Vielleicht schnaubt jetzt so mancher Opernkritiker und klassische Mozartliebhaberinnen raufen sich die Haare: am Theater Freiburg wird die Zauberflöte als Computerspiel inszeniert. Dabei entscheidet das Publikum über den Ablauf des Abends und die Sängerinnen und Sänger versuchen zu Avataren eines Spiels zu werden. Mein Name ist Chris Libuda und um es vorneweg zu sagen: ich bin begeistert.
Die Zauberflöte neu gedacht
Kaum eine Oper ist bekannter als die Zauberflöte von Mozart mit ihren berühmten Arien: Die Königin der Nacht trällert in höchsten Tönen oder der Papageno spielt die Flöte. Vor mehr als 230 Jahren wurde die Zauberflöte zum ersten Mal aufgeführt. Seitdem wurde sie unzählige Male inszeniert und gespielt. Wer die Oper heute noch immer auf die Bühne bringt, muss sich also etwas einfallen lassen!
Musiktheater in Modulen
Sich etwas einfallen lassen - das haben André de Ridder, der Generalmusikdirektor des Theater Freiburgs und seine Crew getan. In der Freiburger Inszenierung wird die Oper in 25 Teile geteilt und neu zusammengesetzt. Wo geht es lang, wo führt es hin? Das Publikum darf über den Ablauf mitbestimmen. Immer wieder treten die Königin der Nacht und Monostatos aus ihren Rollen heraus und wenden sich direkt ans Volk: Soll Tamino weitere Abenteuer bestehen oder besser aufgeben? Habt ihr genug gehört oder sollen wir weiter spielen?
Abstimmungen durch das Publikum
Jeder und jede im Publikum hat eine Stimmkarte: Gelb oder Pink. Diese hält das Publikum bei den Abstimmungen (dann doch recht analog) in die Luft. Ein schätzender Blick des Dirigenten in die Menge und die Mehrheit ist klar: André de Ridder zeigt seinem Orchester mit einer Geste an, wie das Publikum entschieden hat und welche Abzweigung genommen wird.
Verschiedene Versionen des Abends
Schon bei der ersten Abstimmung denke ich, dass es schade ist, dass ich die anderen möglichen Versionen nicht hören kann. Denn jeder Zauberflöten-Abend wird anders verlaufen. Meine Neugierde ist geweckt. Ich versinke nicht, wie bei anderen Operninszenierungen im Dunkeln und gerne mal im Halbschlaf. Ich bin hellwach - und spiele mit.
Computerspiel-Ästhetik durch fremdartige Landschaften
Die Inszenierung soll an ein Computerspiel erinnern. Dabei werden fortlaufend Bilder fremdartiger Landschaften im Hintergrund auf der Leinwand abgespielt. Hier ist zugegeben Luft nach oben. Für meinen Geschmack hätten die Darstellerinnen und Darsteller auch gerne mehr in die digitalen Welt eintauchen können, zu echten Avataren werden. So bleibt die Computerwelt Kulisse und die Sängerinnen und Sänger stehen in merkwürdig anmutenden Kostümen und Frisuren davor. Das tut jedoch der Stimmung im Saal und der Freude an der Musik keinen Abbruch.
Papapapapa-geno als Pap, nein: Popsong
Sänger Jakob Kunath als Papageno schnappt sich ein Mikrofon und springt auf eine kleine Bühne mitten ins Publikum. Die Menschen wollen begeistert werden! Dann singt er den Opern-Gassenhauer des Papageno mit der Zauberflöte nicht im lyrischen Bariton sondern als Schlager. Und: an dieser Stelle müssen Opernhardliner ganz stark sein! – das Publikum darf den Refrain sogar kurz mitsingen. Herrlich!
Oper kann hier also auch unterhaltsam und interaktiv sein. Dabei ist es auch erfrischend, wenn man sich selbst nicht immer ganz so ernst nimmt. Das Orchester scheint auch seine Freude an dem Spiel gehabt zu haben. Zumindest meine ich, das in den Gesichtern der Musikerinnen und Musiker gesehen zu haben. Sie verschwinden nämlich nicht tief im Graben, sondern sitzen nur wenig unterhalb der Bühne. Dabei sind sie Teil des Geschehens und gut zu sehen.
Wenig Handlung, viel Musik
Die meisten Opern leben nicht von ihrer Handlung, sondern von ihrem Ausdruck, ihrer emotionalen Wucht und von der Gesangskunst der Darstellerinnen und Darsteller. Anders ausgedrückt: der Held kämpft gegen das Böse, gewinnt oder verliert dabei in der Regel und Liebe ist natürlich auch oft mit im Spiel. Die Freiburger Inszenierung löst sich von der Handlung: Die Musik transportiert große Emotionen und diese zu hören macht bei dem Orchester unter André de Ridder große Freude.
Fazit: wer schon lange überlegt, sich mal wieder im Theater eine Oper zu gönnen, dem sei die Zauberflöte in Freiburg wärmstens empfohlen. Nach einer Stunde und fünfzig Minuten war übrigens Schluss. Es kann aber auch mal länger gehen - wenn das Publikum es so entscheidet.