Das stillgelegte Atomkraftwerk an der deutsch-französischen Grenze in Fessenheim soll zurückgebaut werden. Es muss nur noch das Umweltministerium in Paris formell zustimmen - dass das passieren wird, gilt Beobachtern zufolge als sicher. Der französische Energiekonzern EDF, der in staatlicher Hand ist, geht davon aus, dass es 2026 mit dem Rückbau losgeht.
Der Rückbau wird eine große Herausforderung
Die Gefahr von Strahlung ist in den vergangenen zwei Jahren schon deutlich gesunken: Die hochradioaktiven Brennelemente wurden abtransportiert und die belasteten Rohre gespült und dekontaminiert. Trotzdem könnte der Rückbau des AKWs im Département Haut-Rhin ein Mammutprojekt werden. Aktuell sind noch 20.000 Tonnen radioaktive Abfälle auf dem Gelände. Die müssen mühsam sortiert, entgiftet und recycelt werden. Dazu soll aus französischer Sicht eine Verwertungsanlage auf dem Gelände des ehemaligen AKW Fessenheim installiert werden: ein Technocentre.
Landesregierung Baden-Württemberg gegen Technocentre
Das Technocentre soll 2031 an den Start gehen, so sehen es die Pläne für den Rückbau vor. Das Umweltministerium Baden-Württemberg schrieb dem SWR, dass die Landesregierung eine solche Anlage weiterhin ablehnt. Vielmehr spreche sie sich dafür aus, dass Fessenheim zu einer Modellregion für erneuerbare Energien und innovative Industrien werde: "Eine Anlage, in der über Jahrzehnte mit radioaktiven Stoffen umgegangen wird, steht diesem Ziel entgegen", so das Umweltministerium am Donnerstag.
Umweltaktivist kritisiert Technocentre
Die Vorgänge rund um Fessenheim verfolgt seit Jahren auch Stefan Auchter vom BUND Südlicher Oberrhein. Dem SWR sagt der Umweltaktivist: "Wir sehen kritisch, dass das eingeschmolzene Metall aus Fessenheim, das zwar lückenlos auf Radioaktivität geprüft wird, am Ende aber in den Umlauf kommen soll." Seine Befürchtung: Fehlmessungen oder Versehen könnten dafür sorgen, dass das radioaktive Metall im ganz normalen Alltag ankommt: "Am Ende vielleicht als Kinderwagen oder Kochtopf". Das Problem der Wiederverwertung gebe es allerdings auch in Deutschland beim Rückbau von Kernkraftwerken hierzulande, so der Umweltaktivist.
Unzufrieden zeigt sich Stefan Auchter auch bei einem anderen Thema: Zwar soll während des Rückbaus der Regen auf französischer Seite hinsichtlich Radioaktivität untersucht werden. Auf deutscher Seite würden jedoch keine Messstellen eingerichtet, auch wenn sie beantragt worden seien. Das wäre aber wichtig für den Fall, dass der Wind den Regen nach Baden-Württemberg trägt, so Auchter.
Kernkraftwerk an der Grenze: Dialog zwischen Deutschland und Frankreich
Während in der Vergangenheit die französische Atomgläubigkeit der deutschen Atomskepsis gegenüber stand, sollen beim Rückbau des ehemaligen AKWs Fessenheim in Frankreich und Deutschland verstärkt die Interessen der Bewohner berücksichtigt werden. "Die Eingaben von Personen, Initiativen, Verbänden und Behörden werden nun im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von den zuständigen französischen Stellen geprüft und in der Entscheidung berücksichtigt", so das Umweltministerium gegenüber dem SWR. In Sachen Technocentre sei auf französischer Seite bereits eine Kommission eingerichtet worden, die die Öffentlichkeit informieren und beteiligen soll.
Der gegenseitige Dialog scheint zu fruchten: Die französische Seite sei bereits auf einige Vorschläge des Umweltministeriums eingegangen, so Klaus Schüle, Leiter der Stabsstelle für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und europäische Angelegenheiten im Regierungspräsidium Freiburg. So soll die Einleitung von Borsäure, einem Gefahrenstoff, in den Rheinkanal begrenzt und die zusätzliche Radioaktivität beim Rückbau überwacht werden.
Rückbau soll 2040 abgeschlossen sein
Der Rückbau des ehemaligen AKW Fessenheim wird in jedem Fall noch lange dauern: Abgeschlossen soll er 2040 sein, 20 Jahre nach der Stilllegung. Und auch nach dem Rückbau der Anlage und der Sprengung der Reaktorgebäude soll noch manches auf dem Gelände zurückbleiben. Zum Beispiel die fast 50 Jahre alten Fundamente des AKW unter der Erde, obendrüber der Bahnanschluss und die Bürogebäude. Was damit passieren soll, ist ungewiss.