Es ist ein dringendes Bedürfnis: Wer unterwegs aufs Klo muss, steuert eine öffentliche Toilette an. Was so einfach klingt, ist für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen ein mitunter schwieriges Unterfangen. Viele öffentliche Toiletten sind für sie nicht geeignet. Daher gibt es in Freiburg neun sogenannte "Toiletten für alle". Sie sind unter anderem mit verstellbaren Pflegeliegen und Deckenliftern ausgestattet. Das sind technische Hebehilfen. Familie Dutter hat die WCs gemeinsam mit ihren Söhnen Maximilian und Alexander ausprobiert. Alexander hat das Angelman-Syndrom, einen seltenen Gendefekt. Er kann nicht alleine zur Toilette gehen.
"Toilette für alle" ermöglicht gemeinsamen Familienausflug
Familie Dutter aus Reute (Landkreis Emmendingen) sitzt am Frühstückstisch, Mama Marie-Christine hat Bananenbrot gebacken. Der siebenjährige Alexander ist noch müde, sein großer Bruder Maximilian hingegen putzmunter. Die beiden Söhne haben Osterferien, deshalb wollen die Dutters einen Ausflug ins nahegelegene Freiburg machen. "Einfach mal ein bisschen durch die Stadt laufen, das wäre ganz nett, ein Käffchen trinken", so Vater Christian Dutter.
Nach Freiburg fahren, das konnte die Familie bisher nur getrennt. Meist ist der ältere Sohn Maximilian entweder mit seiner Mutter oder mit seinem Vater in die Stadt gefahren. Der andere Elternteil ist mit dem siebenjährigen Alexander zuhause geblieben. Dabei ist Alexander ein lebensfrohes Kind. "Er ist neugierig, ein richtiges Draußen-Kind", beschreibt Marie-Christine ihren jüngsten Sohn. Obwohl der Erstklässler nicht sprechen kann, kann er seine Bedürfnisse klar äußern. Er möchte nicht mehr in die Windel machen, sondern auf die Toilette gehen - auch unterwegs. Drei Stunden etwa kann er ohne Toilette auskommen, dann zeigt Alexander, dass es für ihn unangenehm wird. Für seine Eltern geht damit die Suche nach einer geeigneten Toilette los.
"Toiletten für alle": Viel Platz und technische Hilfen
Gemeinsam brunchen in einem Café? Ein Stadtbummel mit dem Bruder und seinen Eltern? Das ist für Alexander und seine Familie nun möglich. Denn in Freiburg gibt es inzwischen neun "Toiletten für alle". Im "Café Inklusiv" direkt beim Freiburger Münster ist so eine spezielle Toilette zu finden. Das große Badezimmer ist mit einer Liege und einem Deckenlifter ausgestattet. Der Lifter befördert Kinder wie Alexander, aber auch Jugendliche und Erwachsene vom Rollstuhl auf die Toilette oder auf die Liege. Das Bad ist so groß, dass Alexander von zwei Leuten festgehalten werden kann. Er kann nicht selbstständig sitzen. Für seine Eltern sind die "Toiletten für alle" daher eine große Entlastung. "Er wird ja nicht leichter und kleiner, das geht natürlich auf den Rücken, wenn wir ihn immer tragen müssen", erzählt Marie-Christine Dutter.
Teilhabe statt Ausgrenzung
Für Menschen mit komplexen Behinderungen sind diese Toiletten ein enorm wichtiger Schritt. Sie ermöglichen nicht nur den Zugang zu Bildungseinrichtungen oder öffentlichen Gebäuden. Sie stehen auch für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Durch diese speziellen Badezimmer sind Besuche im Kino, im Restaurant oder in Museen wieder möglich. Ein erheblicher Gewinn an Lebensqualität, auch für die Angehörigen. Familie Dutter ist es wichtig, als ganze Familie Ausflüge machen zu können.
"Toiletten für alle" auch auf dem Schauinsland
Demnächst wollen die Dutters auf den Schauinsland fahren. An der Berg- und Talstation gibt es auch eine "Toilette für alle". Maximilian und Alexander freuen sich schon aufs Gondelfahren.
Freiburg ist Vorreiter bei Toiletten
In der Region Freiburg gibt es inzwischen so viele "Toiletten für alle", wie in kaum einer anderen deutschen Stadt. Die Region kann damit als Vorbild für andere dienen.