Wegen geplantem KSK-Absprunggelände in Geislingen: Die Landwirte Befürchten, dass ihre Hühner Angst vor den Flugzeugen bekommen. Um einen Eindruck zu bekommen, hat die Bundeswehr Testfllüge gemacht.

Schadet der Fluglärm den Tieren?

Bundeswehr fliegt über Hühnerhof wegen geplanten Absprunggeländes bei Geislingen

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Nathalie Waldenspuhl
Nathalie Waldenspuhl ist Reporterin für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Die Bundeswehr fliegt für Hühner? Klingt skurril, hat aber einen ernsten Hintergrund. Zwei Bauernhöfe haben die Probeflüge eingefordert. Sie fürchten um ihre Existenz.

Die Bundeswehr hat am Dienstag und Mittwoch Probeflüge über das geplante KSK-Absprunggelände auf dem Waldhof bei Geislingen (Zollernalbkreis) gemacht. Der Grund: Ganz in der Nähe liegen zwei große Hühnerhöfe. Experten sollten beobachten, wie gut die Hühner den Fluglärm verkraften.

Flugzeug verursacht Trubel auf Hühnerhof

Wenn das Flugzeug über den Danneckerhof rauscht, ist es im Gehege totenstill. Erst ein paar Momente später, wenn der Flieger schon wieder im Himmel verschwunden ist, fangen die Hühner an, laut zu gackern und zu schimpfen. Schon beim ersten Überflug sind die meisten Tiere aus dem Freigehege in den Stall gerannt. Nach ein paar Minuten trauen sich die ersten wieder ins Freie und scharren im Boden herum - um dann erneut unter das Dach zu flattern, wenn das Flugzeug wieder kommt. Das Ganze wiederholt sich fünf oder sechs Mal hintereinander.

So ähnlich könnte es an bis zu 120 Tagen im Jahr aussehen, wenn das geplante KSK-Absprunggelände auf der Domäne Waldhof bei Geislingen wirklich kommt. Das Waldhof-Gelände liegt gleich hinter dem dem Hühnerhof von Tobias Vötsch. Der Landwirt steht gemeinsam mit seiner Frau Angelika am Zaun und beobachtet seine Tiere. Bei ihnen stehen Expertinnen und Experten vom Landratsamt, vom Regierungspräsidium und der Bundeswehr. Außerdem eine Forschungsgruppe der Uni Hohenheim.

Pläne der Bundeswehr machen Landwirten Sorge

Tobias Vötsch befürchtet, dass der Flugverkehr seinen 15.000 Hennen schaden könnte. "Die Hühner kommen in Stress", sagt er. "Und dann können sie sich auch verletzen." Denn die Hühner würden das Flugzeug für eine Bedrohung halten und schnell in den Stall flüchten. Wenn zu viele Hühner auf einmal losrennen, könnte das laut Vötsch eine Art Massenpanik auslösen. Die Hühner könnten im schlimmsten Fall eingedrückt oder zertrampelt werden.

Die Bundeswehr plant bei Geislingen (Zollernalbkreis) ein KSK-Absprunggelände. Ganz in der Nähe gibt es zwei Hühnerhöfe. Das macht den Landwirten jetzt Sorge.
Landwirt Tobias Vötsch macht sich Sorgen um seine Tiere. Er befürchtet, dass seine Hühner heftig auf die Militärflugzeuge reagieren und Schaden nehmen könnten.

Und dann kommt da noch der wirtschaftliche Teil. Denn eigentlich hat Vötsch einen Freilandbetrieb. Um den Status einzuhalten, müssen die Hühner eine Mindestanzahl an Tagen im Jahr im Freigehege verbringen. Vötsch fürchtet, dass er diese Vorgabe womöglich nicht mehr einhalten kann, wenn das Absprunggelände nach Geislingen kommt - weil sich die Hühner wegen dem Fluglärm dann in den Stall zurückziehen. Vötsch müsste seinen Hof dann auf Bodenhaltung zurückstufen. Das bringe aber weniger Geld und lohne sich nicht für seinen Betrieb, sagt er.

Das würde für meinen Legehennenbetrieb das Aus bedeuten.

Bundeswehr reagiert auf die Beschwerden

Gemeinsam mit einem befreundeten Hühnerhalter aus Geislingen hat Vötsch bei der Bundeswehr und beim Staatsministerium Alarm geschlagen. Und die haben reagiert. In einer Pressemitteilung von der Bundeswehr heißt es, man nehme die Sorgen der Landwirte ernst und habe deswegen beschlossen, nochmals Probeflüge über den Waldhof zu machen.

Wir erhoffen uns davon, dass so ein möglichst realistischer Eindruck eines Überflugs entsteht und wir auch den Landwirten ein Stück weit ihre Befürchtungen nehmen können.

Mit zwei Flugzeugen ist die Bundeswehr mittlerweile über den Waldhof geflogen: am Dienstag mit einer Airbus A400M und am Mittwoch mit einer M28 Skytruck. Die Flugzeuge fliegen bei einem Fallschirmsprung gewöhnlich in 400 Metern Höhe, so die Bundeswehr. Das war auch bei den Testflügen so. Außerdem hat man einen Start- und Landeflug simuliert, denn auch das soll auf dem KSK-Absprunggelände passieren. Ein dritter Überflug mit einem Hubschrauber hätte eigentlich am Donnerstag stattfinden sollen. Wegen eines Gewitters musste die Bundeswehr den Termin aber absagen. Er soll bald nachgeholt werden.

Forscher aus Hohenheim beobachten die Hühner

Zur Beobachtung der Hühner werden auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Hohenheim hinzugezogen. Sie sollen schauen, wie sich die Tiere im Zusammenhang mit den Probeflügen verhalten. Volker Stefanski war als Professor für Verhaltensphysiologie von Nutztieren vor Ort. Er sagt, er wolle das Verhalten der Hühner nicht nur im Moment der Überflüge beobachten. Viel wichtiger sei zu sehen, ob sich langfristig etwas am Verhalten der Tiere verändert. Zum Beispiel, ob die Legeleistung mit der Zeit nachlässt oder ob die Tiere anfangen, sich gegenseitig zu picken.

Dazu hat das Forschungsteam schon einige Wochen im Vorfeld Kameras aufgestellt. Sie filmen die Hühner im Stall und auf dem Freigelände. Das Material soll später ausgewertet werden und den Behörden als Faktengrundlage dienen. Denn bislang ist das Verhalten von Hühnern unter Fluglärm nicht gut erforscht. Ein richtiges Gutachten seien diese Beobachtungen aber noch nicht, so Stefanski.

Ein offizielles Gutachten, genau das streben die Landwirte an. "Wir wollen einen Rückhalt", so Tobias Vötsch. "Entweder die Bestätigung, dass nichts passiert oder Möglichkeiten, wie man uns helfen kann." Wann man mit den Ergebnissen rechnen kann ist noch unklar.

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