Missbrauchsbericht Freiburg

Nach schweren Vorwürfen gegen Alt-Erzbischof: Zollitsch drohen nun auch Sanktionen

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Luisa Bleich
SWR-Redakteurin Luisa Bleich

Die Autoren des Freiburger Missbrauchsberichts erheben schwere Vorwürfe gegen Alt-Erzbischof Robert Zollitsch. Nun drohen ihm in einem Vatikan-Verfahren auch Sanktionen.

Dem durch eine Missbrauchsstudie belasteten Freiburger Alt-Erzbischof Robert Zollitsch könnten Kreisen der katholischen Kirche zufolge bei einem kirchenrechtlichen Verfahren auch Sanktionen drohen. Bei Verfahren dieser Art im Vatikan sei es beispielsweise möglich, dass am Ende Zahlungen für soziale oder karitative Zwecke angeordnet werden, hieß es am Mittwoch.

In unserem SWR Extra wurden am Dienstag die Ergebnisse des Berichts ausführlich vorgestellt:

Der heilige Stuhl entscheidet über weitere Konsequenzen

Der am Dienstag vorgelegte Freiburger Bericht über sexuellen Missbrauch durch Geistliche hatte erhebliche Versäumnisse in Zollitsch' Amtszeit offengelegt, die bis 2013 gelaufen war. Diese äußerte sich zunächst nicht zu dem Fall, wie ein Sprecher auf Anfrage in Bonn mitteilte.

Der amtierende Freiburger Erzbischof Stephan Burger hatte gesagt, über mögliche kirchenrechtliche Konsequenzen für Zollitsch müsse nun der Heilige Stuhl entscheiden. "Die notwendigen Maßnahmen dazu sind eingeleitet." Es gehe um ein Verfahren, um Verdachtsfälle von Vertuschung zu melden. Über den Stand der Prozedur könne er nichts sagen, sagte Burger.

Zollitsch hatte seine Kirchenrechte vernachlässigt

Verfahren vor dem Dikasterium (Behörde) für die Glaubenslehre können den Kreisen zufolge auch andere Folgen nach sich ziehen - wie beispielsweise das Verbot, Würdenzeichen des Bischofsamts zu tragen. Auch könne untersagt werden, "priesterliche Dienste in der Öffentlichkeit" zu leisten.

Als damaliger Erzbischof habe Zollitsch alles unterlassen, was kirchenrechtlich vorgeschrieben gewesen wäre, hatte ein Autor der Missbrauchsstudie gesagt. Auf eigentlich verpflichtende Meldungen von Missbrauchsfällen nach Rom habe Zollitsch komplett verzichtet. Der 84-Jährige hatte im Oktober in einem Video schwerwiegende Fehler und persönliche Schuld eingeräumt. Schon vor der Veröffentlichung hatte Zollitsch über einen Sprecher angekündigt, sich nicht zu dem Abschlussbericht äußern zu wollen.

In diesem Video hatte der Alt-Erzbischof seine Fehler eingestanden:

Bislang keine Strafanzeigen gegen Zollitsch eingegangen

Die Staatsanwaltschaft Freiburg will den Abschlussbericht einer Expertenkommission zum Missbrauch in der Erzdiözese Freiburg genau prüfen. Das ist die Antwort auf eine Anfrage des SWR. Nach der Veröffentlichung am Dienstag seien bislang keine Strafanzeigen gegen den ehemaligen Erzbischof Robert Zollitsch oder andere Verantwortliche eingegangen, so die Staatsanwaltschaft. Man werde sich allerdings anschauen, ob und inwieweit sich aus dem Kommissionsbericht ein Anfangsverdacht für Straftaten ergeben kann, so die Freiburger Strafverfolgungsbehörde.

Missbrauchsbericht: Alt-Erzbischof hat das kanonische Recht ignoriert

Der Vorgänger des amtierenden Erzbischofs Stephan Burger führte das Erzbistum Freiburg von 2003 bis 2013. Von Februar 2008 bis März 2014 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Von 1983 an war Zollitsch zwei Jahrzehnte lang Personalreferent im Erzbischöflichen Ordinariat gewesen. Mit rund 1,8 Millionen Katholiken gehört das Erzbistum zu den größten der 27 Diözesen in Deutschland.

Am Dienstag wurde im Rahmen einer Pressekonferenz in der Katholischen Akademie der Abschlussbericht zum früheren Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Erzdiözese Freiburg vorgestellt:

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Auch Freiburger Erzbischof Burger räumt Fehler ein

Auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger räumte bei der Vorlage des Missbrauchsberichts für das Erzbistum und am Abend gegenüber dem SWR eigene Fehler ein.

"Dass ich Fehler begangen habe, steht für mich außer Frage. (...) Als Erzbischof bitte ich die Betroffenen um Verzeihung."

So habe er im Fall eines Priesters, der später zivil- und kirchenrechtlich belangt wurde, in der Zeit der Beurlaubung nicht genügend Sorge getragen, dass eine bessere Überwachung stattgefunden habe. Auch seien Gespräche mit dem Täter nicht dokumentiert worden. "Das sind die Fehler, die ich mir vorwerfen muss", sagte Burger. "Bei der Vertuschung war ich in keinster Weise dabei."

Der 60-Jährige war von September 2007 bis Juni 2014 Offizial - also Kirchengerichtsleiter - der Erzdiözese Freiburg. "Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht um die gesamte Dimension dessen, was hier vertuscht wurde, wie mit Tätern umgegangen wurde," so Burger im SWR. "Ich mache mir den Vorwurf, dass ich hier nicht weiter insistiert habe." Das Gericht attestiert ihm allerdings nur einige formale Mängel. Meldungen über Missbrauchsvorfälle nach Rom zu übermitteln, obliege allein der Verantwortung des zuständigen amtierenden Erzbischofs, so Burger.

Betroffenenbeirat fordert Konsequenzen

Nach der Vorstellung des Berichts hat der Betroffenenbeirat Konsequenzen gefordert. Es müsse untersucht werden, wie sich die offengelegte Vertuschung auf die Biografien der Opfer auswirkte und welche Schäden ihnen alleine dadurch zugefügt wurden. "Der systematische Täterschutz und die konsequente Ignoranz gegenüber dem Leid der Betroffenen hat dazu geführt, dass Betroffene über den Missbrauch hinaus noch viel weiteres Leid ertragen mussten", hieß es in einer Stellungnahme am Dienstag.

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Der Bericht habe schwarz auf weiß dokumentiert, dass missbrauchte Kinder und verletzte Kinderseelen über Jahrzehnte gleichgültig waren. "Wichtiger waren der Kirche ihr Image und damit der Schutz von Menschen, die grausamste Taten an Kindern und Jugendlichen begangen haben." Betroffene wurden nicht gehört, Hilfe hätten sie nicht erhalten. Dokumente, Protokolle, Personalakten seien vernichtet worden und damit der Weg von Opfern, doch noch zu ihrem Recht zu kommen, erschwert worden. Der Betroffenenbeirat appellierte, zukünftig positive Darstellungen von Zollitschs Lebenswerk zu unterlassen. Öffentliche Porträts von ihm sollten entfernt werden.

Bundesjustizminister drängt auf transparente Aufarbeitung

Bundesmistizminister Marco Buschmann (FDP) hat von den Kirchen eine umfassenden und transparente Aufarbeitung gefordert. Das sei wichtig, um neue Taten zu verhindern, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur. Der Bericht zeige, dass die Kirchen diesem Anspruch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht gerecht geworden seien. "Wenn der Verdacht von Straftaten im Raum steht, gibt es kein kirchliches Sonderrecht. Die Zeiten der Vertuschung von schrecklichen Missbrauchstaten muss endlich vorbei sein", so Buschmann.

Rottenburger Bischof Fürst: Doppelmoral der Täter "erschreckend"

Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst hat in einem persönlichen Schreiben auf das Freiburger Gutachten zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche reagiert. Darin schreibt er, dass ihn die Ergebnisse des Gutachtens traurig und sprachlos machen würden. Der Abgrund an Doppelmoral bei den Tätern sei erschreckend. Unter anderem wirft er dem Alt-Erzbischof Zollitsch vor, durch Vertuschung und Desinteresse an den Opfern seine Pflichten als Bischof schwer verletzt zu haben. Er habe sich oft gefragt, warum sich die Deutsche Bischofskonferenz unter dem Vorsitz von Zollitsch nicht entschiedener der Aufklärung gestellt habe, schreibt Fürst. Heute wisse er, warum das so gewesen sei.

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Ähnliche Missbrauchsstudien bereits in anderen Bistümern

Der Freiburger Report wurde von einer unabhängigen Arbeitsgruppe vorgestellt. Die sogenannte AG Aktenanalyse mit vier externen Fachleuten aus Justiz und Kriminalpolizei arbeitet seit 2019. Der Bericht soll aufzeigen, wie Vertuschung und Missbrauch in dem Erzbistum möglich waren. Es werden dafür 24 Missbrauchsfälle beispielhaft dargestellt. Ähnliche Studien gab es auch schon in anderen Bistümern, etwa in Köln und München. In Rottenburg-Stuttgart berief Bischof Gebhard Fürst im Unterschied zu anderen Diözesen schon vor gut 20 Jahren eine unabhängige "Kommission sexueller Missbrauch" ein.

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