Seit der Reform des Lehramtsstudiums ab 2015 bekommen Werkrealschullehrer in Baden-Württemberg mehr Geld als früher. Für ältere Kolleginnen und Kollegen, die früher Examen gemacht haben, gilt das jedoch nicht. Das sorgt für Unmut. Eine Lehrerin aus Lauchringen (Kreis Waldshut) kämpft für eine Gleichbehandlung.
Werkrealschullehrer fühlen sich unterschätzt
Felicitas Adlung ist seit 13 Jahren Lehrerin. Sie liebt ihren Job und sie liebt die Schule am Hochrhein in Lauchringen, eine Werkrealschule. "Ich möchte Bezug haben zu den Schülern - das habe ich hier und fühle mich pudelwohl", sagt sie. Man kenne sich, man sei wie eine große Familie. Das sei das, was sie an der Werkrealschule schätze. Dass die früher Hauptschule genannten Bildungshäuser immer noch keinen allzu guten Ruf haben, kann sie nicht verstehen.
Nur eine Sache stört sie, und zwar gewaltig: dass sie weniger verdient als jüngere Kolleginnen und Kollegen, die nach ihr eingestellt wurden. Denn seit der Reform der Lehrerausbildung ab 2015 gibt es ein eigenes Lehramtsstudium für die Sekundarstufe I - das auch für die Realschule gilt. Die Absolventen werden als Beamte generell nach Besoldungsgruppe A13 entlohnt, starten also mit mindestens 4.715 Euro brutto in den Job.
500 Euro weniger trotz gleicher Arbeit
Wer wie Felicitas Adlung noch als Haupt- und Grundschullehrer ausgebildet wurde, wird dagegen nur nach A12 bezahlt - das bedeutet etwa 500 Euro weniger pro Monat. Das empfindet nicht nur sie als ungerecht: "Weil man für die gleiche Arbeit, die gleiche Stundenzahl, gleichen Einsatz unterschiedlichen Lohn erhält." Dazu kommt, dass die älteren Lehrkräfte die jungen ja auch ausbilden und über mehr Berufserfahrung verfügen.
Drei von vier Kollegen werden schlechter bezahlt
Adlung ist kein Einzelfall: Etwa drei Viertel ihres Kollegiums wird noch mit A12 bezahlt. Nur eine handvoll jüngerer Kollegen erhält A13. Zum Beispiel Daniel Kammerer. Doch auch für ihn fühlt sich das seltsam an: "Ich sehe es im täglichen Schulalltag nicht, dass ich irgendwas besser mache als irgendwer anders."
Baden-Württemberg ist eines der wenigen Bundesländer, in dem Grund- und Werkrealschullehrer noch nicht durchgängig mit A13 entlohnt werden. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gibt es das so überhaupt nur noch im Saarland. In Rheinland-Pfalz werden nur die Grundschullehrer noch nach A12 bezahlt. Alle anderen Länder hätten die Gehaltserhöhungen schon umgesetzt oder zumindest auf den Weg gebracht.
Kultusministerium macht Betroffenen keine Hoffnung
Das baden-württembergische Kultusministerium verweist auf Anfrage indes auf die angespannte Haushaltslage: "Die Anhebung auf A13 würde pro Jahr gut 185 Millionen Euro mehr kosten. Damit wären nahezu die gesamten Spielräume der Landesregierung verbraucht." Die vorhandenen Mittel wolle man stattdessen "zuallererst für pädagogische Verbesserungen, die auch bei den Kindern ankommen" einsetzen.
Weiterqualifizierung für höhere Gehaltsgruppe
Pädagogen wie Felicitas Adlung hätten zudem die Möglichkeit, sich für das Lehramt Sekundarstufe I oder Sonderschule weiter zu qualifizieren und dadurch auf A13 zu klettern. Der Nachteil: Sie müssten dafür die Werkrealschule verlassen. Und genau das kommt für Adlung und ihre Kolleginnen und Kollegen nicht in Frage. Sie fühlen sich wohl an ihrer Schule.
Schulleiterin kann den Ärger im Kollegium verstehen
Rektorin Ulrike Stoll kann den Unmut gut verstehen. Zwar sei das Klima im Kollegium gut und harmonisch. "Aber ich glaube, dass das für die jüngeren A13-Kollegen manchmal ein bisschen schwierig ist." Sie fragten sich möglicherweise, ob sie nicht mehr arbeiten müssten im Vergleich zu den anderen. Stoll fände es ein wichtiges Signal an die Werkrealschulen, wenn dort alle Lehrkräfte gleich bezahlt würden. Bei gleicher Bezahlung könnte die Werkrealschule gestärkt werden, ist sie sicher. Das sei auch wichtig, um einem Fachkräftemangel entgegen zu wirken.
Lehrerverband VBE prüft rechtliche Schritte
Felicitas Adlung engagiert sich Verband Bildung und Erziehung (VBE). Gemeinsam mit dem VBE-Landesverband kämpft sie seit Jahren für eine Gleichstellung der rund 30.000 Grund- und Hauptschullehrer in Baden-Württemberg. Etwa zwei Drittel von ihnen werden noch mit A12 entlohnt.
"Wir haben einen wahnsinnigen Lehrermangel und müssen Anreize schaffen", sagt Adlung. Nachbarländer wie die Schweiz, aber auch Bayern und Hessen seien attraktiver für Lehrkräfte aus Baden-Württemberg. Es gebe enge Gespräche mit dem Kultusministerium auf der Suche nach einer Lösung. Gleichzeitig prüft Adlung gemeinsam mit dem VBE aber auch mögliche juristische Schritte gegen das Land. Denn eine solche Gehaltsspanne ist für sie "nicht zu rechtfertigen."