Geht es nach den Nachbarn, dann darf auf dem kleinen Bolzplatz der Grundschule in Lahr-Sulz (Ortenaukreis) künftig nur gespielt werden, wenn Schulbetrieb oder Nachmittagsbetreuung laufen. Ansonsten soll dort abgesperrt sein - ab 16:30 Uhr werktags und am Wochenende komplett. Das fordern die Anrainer in einer Klage vor dem Freiburger Verwaltungsgericht.
Anwalt schildert Missstände
Wenn niemand hinschaut, geht es wohl recht laut und auch wild zu auf dem Spielfeld, dass nur wenige Schritte von den Gärten entfernt liegt. Anwalt Thomas Tock beschreibt, was seine Mandantinnen und Mandanten so erleben: "Dass Bälle auf die benachbarten Grundstücke fliegen, dass dann die Kinder, Jugendlichen, Erwachsenen über die Zäune klettern, über die Grundstücke der Mandanten spazieren, um sich die Bälle zurückzuholen. Da kam es dann in der Vergangenheit auch dazu, dass Hausfassaden mit Lehm beschmiert worden sind, Fensterscheiben zu Bruch gegangen sind."
Jugendliche kommen zum Feiern und Musik hören
Ja, und dann seien da noch die Besucher, die gar nicht zum Spielen, sondern zum Feiern kämen. Jugendliche und Erwachsene, die laut Musik hören sollen, Alkohol trinken und Müll teils in die Gärten werfen sollen. Die Stadt unternehme nicht genug dagegen, finden die Nachbarinnen und Nachbarn.
Lahrs Erster Bürgermeister, Guido Schöneboom, spricht hingegen von vereinzelten Verbotsübertretungen. Wenn dort übermäßig Lärm veranstaltet werde, müsse man zum Hörer greifen und die Polizei rufen. Die könne Platzverweise aussprechen. Die Stadt könne nicht viel tun.
Bürgermeister: Können nicht überall präsent sein
"Wie sollen wir alle Plätze dieser Stadt kontrollieren? Ich habe begrenzte Möglichkeiten über den Kommunalen Ordnungsdienst." Bei acht Leuten in vier Streifen, könnten nicht jeden Tag Mitarbeitende in Sulz vorbeischauen, um zu sehen, ob sich da jemand in illegaler Weise Zutritt verschafft hat", sagt Guido Schöneboom.
Angesichts der Forderung, den Bolzplatz werktags ab 16:30 Uhr zu schließen, ist der Bürgermeiste irritiert. "Schulhöfe sind für mich geschützte Räume. Wenn nicht da, wo sonst können Kinder ungestört bolzen, spielen, vielleicht auch Krach machen", sagt Schöneboom.
Auch einen Käfig um das Spielfeld, den die Nachbarn vorgeschlagen hatten, damit Bälle abgefangen werden, lehnt der Bürgermeister ab.
Bürgermeister fordert Verständnis: Kinder brauchen sichere Plätze
Es gehe auch um ein Miteinander, und das fehle ihm hier, so Schöneboom. Wenn es nicht möglich sei, dass nach 16:30 Uhr noch gebolzt oder gespielt werde, dann habe er ein "Störgefühl". "Wir wollen, dass Kinder sicher sind. Und dann gehen sie dort hin, wo sie spielen können, und das sind auch Schulplätze."
Stadtweit sei man daran interessiert, geschützte Räume zu öffnen, so Schöneboom. Aber er merke, dass Anwohner das partout anders sähen. Den Anspruch auf Ruhe müsse die Stadt abwägen, gegen den Anspruch der Kinder und Jugendlichen, sich frei zu bewegen.
Stadt fordert Akzeptanz, Anwalt berichtet von Beleidigungen
Insgesamt erlebe er ein gereizteres Miteinander und eine Erwartungshaltung, die die Stadt nicht in allen Fragen erfüllen könne und wolle, sagt Guido Schöneboom. Es gehe in einer Stadtgesellschaft auch um Akzeptanz und Verständnis.
Laut Anwalt Thomas Tock haben die Nachbarn durchaus versucht mit den Kindern und Jugendlichen über die Sache zu sprechen. Er erzählt: "Bei den Gesprächen waren die Reaktionen dann eher so, dass man selbst Opfer geworden ist, zur Zielscheibe. Man ist beleidigt worden. Das hat also alles nichts genutzt."
Der Anwalt weist außerdem darauf hin, dass die Grundstücke der klagenden Anwohnerinnen und Anwohner seit Jahrzehnten im Besitz ihrer Familien seien. Einige hätten vor etlichen Jahren Teile ihrer Gärten an die Stadt abgegeben, damit erst die Schule und später der Kindergarten gebaut werden konnte. Nur weil alle Versuche einer außergerichtlichen Einigung gescheitert seien, habe man sich nun zur Klage entschlossen, so Thomas Tock.
Zu wenige Spielmöglichkeiten für Kinder im Ortskern
Dabei betrifft der Konflikt nicht alle Anwohnerinnen und Anwohner. Karl Bühler zum Beispiel, der früher selbst Lehrer an der Sulzer Grundschule war, findet im Gegenteil, dass der Bolzplatz für die Kinder durchgängig zugänglich sein müsste. "Wir haben im Ortskern kaum Möglichkeiten für Kinder zu spielen, schon gar nicht so was Sportliches."
Die Anwohner, die dagegen seien - das sei doch eine geringe Anzahl. Die Gefahr der Zweckentfremdung durch größere Jugendliche sei schon da, aber auch die müssten irgendwo hin, meint der pensionierte Lehrer. Wenn man im Ortskern wohne, dann sei eben auch mal was los. Das müsse man tolerieren - oder woanders wohnen.
Große Diskussion in den Sozialen Netzwerken
Auf Instagram wurde das Thema zum Teil heftig diskutiert. Die Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer hat kein Verständnis für die Klage: Zum einen stellen sie die Uhrzeit in Frage - 16:30 Uhr oder 19 Uhr sei im Sommer viel zu früh. Zum anderen kommentieren einige, dass für Kinder sportliche Betätigung doch besser sei als die Zeit "nur am Handy zu verbringen". Eine Nutzerin fragt sich: "Warum sollen die Kids wieder zurückstecken?"