Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge

Lernen für ein besseres Zusammenleben

Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge in BW: Neustart nach Corona-Pause in Tübingen

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AUTOR/IN
Luisa Sophie Klink

Wie funktioniert der deutsche Rechtsstaat? Das lernen Flüchtlinge seit Mittwoch wieder in Baden-Württemberg. Den Neustart läutete Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) ein.

Nach zwei Jahren Pause hat am Mittwoch der Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge wieder begonnen. Er wird von 300 Richtern und Staatsanwälten ehrenamtlich für Menschen angeboten, die in Erstaufnahmeeinrichtungen oder Flüchtlingsunterkünften leben. Die erste Unterrichtseinheit des überarbeiteten Programms hielt Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) in Tübingen.

"Es ist wichtig, dass Menschen, die als Geflüchtete Schutz suchen, klar kommuniziert wird, wie der Rechtsstaat funktioniert."

Nur so hätten die Flüchtlinge die Chance, ihr Verhalten anzupassen und Rechte, die sie aus ihren Herkunftsländern nicht kennen, wahrzunehmen, so Gentges. Das Zusammenleben funktioniere nur mit gemeinsamen Regeln und wenn man verstehe, warum es sie gibt und was sie bewirken sollen.

SWR Reporterin Luisa Sophie Klink war bei der ersten Unterrichtsstunde der baden-württembergischen Justizministerin dabei:

Grundrechte, Gleichberechtigung, Antisemitismus

Themen des Unterrichts sind beispielsweise der Aufbau des deutschen Rechtsstaats, die Gewaltenteilung, aber auch Grundrechte und die Arbeit von Gerichten oder Polizei. Nun wird das Lehrprogramm, das es landesweit bereits seit 2007 gibt, um die Themen Gleichberechtigung und Antisemitismus ergänzt. Im Mittelpunkt beim Thema Gleichberechtigung soll die Rolle der Frau in der Gesellschaft und der Familie stehen. Dies liegt der Ministerin besonders am Herzen, da viele Menschen aus Kulturkreisen einreisten, die ein völlig anderes Frauenbild hätten.

Was für Marion Gentges das Besondere an den Kursen ist, erläutert sie im Gespräch mit SWR Aktuell:

Umgang mit Gleichberechtigung hängt von Bildungsstand ab

Dass das tatsächlich ein großes Problem ist, können der Rottweiler Richter am Landgericht, Thomas Geiger, und die Tübinger Richterin am Amtsgericht, Dagmar Röhm, aus ihrer Erfahrung bestätigen. Sie selbst geben Flüchtlingen Rechtsstaatsunterricht.

Wie mit dem Thema Gleichberechtigung umgegangen werde, hänge vom Bildungsstand der Flüchtlinge ab, so die Richter gegenüber dem SWR. "Vor allem Männer mit geringerer Bildung können sich nicht vorstellen, dass Frauen gleichberechtigt sind", so Geiger. Man merke, dass sie Schwierigkeiten hätten, dies zu verinnerlichen. Selbst geflüchtete Frauen hätten häufig ein anderes Verständnis von ihrer Rolle in Gesellschaft und Familie.

"Da gibt es Frauen, die sind total erschüttert, wie es bei uns ist - und andere, die total begeistert sind."

Der Unterricht wird jeweils in vier Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten abgehalten. Finanziert wird das Projekt mit Mitteln des Landtags in Höhe von 100.000 Euro.

Zahl der Flüchtlinge im ersten Halbjahr gestiegen

Laut der Justizministerin sind die Flüchtlingszahlen in letzter Zeit in Baden-Württemberg deutlich angestiegen. Gerade deswegen sei die Wiederaufnahme des Rechtsschutzunterrichts für Flüchtlinge wichtig. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres ist der höchste Halbjahres-Zuwanderungsstand mit rund 8.700 Asylsuchenden seit 2016 erreicht worden.

Allein aus der Ukraine haben laut Gentges mittlerweile 115.000 Menschen in Baden-Württemberg Zuflucht gefunden. "Etwa die Hälfte der Geflüchteten aus der Ukraine sind Frauen, 40 Prozent sind Minderjährige und nur zehn Prozent sind Männer über 18 Jahren, häufig sind sie schon älter", so die Ministerin gegenüber dem SWR. Aus anderen Regionen der Welt sei das unterschiedlich, teilweise sei der Anteil der Männer höher als der der Frauen.

Wie Integration verbessert werden kann:

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Luisa Sophie Klink