Eigentlich ist das Probenzimmer perfekt: Ein moderner, heller Raum mit Parkett und breiter Fensterfront mit Blick ins Grüne. Die Akustik im nagelneuen Anbau des Freiburger Waldhauses ist dagegen alles andere als optimal, besonders für den Horn-Unterricht. "Wenn es mir zu laut wird, habe ich zur Not auch einen professionellen Gehörschutz", sagt Lehrer Heidwolf Arnold.
350 Musikschülerinnen und Musikschüler waren plötzlich obdachlos
Arnold ist seit 30 Jahren Musikschullehrer und gewohnt, sich auf neue Proberäume einzustellen. Natürlich ist er dankbar, dass die Musikschule jetzt im Waldhaus proben darf, zumindest vorübergehend. Denn seitdem die Alte Stadthalle wegen akuter Statikmängel gesperrt ist, können die zehn Proberäume dort nicht mehr benutzt werden. 350 Musikschülerinnen und -schüler sowie 20 Lehrkräfte standen kurz vor Weihnachten plötzlich quasi auf der Straße. Jetzt suchen Stadtverwaltung und Musikschule fieberhaft nach Ersatz. Einige Unterrichtsstunden mussten zwischenzeitlich sogar wieder online stattfinden.
Die Musikschule ist zerstreut auf über 100 Räume in der Stadt
"Wir hangeln uns von Provisorium zu Provisorium", sagt Arnold. Und das seit Jahrzehnten. Was der Freiburger Musikschule mit ihren rund 3.000 Schülern fehlt, ist ein eigenes Schulgebäude, ein Hauptquartier. Stattdessen ist sie auf das ganze Stadtgebiet verteilt. In Schulen, Kitas, Gemeindezentren und Privateinrichtungen wird geprobt - insgesamt in mehr als 100 verschiedenen Räumen.
Ein eigenes Domizil für die Musikschule scheiterte an den Stadtfinanzen
Dabei sah es mal so aus, als hätte die Musikschule endlich eine Heimat gefunden. 2001 beschloss der Freiburger Gemeinderat, dass die Schule in den leerstehenden Westflügel des imposanten Lycée Turenne einziehen solle. Doch wegen eines gewaltigen Haushaltslochs zog die Stadt später die Notbremse - aus der millionenschweren Sanierung des über hundertjährigen Schulgebäudes wurde nichts.
Heidwolf Arnold hatte damals für das Gebäudeprojekt gekämpft. Doch seitdem ist nichts passiert, der Musiklehrer ist, wie viele seiner Kollegen, mittlerweile zermürbt. Die Hoffnung auf ein zentrales Haus mit guten Arbeitsbedingungen und guter Akustik, einem sichtbaren Ort, "aus dem sich etwas entwickeln könnte", hat er über die Jahre nahezu verloren. Letztlich sei der politische Wille in der Stadt wohl nicht groß genug, stellt er resigniert fest.
Keine Lösung in Sicht - Stimmung auf dem Tiefpunkt
Die Stimmung unter den 85 Lehrenden ist auf dem Tiefpunkt, weiß auch Musikschuldirektor Eckhard Hollweg: "Das ist im Augenblick das I-Tüpfelchen auf unseren Problemen." Zwar müht sich die Stadt redlich, Ersatz für die Stadthalle zu finden. Doch ein zentrales Schulgebäude ist weiterhin nicht in Sicht. Zahlreiche infrage kommende Alt-Immobilien wurden geprüft, sind aber nicht geeignet. Gleichzeitig stehen rund 460 Kinder und Jugendliche auf der Warteliste für Musikunterricht. "Die können nicht versorgt werden, denn wir haben keine Räume", sagt Hollweg.
Neue Musikschul-Initiative im Freiburger Gemeinderat?
Im Freiburger Gemeinderat hat die Musikschule durchaus Unterstützer. Aber bislang keine schlagkräftige Mehrheit. Angetrieben von der aktuellen Notlage will CDU-Stadtrat Klaus Schüle jetzt mit allen Gemeinderatsfraktionen eine neue Initiative starten. Schüle ist auch Vorsitzender des Musikschul-Fördervereins. "Die zehn bis 15 Gebäude, die es vielleicht gibt, müssen jetzt besonders gut untersucht werden", fordert er. Oder es muss eben eine große Lösung her.
Stadtverwaltung will nach einer "dauerhaften Lösung" suchen
In der Freiburger Stadtverwaltung möchte derzeit niemand persönlich zum Thema Musikschule Stellung nehmen. Schriftlich aber heißt es: "Die Suche nach einer dauerhaften Lösung für eine zentrale Unterbringung der Kernbereiche der Musikschule geht unabhängig von der aktuellen Situation weiter." Kommt jetzt doch wieder Bewegung in die Sache?
Das Musikschulkollegium hat nun alle Eltern angeschrieben und eine Online-Petition für ein eigenes Schulhaus initiiert. Ein Neubau - das wäre der große Traum für Musiklehrer Heidwolf Arnold und Direktor Eckhard Hollweg. Dann hätte das Stadthallen-Fiasko doch noch sein Gutes gehabt. Ein Fünkchen Hoffnung hat Horn-Lehrer Arnold jedenfalls noch: "Es könnte ja auch sein, dass durch die Dramatik der Lage vielleicht ein Stein ins Rollen kommt, aus dem man irgendwann ein eigenes Haus bauen kann."