Ökosystemforschung im Wald

Wie Spionagebilder aus dem Kalten Krieg bei der Erforschung der Wälder helfen

Stand
Autor/in
Thomas Hermanns
Reporter Thomas Hermanns

Was einst dazu diente, den Feind auszuspähen, hilft heute der Wissenschaft: Forscher der Uni Freiburg nutzen alte Spionage-Bilder, um herausfinden, wie sich der Wald verändert hat.

Die US-Amerikaner haben im Kalten Krieg sehr viel spioniert. Mit ihren Satelliten flogen sie um die ganze Welt und machten hochauflösende Bilder der Landschaft. Forscher in Freiburg haben jetzt mehr als eine Million dieser Aufnahmen aufbereitet. Eine Goldgrube für die Freiburger Ökosystemforscherin Catalina Munteanu. Die Spionage-Bilder ermöglichen Munteanu, die Veränderungen verschiedener Lebensräume in den vergangenen Jahrzehnten zu verfolgen und zu verstehen, wie Mensch und Klimawandel die Ökosysteme beeinflusst haben. Der Blick in die Vergangenheit zeigt auch, warum sich bestimmte Arten in einem Waldstück wieder angesiedelt haben, und andere nicht.

Spionagebilder in der ökologischen Forschung noch Neuland

Seit 1996 veröffentlichen die US-Amerikaner viele Satellitenaufnahmen aus dem Kalten Krieg. Aber die Schwarz-Weiß-Bilder sind analog. Diese exakt zu lokalisieren und vergleichbar zu machen, ist aufwendig. Zivile Aufnahmen gibt es oft nur für ausgewählte Gebiete und erst seit den 1980er-Jahren, in hoher Auflösung sogar erst ab den 2000er-Jahren. In der Archäologie und im Bauwesen werden die Daten schon vielfach angewendet, in der ökologischen Forschung und im Naturschutz ist das bislang nicht der Fall. Munteanu und ihr Team arbeiten seit drei Jahren daran, das zu ändern, unter anderem in einem Projekt zur Biodiversität im Schwarzwald.

Freiburger Wissenschaftler untersuchen Biodiversität mithilfe von historischen Satellitenbildern.
Die Freiburger Wissenschaftler Catalina Munteanu (2.v.r) und Michael Wohlwend (rechts) analysieren mit Kollegen die Biodiversität in einem Waldstück bei St. Peter. Bild in Detailansicht öffnen
Freiburger Wissenschaftler untersuchen Biodiversität mithilfe von historischen Satellitenbildern
Die Anzahl und Größe der Moose und Flechten im Wald ist ein wichtiger Indikator für die Luftqualität. Bild in Detailansicht öffnen

135 Waldstücke dienen zur Erforschung der Biodiversität

Der Schwarzwald wurde nach dem Zweiten Weltkrieg intensiv genutzt, Flächen wurden gerodet und häufig mit Fichten bepflanzt. "Wir merken, dass einige Arten sehr sensibel reagieren auf diese langfristigen menschlichen Einflüsse", erklärt Catalina Munteanu. Obwohl der Wald heute nachhaltiger genutzt werde als vor 60 Jahren, seien die Altlasten immer noch messbar. Und das beeinträchtige auch die Fähigkeit des Ökosystems, die heutigen Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewältigen, so die Ökologin.

Unser Hauptinteresse zurzeit liegt darin, die Waldflächen zu kartieren [...], wir können daraus ableiten, wo historische Rodungen stattgefunden haben.

Der historische Kontext sei auch für das Verständnis der Biodiversität im Wald notwendig, erklärt ihr Kollege Michael Wohlwend. Er koordiniert das Projekt "ConFoBi" zur Biodiversitätsforschung im Schwarzwald. Dabei werden im Schwarzwald insgesamt 135 Waldstücke, je ein Hektar groß, über mehrere Jahre analysiert. Zwei Waldstücke können identisch aussehen, aber große Unterschiede in der Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen haben, so der Ökologe. Ohne den Blick in die Vergangenheit können sie das nicht verstehen.

Spionage-Bilder ermöglichen bessere Entscheidungen für die Zukunft

Die Spionagebilder seien ein Referenzwert auch für zukünftige Entscheidungen, so Catalina Munteanu. Zu wissen, wie Ökosysteme einst aussahen, könnte Fehlschlüsse über ihren aktuellen Zustand vermeiden und künftig auch helfen, sie wiederherzustellen und besser zu schützen.

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