Wer von Gänswein Antworten oder wenigstens Äußerungen zu brennenden Fragen der katholischen Kirche erwartet hatte, wurde enttäuscht. Nicht dass Manuel Herder kein ein guter Moderator des Abends gewesen wäre - das Publikum sah sich bestens unterhalten. Aber ein kritischer Interviewer seines eigenen Autoren war der Verleger nicht, zumal er auf weitere Bücher von Gänswein im Herder-Verlag hofft. Manuel Herder klammerte kirchenpolitische Themen wie „Frauen im Priesteramt“ aus, aber auch Gänsweins schwieriges Verhältnis zu Papst Franziskus. An einer Stelle kam Gänsweins Gefühllage dazu dann doch heraus: Denn beim ersten öffentlichen Auftritt in Freiburg seit seiner Rückkehr aus Rom mussten die Umstände dafür wenigstens gestreift werden:
Gänswein: Als ich Papst Franziskus gefragt habe, was ich tun soll, hat er gesagt: Jetzt können Sie mal Urlaub machen. Das ist ja nobel. Und danach? Dann machen Sie nochmal Urlaub. Es ist so vereinbart. Ich bin hier. Ich habe ein Wohnung im Priesterseminar, also im Collegium Borromäum und werde wo ich gebraucht werde, in der Diözese gerne aushelfen, so ist es mit Erzbischof Stephan vereinbart. Jetzt muss ich noch abarbeiten, was ich an Versprechen gegeben habe und das dauert noch bis in den Oktober hinein. (0:37)
Das war die Stelle im Gespräch, an der Gänsweins Degradierung und sein Zerwürfnis mit Papst Franziskus am deutlichsten wurde. Franziskus hatte sich bekanntlich zu Lebzeiten seines Vorgängers über dessen inhaltliche Querschüsse geärgert und Gänswein als Strippenzieher dahinter vermutet. Vor dem Publikum gab sich der frühere Papstsekretär gestern betont gelassen und sogar bisweilen witzig als es um seine aktuelle Situation in Freiburg ging:
Mein Tätigkeitsfeld hat sich geographisch verändert - vom Süden jenseits der Alpen und bin jetzt hier und bin auf der Arbeitssuche sozusagen, gehe mal zum Jobcenter. BEIFALL (0:20)
Verleger Manuel Herder ging in dem Gespräch mit Erzbischof Georg Gänswein auch auf den Missbrauchsskandal ein, der die katholische Kirche nicht loslöst und für massenhaften Schwund an Kirchenmitgliedern gesorgt hat. Gänswein, der den Missbrauchsskandal mal das 9/11 der Kirche genannt hatte, verwies auf die Reaktion des späteren Papstes Benedikt XVI., als dieser als Kardinal Ratzinger noch Präfekt der Glaubenskongregation war:
Er als Präfekt hat gesagt: Das ist eine so große Beleidigung Gottes und letztlich auch etwas menschlich so unglaubwürdiges. Wenn Priester oder Ordensleute, sich an jungen Menschen, ob Männlein, ob Mädchen o. Junge vergehen in einer Form, negativ bleibend für das Leben, negativ bleibende Folgen für das Leben hat. Das muss angepackt werden. Da mußte er gegen manche Mitbrüder kämpfen. Die wollten das nicht. Aber mit der Hilfe von Johannes Paul II. wurden dann die ersten Schritte eingeleitet, dass es erstmal ernst genommen wird, dass es auf den Tisch kommt und dass die Dinge auch gemeldet werden in Rom. (0:43)
In dem an Anekdoten reichen Gespräch unter freiem Himmel in der Talvogtei von Kirchzarten kamen natürlich auch die Wahl Benedikt XVI. zum Papst und sein Amtsverzicht zur Sprache. Letzteres führte schließlich zur größten Zäsur in der Karriere von Georg Gänswein. Manuel Herder nahm das Publikum mit seiner Frage dazu gewissermaßen mit in den apostolischen Palast - an einen Septembertag 2012, ein halbes Jahr bevor der Rücktritt des Papstes öffentlich wurde:
Herder: Wie war das? Sie kommen zum Papst und er sagt Ihnen: Ich habe vor diesen Schritt zu gehen…
Gänswein: Da habe ich gesagt: Völlig unmöglich. Geht doch gar nicht. Und hab dann angefangen, Argumente aufzuzählen und er hat schön zugehört. Dann hat er nur gesagt: Hören Sie mal, ich habe Ihnen nicht etwas mitgeteilt worüber wir dann diskutieren können. Ich habe Ihnen eine Entscheidung mitgeteilt. Natürlich war ich schockiert. Das habe ich ihm auch gesagt. Bis zum heutigen Tag sitzt der Schock in meinen Knochen.
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