer auf die Bundestagswahl. Danach wisse man dann, ob es klappt mit einem klimaneutralen Tübingen bis 2030, meint er. Er will die Hoffnung noch nicht aufgeben.
Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten hat sich kurz vor Weihnachten aber bereits festgelegt: Klimaneutralität bis 2030 ist nicht mehr zu schaffen, meinen die Experten.